In dieser Folge spreche ich mit Wolfram Huke darüber, wie sein Leben nach seinem Film „Love Alien“ weitergegangen ist. Welche Erfahrungen hat er in der Zwischenzeit gesammelt? Wie sieht sein Leben heute aus? Ist das AB-Thema für ihn noch ein Thema?
Infos zum Film „Love Alien“ und Wolframs Webseite.
Im Podcast haben wir zwei Bücher durcheinander gebracht. Hier die korrekten Infos zu beiden Büchern:
„Für die Liebe ist es nie zu spät“ von Monika Büchner aus dem Jahr 2016 – ISBN 978-3958830929
„Und wer küsst mich?“ von Maja Roedenbeck aus dem Jahr 2012 – ISBN 978-3861536888
Das Selbsthilfeforum AB-Treff findet Ihr unter abtreff.de. Für Feedback, Fragen oder um als Gast mit dabei zu sein, erreicht Ihr mich über die E-Mail-Adresse podcast@abtreff.de.
Ihr findet die Folge auch im Videokanal des AB-Treff sowie auf Spotify.
Transkript
Martin: Willkommen heute zu einer weiteren Folge des AB-Podcast und heute habe ich das erste Mal einen Gast mit in der Sendung. Wer der Gast ist, das überlasse ich erst einmal Gee.
Gee: Wir freuen uns, heute Wolfram Hucke bei uns im Podcast zu begrüßen. 2012 machte er mit seinem Dokumentarfilm „Love Alien“ auf das Thema „Absolute Beginner“ aufmerksam. Seitdem hat sich sein Leben in vielerlei Hinsicht weiterentwickelt. Wir möchten mit ihm darüber sprechen, wie sich sein Alltag, seine Perspektiven und sein Umgang mit dem Thema über die Jahre verändert haben. Willkommen Wolfram! Wir freuen uns auf das Gespräch.
M: Auch von mir heute herzlich willkommen, Wolfram. Wir haben tatsächlich eine gemeinsame Geschichte von damals, als du deinen Film, also als du noch in den Aufnahmen warst. Weil wir haben uns damals dann persönlich kennengelernt, weil on3-südwild hatte damals im Forum bei uns eine Anfrage gestellt für diese Jugendsendung, weil sie sich mit dem Thema Absolut Beginner auch beschäftigen wollten. Nachdem sie letztlich keinen wirklichen Bewerber gefunden hatten, da hatten sie dann mich als Administrator des Forums angefragt, ob ich denn bereit wäre, in die Sendung zu kommen. Dann warst du hier bei mir in Würzburg und hast, ich glaube, ein oder zwei Tage warst du da, um Aufnahmen von mir zu machen für so ein kleines Teaser-Porträt.
Wolfram: Genau. Ich habe für südwild als, naja, die haben das Filmemacher genannt, gearbeitet. Die sind ja immer rumgefahren für eine Woche in so eine Stadt in Bayern und haben von dort aus so einem Sendebus gesendet. Wir Filmemacher haben diese Städte immer vorbereitet. Also wir sind hingefahren, haben versucht, Themen zu finden. Ich weiß jetzt nicht mehr, wie dieses Thema Absolute Beginner in der Sendung gelandet ist. Wahrscheinlich, weil mein Film schon fertig war oder fertig wurde. Ich weiß nicht mehr genau, was das für ein Stand war damals. Haben wir wahrscheinlich auch über meinen Film geredet, aber eben auch über das Thema. Und deswegen haben wir dann wahrscheinlich die Anfrage im Forum gestellt.
M: Im Forum war noch, also die wollten eine Sendung über die Beziehungsthemen machen und hatten dann Schwerpunkt Absolut Beginner gesetzt. In der Sendung selber hattest du sogar deine Handkamera noch dabei. Also du hast sozusagen selber noch aufgezeichnet.
W: Das heißt, ich habe gedreht noch.
M: Ja.
W: Genau.
M: Genau. Also gleich am Anfang. Wie steht es bei dir? Bist du noch AB? Bist du Ex-AB? Bist du irgendwo dazwischen gelandet? Wie sieht es bei dir aus?
W: Das wäre jetzt interessant, was denn dazwischen. Ich bin glücklicherweise nicht mehr Absoluter Beginner. Das habe ich jetzt eine Weile hinter mir gelassen. Deswegen spielt das jetzt nicht mehr wie früher im Alltag, wo dieses Thema so sehr präsent war für mich. Das ist es jetzt eben nicht mehr. Und wenn ich mich jetzt ab und zu noch mal erinnere, muss ich sagen, bin ich sehr froh und glücklich darum, dass ich das irgendwie doch ganz gut hinter mir gelassen habe.
M: Das heißt, auch gedanklich hast du das Thema wirklich abgeschlossen? Oder gibt es noch so Momente, wo es irgendwie dann sozusagen in dein jetziges Leben wieder reinschneidet?
W: Ganz selten, würde ich sagen. Also gedanklich liegt das lange hinter mir. Mehr noch, dass andere mich ab und zu noch mal darauf ansprechen. Also wenn ich Leute treffe, die mich in dem Zusammenhang kennen und dann vielleicht auch mal nachfragen oder so. Aber liegt jetzt wirklich länger zurück. Auch der Film, den habe ich jetzt lange nicht mehr gesehen, ist mir gerade nicht mehr so ganz, also weiß natürlich noch, aber nicht mehr total präsent. Lustiger weise, es gibt im Film eine Szene, wo ich auf eine WG-Party eingeladen werde. Aus dieser WG hat mich jemand vor zwei Wochen angeschrieben und hat gesagt: Hey Wolfram, gibt es dich noch? Wir würden gerne diesen Film noch mal angucken. Kannst du uns einen Link schicken oder irgendwie diesen Film zu kommen lassen? Also habe ich dann gemacht und dann hat sie danach geschrieben: Ach cool, das ist irgendwie schön, daran erinnert zu werden. Die WG sieht wohl noch genauso aus, wie sie damals aussah. Natürlich mit anderen Menschen außer ihr. Ich konnte mich an sie jetzt nicht erinnern als Person tatsächlich, aber sie muss da ja irgendwie dabei gewesen sein. Also so passiert das hin und wieder nochmal. Aber in meinem Alltag ist es eigentlich nicht mehr präsent.
M: Genau, bei mir war es sehr ähnlich. Nachdem ich mich jetzt eben wieder neu ins Forum zurückgekehrt bin, wieder als Administrator und ich jetzt eben mich mit dem Podcast dem Thema widmen möchte, war auch so ein Gedanke, mit wem könnte ich denn noch darüber sprechen und wer hat kein Problem, sozusagen darüber in der Öffentlichkeit zu sprechen? Weil du hast dich damals in der Form sehr mutig gezeigt mit dem Thema. Ich weiß noch aus, ich weiß gar nicht, ob das im Film dann vorkam, wo dann auch die Sache war, du wolltest ursprünglich, glaube ich, dokumentarisch arbeiten und hinter der Kamera bleiben und hast dann aber auch gemerkt, es ist schwierig, Leute zu finden und hast dann gesagt, naja, ich bin ja selber auch sozusagen mit dem Thema befasst und dann warum soll ich nicht selber vor die Kamera kommen?
W: Ja, ich glaube, ich habe es vorher getestet, bevor ich sozusagen, ich habe mir so eine Aufgabe gestellt, ich habe mich ein Jahr lang selber gefilmt. Jetzt nicht auf den Tag genau, aber so plus/minus. Ich habe das vorher getestet, ob andere so etwas sehen wollen, das weiß ich noch. Also es gab zum Beispiel ein Filmfestival, das nannte sich, glaube ich, „Sehsüchte“ in Potsdam und dort gibt es einen sogenannten Pitch, also wo Filmemacher, wo Studenten meistens neue Filmideen vor einem Publikum vorstellen können. Und ich habe das dort gepitcht und ich habe diesen Pitch, glaube ich, damals sogar irgendwie gewonnen. Das war noch so ein kleiner Wettbewerb und das war für mich so ein Testen. Wenn ich vor Publikum darüber rede, dass ich noch nie eine Beziehung habe, wie reagieren Leute, sind die irgendwie neugierig, habe ich das Gefühl, die wollen das, also too much information. Ich glaube, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, das geht gar nicht gut, dann hätte ich wahrscheinlich diesen Film nicht gemacht. Aber ich habe eigentlich ganz überwiegend, zumindest in diesen persönlichen Begegnungen, online ist es ja immer was anderes, aber in diesen persönlichen Begegnungen habe ich eigentlich nur total positive Reaktionen bekommen. Und ich glaube, das war es, wo ich dann letztlich gesagt habe, okay, dann mache ich das einfach. Also so what? Also was kann ich noch verlieren, sozusagen?
M: Es gab ja dann sehr viele Facetten, die du dann eben auch in dem Film versucht hast abzubilden und sehr unterschiedlichen Ratgebern, die versucht haben, dir eben dann, ja, aus ihrer Sicht irgendwie Hilfestellung zu geben. Das ist ja jetzt interessant, sozusagen damals war ja eher noch so schwierig, ja, was hilft denn wirklich? Weil solange man mittendrin ist, weiß man ja gar nicht, was der eigene Ausweg ist. Weil zumindest aus meiner Vorstellung und auch eigenen Erfahrung, der Weg ist sehr individuell, um da rauszukommen, weil das Problem sich für jeden irgendwie recht individuell gestaltet. Jeder hat eine andere Hürde, über die es zu springen gilt, um sozusagen in diesen Beziehungsraum reinzuspringen. Wie lange ist denn so nach dem Film, also nachdem du sozusagen den dann wirklich abgeschlossen hattest, dann das erste Mal vorgeführt wurde, wie lang war denn so noch so ein enger Themenbezug da, zu sagen, dass du noch eingeladen wurdest, also dass das Thema noch durch die Medien gegangen ist? Weißt du noch, wie lange das so die Aufmerksamkeit drauf gelegen hat?
W: Vielleicht war das so ungefähr ein Jahr, nachdem der Film rauskam. Also spannte sich etwa über ein Jahr. Ich bin in der Zeit nämlich von München nach Leipzig umgezogen und ich weiß, dass ich auch, als ich in Leipzig gewohnt habe, gab es schon noch ein paar Anfragen. Das ging alles los mit einem Spiegel-Online-Interview. Ich glaube, das war das erste, was sozusagen medial präsent war. Da war der Film auch noch gar nicht erschienen. Also das schrieb mir dann auch jemand, weiß nicht mehr, wo der herkam, irgendein Medienmanager schrieb mir dann, cooles Thema, cooler Film, schade, dass der noch nicht draußen ist, sonst wäre es halt eine gute PR gewesen für den Film sozusagen. So verpufft das ein bisschen, weil der Film einfach noch nicht da war und noch nicht fertig geschnitten war. Dieses Spiegel-Online-Ding war das erste und daraufhin kam das so ins Rollen. Etwa plus, minus ein Jahr wahrscheinlich. Beziehungsweise natürlich später nochmal, ich weiß gar nicht, ob du das weißt, ich habe nochmal ein Buch auch zu diesem Thema geschrieben tatsächlich.
M: Nee, das ist an mir vorbeigegangen. Zu dir selber dann?
W: Ja.
M: Oder zum Thema allgemeiner, oder?
W: Nee, auch überwiegend zu mir selber. War dann sozusagen die Idee, also es nennt sich irgendwie, ich glaube, „Erzählendes Sachbuch“. Es ging eigentlich darum, die Geschichte nochmal ein bisschen umfassender und dann ist natürlich, so ein Film braucht natürlich für alles immer Bilder. Das heißt, was ich nicht in Bildern habe, kann ich irgendwie in einem Film meistens immer nur schlecht erzählen und da hat so ein Buch natürlich viel mehr Möglichkeiten.
M: Ich denke gerade so Innenperspektiven, oder? Weil ich denke mir so ein Ulysses [von James] Joyce, wo ja sozusagen so diese epische Bandbreite, so eine Sekunde wird auf 20 Seiten gedehnt, was alles in dem Kopf passiert. Das ist halt das wahrscheinlich, so diese inneren Probleme oder Schwierigkeiten, die hast du dann im Buch ein bisschen ausführlicher beschrieben, nehme ich an?
W: Ja, letztlich habe ich auch versucht, sozusagen diese Etappen ein bisschen in thematische Kapitel sozusagen einzuteilen. Wobei ich im Nachhinein sagen würde, der Film ist mir gut gelungen, das Buch vielleicht nicht ganz so.
M: Hat das Buch dann nochmal eine Selbstreflektion für irgendwas ausgelöst?
W: Nee, das Buch war schon drei, vier Jahre später. Also das war schon sozusagen auch im Rückblick und im Nachhinein. Also ich war schon in einer anderen Situation. Das war interessant, das zu machen, aber das hat dann nicht nochmal irgendwie einen eigenen Prozess ausgelöst. Also das hat sich ergeben. Ich habe halt einfach das auch nicht unbedingt selber gesucht, aber es gab mal so eine Anfrage von einem Verlag, weil die das natürlich auch mitgekriegt haben, irgendwie über dieses Thema, könntest du dir das vorstellen? Und dann habe ich gesagt, ja, vielleicht. Und dann habe ich aber sozusagen noch eine Agentur damit auch gefragt, so eine Literaturagentur. Und die haben das Thema dann quasi an einen Verlag gebracht und dann wurde dann tatsächlich ein Buch draus.
M: Ich überlege gerade, also wenn du sagst, das ist vier Jahre nach dem Film, also um 2016 rum, weil in dem Zeitraum, da ist ja gerade auch, glaube ich, das Buch von der Maja Roedenbeck erschienen, die auch 2016 publiziert hat.
W: Wie hieß denn das nochmal? Das sagt mir was auf jeden Fall.
M: Ich glaube, „Für die Liebe ist es nie zu spät“ und ich müsste nachgucken.
W: Sie hat darüber geschrieben, aber nicht aus der eigenen Perspektive.
M: Weil sie selber nicht betroffen war, das war eher eine Schriftstellerin, deswegen, ich hatte da auch kurz angefragt, aber sie ist so weit von dem Thema weg. Sie hatte damals auch parallel eine Webseite und ist inzwischen alles abgeschaltet, weil das war halt eher so, eben auch so eine Anfrage von wegen, über das Thema zu schreiben. Und dann hat sie halt eher mit Interviews gearbeitet, mit dem Thema gar keinen so starken Bezug mehr weiterhin.
W: Ich erinnere mich auch an ihr Buch, ich habe es aber, glaube ich, auch nicht gelesen.
M: Was ist denn so dein Schlüssel gewesen, um sozusagen die Tür aus dem AB-Sein Richtung Beziehung aufzuschließen? Oder die Beziehungstür aufzuschließen?
W: Kann man natürlich immer nur rückblickend sagen, ne. Es war nicht so ein einzelner, ich habe immer gedacht, es gibt irgendwann so einen einzelnen Moment oder sowas. Ich glaube, sowas gab es gar nicht. Es gab eher so viele kleine Momente, aber nicht so den einen großen, mit irgendwie Feuerwerk im Hintergrund, so den Romantic Moment im Film sozusagen. Das eher nicht. Ich glaube, es waren viele kleine Schritte. Ganz große Rolle hat bei mir gespielt, dass ich angefangen habe zu tanzen, tatsächlich. Und das hat funktioniert. Ich habe lange Zeit, ich fand tanzen doof. Ich bin auch nicht so in die Disco gegangen. Ich weiß nicht, ich habe mich dabei nicht wohl gefühlt und habe eher dann mit dem Bier an der Seite gestanden und den anderen Leuten zugeschaut. Ich mag aber halt tatsächlich Lindy Hop. Also ich mag Swingmusik, ich mag Jazzmusik. Und ich wusste das lange nicht, aber es gibt zu Jazzmusik tatsächlich seit den 20er, 30er Jahren einen Tanz. Es gibt eine große Familie der Swingtänze. Das habe ich durch Zufall in München noch herausgefunden, weil eine Bekannte, die ich dort kennengelernt habe, Swingtänze unterrichtet hat und die hat gesagt, komm vorbei bei den Boogie-Bären in München. Das ist ein Tanzverein. Dann bin ich zu den Boogie-Bären und habe wirklich den Anfängerkurs gemacht. Es hat dann lange gedauert, bis es sich tatsächlich nach Tanzen angefühlt hat. Ich wundere mich manchmal über mich selber, dass ich da so lange dabei geblieben bin, weil es sehr lange so Schritte zählen war. Und dann ist Lindy Hop so ein sozialer Tanz, wo es auch viele Festivals und Workshops und sowas international gibt. Und ich weiß noch, ich war auf den ersten, also das allererste Festival. Da sind wir dann nach Ljubljana gefahren. Ich habe gedacht, so ein Quatsch, dass ich hier hinfahre. Ich kann überhaupt nicht tanzen. Ich gehöre hier überhaupt nicht dazu, aber es war trotzdem irgendwie schön. Und das zweite oder dritte Festival, das war dann in Krakau in Polen, der „Dragon Swing“. Da kam es dann sozusagen, dass ich das erste Mal gedacht habe, okay, ich höre jetzt auf, Schritte zu zählen und im Kopf irgendwie zu überlegen, was ich als nächstes führe. Sondern jetzt irgendwie habe ich so einen Moment mit einer Tanzpartnerin. Da hat es eigentlich angefangen, Spaß zu machen. Ab da habe ich sehr, sehr viel Zeit, also die nächsten paar Jahre ganz viel Zeit mit Tanzen verbracht, tatsächlich.
M: Genau, das war dann der Moment, wo das erste Mal so ein Flow entsteht, ne, wo du eigentlich den Kopf loslassen kannst und in das Gefühl reingeben kannst.
W: Ja, genau. Aber man muss dafür natürlich auch ein paar Tanzschritte können. Also es geht halt auch nicht ohne. Deswegen war diese Lernkurve am Anfang. Ich bin, was motorische Fähigkeiten angeht, nicht der schnellste Lerner. Da gibt es viele Menschen, die sind sehr viel schneller als ich. Ich brauche dafür einfach Zeit. Bin auch bis heute sicherlich weiter von entfernt ein guter oder eleganter Tänzer zu sein. Aber ich habe meinen Spaß. Also ich habe so meinen Weg gefunden, sozusagen ganz ohne Schritte und ganz ohne so ein bisschen was geht es halt nicht. Also ohne so ein Vokabular, so ein Grundvokabular, auf das man sich irgendwie einigen kann. Dann kann man das natürlich loslassen. Tanzen ist eben nicht Schritte zählen, sondern es irgendwie. Also im Lindy Hop würde ich sagen, ist der Swingtanz ist eine freie, improvisierte Interpretation der Musik, die gerade spielt. Also du interagierst sehr stark mit deinem Partner und mit der Musik.
M: Ich kann es ziemlich gut nachvollziehen, weil für mich war aus meiner Sicht auch das Tanzen ein sehr großer Schlüssel, eben um aus dem AB rauszukommen. Bei mir war es halt Salsa. Und ich weiß, dass ich am Anfang, ich habe drei Tanzkurse die Woche gemacht und bin zweimal die Woche tanzen gegangen. Also ziemlich von Anfang an. Die haben uns auch in der Tanzschule gesagt, geht abends tanzen. Selbst wenn ihr nur einen Tanz macht am Abend. Je mehr Praxis, desto schneller kommst du eben in diesen Flow-Moment, wo du dieses Zählen loslassen kannst. Weil dann, wenn du bis zu diesem Punkt gekommen bist, dann hast du die Chance, dass es dir Spaß macht.
W: Genau, das hat bei mir ziemlich genau anderthalb Jahre gedauert. Also manchmal wundere ich mich selber, dass ich so viel Geduld hatte dafür. Es hat aber auch einfach Spaß gemacht. Was ich durch das Tanzen eben gelernt habe, zum Beispiel auch beim allerersten Anfängerkurs, ist, im Lindy Hop wechselt man ja Partner. Das heißt, man steht in einem großen Kreis. Und auch im Unterricht und in der Übungsstunde, du hast keinen festen Partner und du brauchst eigentlich auch keinen. Man guckt, dass das einigermaßen ausgewogenes Verhältnis ist zwischen Führenden und Folgenden. Ansonsten wird halt alle drei Minuten oder so weiter gewechselt. Das heißt, man tanzt mit allen möglichen. Und da sind dann welche dabei, die sind auch sehr attraktiv. Und man denkt sich, cool, jetzt darf ich die irgendwie… Also, das denkt man sich nicht, aber irgendwie denkt man sich es doch so. Man kommt denen körperlich näher. Also, man hält Händchen, man fasst denen sozusagen um die Taille. Man kommt dann abends nach Hause und hat irgendwie Parfum an den Händen und riecht das noch sozusagen. Also, ich weiß, das war für mich ein großes Ding sozusagen am Anfang, so ein bisschen körperliche Nähe zu erleben und überhaupt erst mal auch ein bisschen dadurch zu lernen, würde ich sagen.
M: Genau, die Erfahrung im Endeffekt, dieser Effekt des Körperkontakts lernen. Ich denke, das eine ist sozusagen, wie du es beschreibst, sozusagen die Systematik vom Speed Dating. Aber das, was dann da fehlt, ist diese menschliche Nähe. Wenn Speed Dating, wenn du alle drei Minuten irgendwie den Partner wechselst, dann ist das eher dieses Interview, Jobbewerbung. Genau. Bin ich der passende Partner für ihre Beziehungsanfrage? Aber das hat sozusagen überhaupt nicht so dieses menschelnde Gefühl zu sagen, Hey, da ist eine lebendige, warme Person, die eben die Gerüche, die, das Gespür von dem Körper und so und überhaupt, die sich dann das Bewegen. Für mich war eben dieses Bewegen auch immer beim Tanzen. Du hast ganz schnell gemerkt, ob du mit jemandem kannst.
W: Ja.
M: Weil dieses sich aufeinander einlassen, loslassen, hingeben, wenn du sagst führen und geführt werden, ist sozusagen das sehr schnell möglich, auch führen und Führung zu wechseln.
W: Theoretisch ja, im Lindy Hop ist es immer durchlässiger geworden. Du meinst jetzt so die Geschlechterrollen auch wahrscheinlich.
M: Dass tatsächlich dann die Frau in die Führungsrolle gehen kann und sozusagen selber mehr aktiv wird?
W: Ja, das gibt es auf jeden Fall und das gibt es auch, würde ich sagen, immer mehr. Und das ist total In geworden, auch in den letzten zehn Jahren immer mehr. Wenn man im Tanzkurs ist, erst mal nicht. Da ist man meistens, zumindest da, wo ich die Kurse gehabt habe, war man irgendwie erst mal auf eine Rolle festgelegt. Was jetzt manchmal passiert, aber da müssen sich die Leute schon kennen, ist, dass man in einem Tanz wechselt. Also dass innerhalb eines Songs sozusagen die Führungsrolle wechselt und die folgenden Rolle. Das ist eher jetzt ungewöhnlich, sage ich mal, beim Social Dance. Vor allem, wenn ich die Leute nicht kenne, da sind meistens schon so die Rollen ein bisschen festgelegt. Das ist nicht unbedingt festgelegt, also nicht dahingehend festgelegt, dass nur Frauen folgen und nur Männer führen. Insofern, inzwischen hängt ein bisschen vom Ort ab und wie affin die dafür sind. Aber gibt es auch viele Männer, die folgen und mit denen ich überhaupt kein Problem habe zu tanzen. Was auch meistens sehr, sehr lustig ist. Also das macht auch Spaß tatsächlich.
M: Genau, ich hatte nur wenige Gelegenheiten, das auch auszuprobieren. Aber es ist eben wirklich nochmal was anderes, sich führen zu lassen, auch als Mann und einfach auch die Figuren und die andere Seite noch besser zu verstehen. Weil dann lernst du auch das Signaling nochmal deutlich besser zu verstehen, wie wichtig sozusagen der richtige Zeitpunkt ist, damit das im Flow passt. Weil du merkst im Endeffekt, okay, du brauchst Zeit zu verarbeiten. Du brauchst Zeit, um das aufzunehmen und zu reagieren. Ich habe es dann auch immer sehr schnell gemerkt. Aber auch so, auch wenn die Rollen des Führenden zwar klar vergeben waren, ist es nie, ich setze mich jetzt hier durch, sondern…
W: Nee, genau.
M: Es ist immer eben auch das Spüren.
W: Genau.
M: Was macht die andere Person mit und was ist sie bereit zu tragen? Das heißt, es ist nie wirklich für mich dieses klare, der eine hat jetzt die Führung und der andere muss folgen, sondern im Gegenteil. Es ist immer wieder so ein Zusammenspiel, weil du spürst dann auch: Was macht der Frau Spaß? Wo jauchzt sie sozusagen oder eben die Person, mit der du tanzt? Und wo merkst du, ahh, Drehungen sind, die eine mag es nicht, die andere mag es sehr. Wenn du viel mit Drehungen machst, fand ich es sehr, sehr spannend, so diese Dynamik auch immer wieder zu erleben.
W: Würde ich auch sagen. Also im Lindy Hop ist es auch, je fortgeschrittener man ist, desto ausgeglichener ist es wieder. Also ich würde sagen, idealerweise, obwohl offiziell einer führt und der andere folgt, liegt es etwa bei 50:50. Weil du dir gegenseitig Freiräume lässt, um irgendwelche Verzierungen, Kreativitäten einzubauen. Und weil zum Beispiel auch die oder der folgende aus Spaß. Also Lindy Hop ist ein Tanz, wo man viel rumalbert und viel Quatsch macht, sage ich jetzt mal. Man kann sich auch bestimmten Figuren verweigern und dann entsteht daraus wieder was Eigenes. Also du kannst ein Swing Out machen und der Follower sagt, nee, mache ich jetzt nicht, ich mache was anderes. Und das funktioniert. Also da muss man sich drauf einlassen als Leader, aber wenn man sich drauf einlässt, kann das sehr, sehr witzig sein.
M: Cool.
W: Und ja, fast wie so eine Beziehung.
M: Genau, das ist schon mal das Ausprobieren, ne? Sich auf jemanden einlassen.
W: Genau. (lacht)
M: Weil ich glaube, das ist ja auch so ein ganz großes AB-Thema. Das Schwierige in der Beziehung ist nachher, du musst dich einlassen. Und was heißt das? Also, wie funktioniert das? Wie lässt man sich auf Menschen ein, wenn man eher so eigenbrötlerisch unterwegs war und sein Reich hatte, indem sozusagen keiner störende Wellen hinterlässt und mit dem man irgendwie zurechtkommen muss oder sowas?
W: Ja, muss man lernen, glaube ich. Das geht nicht gleich und nicht sofort wahrscheinlich. Und bei mir war es auch so, ich habe jetzt nicht wahnsinnig viele, aber ich habe schon mehrere Beziehungen gehabt, bevor ich jetzt immerhin, glaube ich, seit, weiß ich nicht, drei, dreieinhalb Jahren mit meiner jetzigen Freundin zusammen bin. Wir sind auch zusammengezogen. Und vorher hatte ich so eher kürzere Beziehungen, also immer so zwei, drei Monate. Und das war wirklich eher so diese Kennenlernen- und Ausprobierphase, um dann aber meistens festzustellen, okay, irgendwie so richtig passt es doch nicht. Und dann war es meistens auch wieder irgendwie vorbei.
M: Wie ist das in diesen kurzen Beziehungen? Ist es dann eigentlich auch noch mal letztlich das eigene Profil zu schärfen, klar zu machen, was du in einer Beziehung bereit bist zu akzeptieren und was nicht? Wie ist sozusagen da dieser Prozess gewesen? Kannst du da ein bisschen was zu sagen? Wie das sozusagen, gab es da so einen Lernprozess, dich selber noch erst mal zu erkennen, wie du in Beziehungen bist?
W: Da lernt man sich auf jeden Fall noch mal neu kennen, würde ich sagen, weil das weiß man ja vorher nicht. Ansonsten ist es schwer zu sagen. Ich bin nicht mit einer Agenda irgendwie gekommen und habe gesagt, ich brauche das und das und das an Freiheiten oder an Dingen, die irgendwie in der Beziehung stattfinden sollen oder eben nicht. Das gar nicht. Es ist mehr immer so gewesen, glaube ich, wie einfach und wie gut fühlen sich Sachen an. Wenn man nach ein paar Wochen irgendwie Beziehung merkt, es wird jetzt sehr mühsam, dann hat man manchmal und das war dann teilweise auch wirklich beiderseitig, dass wir irgendwie festgestellt haben, okay, so richtig gab es so eine Anziehung, irgendwie so einen Moment, aber jetzt für eine Beziehung reicht das irgendwie dann vielleicht doch nicht. Es waren auch meistens Fernbeziehungen. Bis auf eine Ausnahme waren das immer so Fernbeziehungen zwischen zum Beispiel Berlin und Leipzig mehrmals. Und da hat man sich natürlich jetzt eben auch nicht die ganze Zeit gesehen, aber eben auch nicht so intensiv vielleicht kennenlernen können, wie man es vielleicht gerne gehabt hätte oder so. Schwer zu sagen. Aber nachdem ich das eben dann ein paar Mal, so weiß ich nicht, zwei, drei Mal hatte, so eher eine kürzere Beziehung, jetzt auch nicht am laufenden Band. Also das ist jetzt nicht Schlag auf Schlag, sondern das hat sich über Jahre verteilt. Auch dann habe ich irgendwie gedacht, okay, so ist das wohl jetzt. Das ist wohl jetzt die neue Normalität sozusagen. Also ich bin jetzt über einen Schritt hinaus. Ich kann jetzt mit Frauen was anfangen. Aber dann habe ich so gedacht, okay, wie geht jetzt der nächste Schritt? Also wie findet man jetzt etwas, was länger bleibt?
M: Und es hat sich eigentlich wieder ergeben, oder? Also es war nicht so, ah, jetzt habe ich wieder die nächste Schlüssel gefunden, um die nächste Treppe zu erreichen, sondern es war auch wieder dann eher, wirklich den passenden Menschen sozusagen zu erwischen.
W: Ja, würde ich sagen. Also ich habe das nicht so analysiert. Es sind ja auch unterschiedliche Menschen. Ich mag die alle auch noch sehr. Bin auch glücklicherweise mit einigen von denen immer noch sehr gut befreundet. Nee, ich habe das nicht so analysiert. Ich glaube, das war auch immer sehr unterschiedlich, woran das möglicherweise gescheitert ist. Ich glaube gar nicht, dass das immer so dasselbe war. Ich glaube, man hatte einfach sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie eine Beziehung aussehen sollte. Vor meiner jetzigen Freundin hatte ich eine längere Beziehung. Die war allerdings auch zu großen Teilen eine Fernbeziehung. Die ist dann ein bisschen daran gescheitert. Ich war mit einer Taiwanerin zusammen und wir haben uns auch beim Lindy Hop kennengelernt. In München auf einem Swing-Tanz-Festival haben auch zwei Jahre lang, glaube ich, eine Beziehung geführt, von denen ich sozusagen auch eine Zeit lang in Taiwan gelebt habe und sie eine Zeit lang auch in Deutschland gelebt hat. Und letztlich aber in der Corona-Zeit gab es irgendwie keine Perspektive, wie das jetzt weitergehen kann, weil es war irgendwie klar, man kann jetzt überhaupt nicht mehr fliegen und nicht mehr reisen. Und es gab eben auch keine berufliche und Lebensperspektive so richtig. Und dann war das auch mehr so eine Vernunftentscheidung, denke ich mal. Durchaus auch bedauert von beiden Seiten, aber so ein bisschen bringt ja dann nichts, wenn man nur noch irgendwie FaceTimed oder Skyped oder so. Das ist eher irgendwie zu wenig, wenn man dann gar nicht weiß, wie sich das mal ändert.
M: Deswegen sind Beziehungen ja auch da, um bestimmte Bedürfnisse zu erfüllen, die eben gerade auch in der körperlichen Nähe, in dem Zusammensein irgendwo dann auch ihren Raum haben sollen. Weil genau deswegen ist ja auch das Ziel, die Beziehung einzugehen.
W: Auf jeden Fall. Fernbeziehung geht schon eine Zeit lang. Wir haben das ja auch eine Zeit lang gemacht, aber man braucht irgendwie so eine Perspektive. Und wenn man diese Perspektive nicht mehr hat, dass man sagt, also wenn wir jetzt noch ein halbes Jahr durchhalten, dann sind wir wieder irgendwo an einem Ort zusammen und werden wieder zusammenleben. Diese Perspektive gab es halt ab einem bestimmten Punkt nicht mehr so richtig. Sie war einfach eine Zeit lang hier in Deutschland, hat hier versucht, auch beruflich irgendwie was anzufangen. Das hat aber nicht so gut funktioniert. Das heißt, sie wollte wieder zurück, einfach um auch einen Berufseinstieg dann zu machen. Und sie wollte jetzt nicht hier irgendwie von Sozialleistungen leben. Oder so. Sie wollte einfach eine Karriere anfangen, so aus dem IT-Bereich und wollte da einfach gerne auch arbeiten. Die Chancen hat sie für sich auf jeden Fall sich in der Heimat gesehen. Das hat sie jetzt inzwischen auch sehr gut verwirklicht, muss man sagen. Und für mich andererseits, ich war ja auch ein dreiviertel Jahr lang in Taiwan, gab es auch dort nicht so richtig eine Perspektive, was ich da hätte machen können. Es sei denn, ich hätte jetzt irgendwie so was gemacht wie Englischlehrer oder Deutschlehrer oder so was. Aber jetzt nicht irgendwas, was ich gelernt habe oder wo ich das Gefühl gehabt hätte, dass es irgendwie was Vernünftiges.
M: Es sind halt viele Aspekte, die in so eine Beziehung mit reinfließen, die dann irgendwo stimmen müssen, damit eben das Einlassen funktioniert. Weil eben das Aufgeben eigener Wünsche oder Bedürfnisse ist für eine Beziehung ja auch nicht gesund. Um vielleicht nochmal so diesen Bogen zu spannen von deinem Film, den vielen Ratschlägen, die du da bekommen hast, die Themen, die angesprochen wurden. Also ich weiß ein Problem, was sozusagen ABs immer haben, ist, es wird sozusagen immer so ganz stark auf sie selber. Sie werden sozusagen als Problem hingestellt. Irgendwas müssen sie ändern. Irgendwie müssen sie irgendwas besser werden, irgendwelche Skills lernen, was auch immer, damit sie sozusagen dann beziehungsreif werden. So nach dem Motto. Wenn so jetzt ein bisschen anschaust, ebend was tatsächlich für dich geholfen hat, in diese Beziehungsebene zu wechseln, gab es tatsächlich eigentlich Hinweise im Film, die diesen Weg, also sozusagen gibt es zwischen dem, was für dich der Weg war und den Tipps und Ratschlägen im Film. Gibt es da irgendeine Verbindung, wo du sagen würdest, ja, das lag gar nicht so schlecht oder das hätte schon gepasst?
W: Naja, also ich meine, die oberflächlicheren Sachen, also weiß ich nicht, Kleidungsstil oder zum Speed Dating gehen oder irgendwie solche Sachen, kann man machen. Das ist jetzt aber im Nachhinein gesehen nicht das Problem gewesen. Ich weiß nicht, ich laufe jetzt auch nicht den ganzen Tag im Anzug rum. Das Tanzen hat mir, glaube ich, dahingehend geholfen. Es hätte auch nicht tanzen sein müssen. Aber wichtig ist halt, dass man einen Ort findet. Ich glaube, man brodelt halt sehr in seinem eigenen Saft. Oder mir ging es auf jeden Fall so. Also ich habe zehn Jahre lang in München gewohnt, ist halt auch eine Großstadt, aus der ich nicht komme, wo ich keine Wurzeln habe. Und natürlich habe ich da auch Freunde und Bekannte gehabt. Aber ich hatte lange Zeiten nicht so ein gutes soziales Netz. Das heißt, ich habe tatsächlich mich schon auch streckenweise ziemlich einsam gefühlt und sehr viel Zeit mit mir allein verbracht. Und das ist natürlich schwierig, weil wenn man Zeit mit sich allein verbringt, ist es dann halt schwierig, irgendwie dann von sich wegzukommen und irgendwie was zu finden. Das heißt, ich glaube, tanzen hätte es gar nicht unbedingt sein müssen. Es hätte auch irgendwo anders passieren können. Es hilft, die eigene Höhle zu verlassen und sich unter Menschen zu mischen, und zwar an Orten, wo man Menschen auch wieder trifft. Also das kann auch, weiß ich nicht, irgendwie ein Ehrenamt sein in der Bahnhofsmission. Bei mir tatsächlich auch eine Zeit lang, ich habe ja bei den Jesuiten studiert und habe mich eine Zeit lang auch für so religiösere Aspekte interessiert. Und auch da habe ich interessante Begegnungen gehabt. Also auch so was kann das sein. Also überall, wo man Menschen trifft und Menschen auch wieder trifft. Sport, glaube ich nach wie vor bis heute, ist so bedingt geeignet. Bei Fitnessstudio finde ich es sehr, sehr, sehr anonym. Da spricht man eigentlich nicht miteinander. Man guckt sich höchstens mal so an oder so ein Hallo ab. Also ich mache ja sehr viel Sport, auch heute. Da lerne ich Leute kennen, weil ich immer zum Crossfit gehe und immer die gleichen Leute in meinem Kurs sind. Also die kenne ich alle inzwischen. Aber wenn ich zwischendurch mal irgendwo auf Reisen bin und ich gehe mal irgendwo in so ein normales, weiß ich nicht, so ein Großraumdings, da lernst du niemanden kennen. Da kannst du auch in den Supermarkt gehen, da lernst du auch niemanden kennen. Also sagt man immer so ne, im Supermarktregal. Aber du musst irgendwohin, wo du wirklich, wo es dazugehört, dass man mit Leuten ins Gespräch kommt und wo du wieder hingehen kannst und dieselben Leute wieder treffen kannst. Weil nur so kann man Leute so ein bisschen wenigstens kennenlernen. Irgendwie finde ich.
M: Für mich war so ein Stichwort oder ein Merksatz, den ich so aus meinem Wechsel: „Aus Nähe entsteht Nähe.“ Das heißt, du brauchst erst mal den Kontakt zu den Menschen und dann eben möglichst wiederkehrend, weil an einem Abend baust du nicht die Nähe auf, damit das Interesse geweckt ist zu sagen: Okay, ich will mit dem irgendwie im Kontakt bleiben und so. Das ist extrem schwierig und kommt aus meiner Sicht selten vor, gerade im Erwachsenenalter, wo wir nicht mehr so leicht im Endeffekt auf Leute neu zugehen. Aber deswegen eben, aus Nähe entsteht Nähe. Das heißt, wenn du Zeit mit Menschen verbringst, dann ist auch der Punkt da, wo sie dich überhaupt eben Nähe zu dir aufbauen, also wirklich auch die emotionale Nähe, ja.
W: Würde ich sagen und auch das Arbeitsumfeld war bei mir nicht immer hilfreich. Also ich bin ja Journalist irgendwie und Filmemacher und habe teilweise mit sehr vielen Leuten zu tun gehabt. Aber die Medienwelt ist halt auch, würde sogar so weit zu gehen, dass ich sagen würde, die ist oft toxisch. Das heißt, die Beziehungen der Menschen untereinander in der Medienwelt sind nicht gesund und auf jeden Fall nicht natürlich. Jeder versucht da irgendwie, sich toll darzustellen und irgendwie eine Rolle zu spielen und so. Keine Ahnung. Das heißt auch für mich, die Arbeitswelt war jetzt nicht der Ort, wo ich wirklich neue, tiefe Bekanntschaften geschlossen habe. Und das Schöne zum Beispiel beim Tanzen ist und das ist bis heute so. Du kannst komplette Abende mit anderen Menschen verbringen und du redest nicht ein Wort über das, was du eigentlich beruflich machst. Nichts. Das interessiert da keinen. Du bist auf einer ganz anderen Ebene unterwegs und das ist toll, finde ich.
M: Ich fand es beim Tanzen auch sehr angenehm. Deswegen war ich auch lieber auf der Tanzfläche als am Rand, weil während du tanzt und die Musik laut genug ist, unterhältst du dich einfach grundsätzlich nicht, weil du hast dich auf andere Sachen konzentrieren, lässt dich auf Tanzen ein statt am Rand, wenn dann so anfängt, so ein bisschen leisere Ecken, Smalltalk und so weiter. Und mir denk, oah, darauf habe ich echt keinen Bock. Ich will nicht über Beruf, ich will nicht über Wetter, ich will nicht über irgendwas reden. Ich will im Endeffekt die Menschen erleben. Ich habe das auch sehr, sehr genossen. Die Zeit, wo ich da sehr intensiv unterwegs war.
W: Also meine Freundin jetzt, die hat zum Beispiel einen Beruf, ich glaube, das ist auch relativ emotional. Die macht Musik, also die ist irgendwie Geigerin, die spielt in einem Orchester. Ich glaube, auch so gemeinsam irgendwie Musik machen, in einem Chor singen. Das klingt jetzt alles so ein bisschen altbacken. Und ich glaube, was ich damals blöd gefunden hätte und wo ich halt heute sagen würde, das war ein Trugschluss von mir, wenn mir jetzt jemand gesagt hätte, geh doch tanzen, da lernst du Frauen kennen. Das stimmt ja prinzipiell. Aber ich habe irgendwie innerlich eine Abneigung gehabt, Dinge extra machen zu müssen, um jemanden kennenzulernen. Der richtige Ansatz war, finde einen Tanz, der zu deinem Temperament und zu deinem Musikgeschmack passt und wo du Bock hast, den ganzen Abend diese Musik zu hören, was bei mir nicht Tango und nicht Salsa und nicht irgendwelche anderen Sachen sind. Das nervt mich einfach musikalisch relativ schnell. So ehrlich bin ich. Beim Lindy Hop und beim Swing passiert mir das nicht so schnell. Das finde ich cool und verbringen dann einfach eine gute Zeit mit Menschen, ohne gleich diesen Fokus zu haben. Ich muss hier irgendwie, wo sind hier Single-Frauen im Raum? Und jetzt muss ich die aber ansprechen oder so.
M: Das ist ja auch immer das Bild gewesen, wo es dann immer hieß, ja, wenn du jetzt eine Beziehung suchst, hör auf zu suchen, weil sozusagen diesen Anspruch, diesen Needy-Blick, so nach dem Motto, man kommt irgendwohin und scannt alles ab und fixiert sich dann sozusagen auf das, was man meint, als Single-Frau erkannt zu haben und jagt der dann hinterher und verscheucht dann sozusagen sie erst recht. So nach dem Motto den Fokus rauszunehmen in der Beziehungssuche so schwer es fällt. Aber letztlich Menschen, um das Menschenwillen kennenzulernen, weil das ist dann immer diese Verinstrumentalisierung von Menschen. So von wegen suche ich jetzt wirklich einen Menschen oder suche ich im Endeffekt etwas, was mir mein Beziehungsbedürfnis erfüllt? Und eigentlich geht es gar nicht um den Menschen. Und das ist ja so dann diese Schwierigkeit, wenn man zu lange in diesem Loch aus meiner Sicht drinsteckt, …
W: Ja.
M: … dass man gar nicht mehr den Menschen wirklich erleben kann, weil man eigentlich nur noch die Vorstellung hat, was will man haben und nicht, was der Mensch ist.
W: Weil es diesen Fokus gibt. Das kann sein, wenn es irgendwie klappt, wenn man sowas finden kann, irgendwas zu finden, wo man unter Menschen ist, aber mit einer gemeinsamen Sache Spaß haben kann oder einfach eine gute Zeit haben kann. Das ist eine ziemlich coole Sache, weil dann hat man eh schon Quality-Time. Halt mit verschiedenen Menschen erstmal. Ist ja erstmal wurscht. Ich habe fast alle Frauen, mit denen ich irgendwie mal geflirtet habe oder die ich irgendwie kennengelernt habe, übers Tanzen kennengelernt tatsächlich. Manchmal beim Tanzen, manchmal nicht. Aber ich bin nicht tanzen gegangen, um jetzt irgendwie Frauen kennenzulernen. Sagen wir mal so, ich würde im Nachhinein so weit gehen, wenn man unter Menschen geht und so eine Quality-Time hat mit Menschen zusammen, dann bleibt es gar nicht aus, dass man Menschen kennenlernt und trifft. Das passiert von selber. Das muss man dann gar nicht mehr suchen.
M: Du hattest gerade nochmal die Jesuiten erwähnt. Ich weiß, du hattest entweder in einem Interview zu dem Film oder im Film selber sozusagen dir damals ja dieses eine Jahr, glaube ich, gesetzt, zu sagen, wenn jetzt im einen Jahr irgendwie nichts absehbar ist, dann gehe ich in Kloster oder Orden und verbringe da mein Leben. Aber das hat sich dann ja geändert bei dir. Magst du da noch was drüber erzählen, was so deine Perspektive damals war und was sich dann tatsächlich geändert hat?
W: Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mir da so eine Deadline gesetzt habe. Ich weiß, dass mich die Spiritualität der Jesuiten tatsächlich sehr angesprochen hat. Ich habe bei den Jesuiten Meditationskurse besucht. Also es gibt so eine ignatianische Spiritualität, die ich sehr cool fand. Ich habe mich ja tatsächlich auch erst in München taufen lassen. Also ich war vorher gar nicht getauft sozusagen und hatte vorher eigentlich auch keine Berührungspunkte damit und komme aus einem areligiösen Haushalt, würde ich sagen. Genau, und habe diese Religiosität dort eigentlich erst kennengelernt. Und die fand ich schon auch sehr authentisch und sehr beeindruckend. Ich glaube, ich habe bewundert, dass man sich so krass für was entscheiden kann und dafür wirklich auch auf was anderes verzichtet. Also dass man sagt, ich führe ein religiöses Leben und lebe im Zölibat und werde mein ganzes Leben lang keine Kinder und keine Frauen, keine Beziehung führen. Daran scheitern ja auch viele, Klammer auf Klammer zu. Ich fand das attraktiv und habe eine Zeit lang durchaus ein bisschen ernsthafter überlegt, ob das was für mich sein könnte, bin dann aber irgendwann darauf gekommen, ein Aspekt, der kam, war sozusagen, solange ich noch keine Beziehung hatte, kann ich gar nicht so richtig sagen, dass ich jetzt darauf verzichten will, weil dann bleibt immer diese unerfüllte Sehnsucht bestehen. Und selbst wenn ich mich dann für ein religiöses Leben entschieden hätte, dann glaube ich, wäre da immer noch so eine Leerstelle gewesen und ich hätte eigentlich gar nicht richtig gewusst, worauf ich da verzichtet hätte. Also das war sicherlich jetzt so ein Aspekt unter sehr vielen. Das ist ein durchaus komplexes Thema. Aber diese Spiritualität mit so einer Meditationspraxis zum Beispiel und es gibt bei den Jesuiten, es nennt sich Exerzitien. Und als Jesuit, also wenn man in den Orden eintritt, macht man zweimal im Leben so große Exerzitien. Die gehen dann 30 Tage lang. Das ist auch irgendwie im Schweigen und mit so einem Exerzitienbegleiter. Und da passiert innerlich unglaublich viel, wenn man sich da drauf einlässt. Also das ist wirklich eine sehr krasse Reise, auf die man sich da sozusagen innerlich begibt. In der krassen Form habe ich das nicht gemacht, aber ich habe mal auch so 14-tägige Exerzitien gemacht und das macht unglaublich viel in einem. Das ist so ein bisschen so eine Büchse der Pandora, die man dann aufmacht. Da kommen ganz, ganz viele Sachen raus, die man normalerweise im Alltag immer schön unter Verschluss hält. Die kommen dann alle so zum Vorschein und man muss dann erst mal schlucken und dann damit irgendwie umgehen können. Ich habe mich dem mal angenähert, aber es gab irgendwo einen Punkt, wo ich gesagt habe, na ja, ich weiß nicht, ob das jetzt so richtig ernst gemeint ist, ehrlich gesagt, weil so ganz habe ich mich dann wahrscheinlich irgendwann da doch nicht gesehen. Aber ich habe mit dem Gedanken mal gespielt.
M: Ich bin jetzt mit meinen Fragen so erstmal durch, was ich so an Überlegungen und Gedanken hatte. Zumindest erstmal, was sozusagen dich persönlich, deine Geschichte betrifft, wie sie so weitergegangen ist, was so deine Überlegungen sind. Im Film hast du ja vor allen Dingen ein sehr, sehr persönliches Bild gezeichnet. Wenn du sagst, so viel intellektuell reflektiert über das AB-Sein als solches, hast du dann jetzt weniger gemacht, sozusagen. Was sind jetzt die Gründe? Für viele ABs ist ja auch immer so die Frage, also wie viel ist jetzt eigene Sache und wie viel gibt es auch im gesellschaftlichen Rahmen? So Thema eine Gesellschaft, in der wir leben, wo Einsamkeit eben auch immer mehr eine Rolle spielt. Du hast ja gesagt zum Beispiel in München, das du da auch dich öfter eben trotz der Großstadt einsam gefühlt hast, was ich sehr gut nachvollziehen kann. Ich war auch in München, habe da auch mehrere Jahre gelebt und ich muss sagen, es ist unglaublich schwer für mich gewesen, mit Menschen in Kontakt zu kommen. Ich weiß, mir ist einmal die Decke auf den Kopf gefallen, da bin ich irgendwo in eine Disco rausgefahren, habe dann damals tatsächlich zumindest zwei Bekannte dann kennengelernt, wo ich dann das erste Mal einen Anknüpfungspunkt hatte, mit dem ich dann öfter in Discos überhaupt ausgegangen bin. Weil ansonsten, ich hätte überhaupt nicht gewusst, wie ich alleine in irgendeine Disco, also klar, man hätte irgendwohin gehen können, aber das fühlt sich so unangenehm an, als Fremder, Unbekannter, du kennst keinen, du weißt nicht, wie es da abgeht, du weißt nicht, wie man sich da verhält und so, sich zu überwinden und irgendwann hinzugehen. Und wenn du dann schon zwei, drei Leute hast, mit denen du gemeinsam dahin gehen kannst, an die du dich immer wieder sozusagen als Rettungsanker sagen kannst, da ist ein Pol, da kenne ich ein paar Leute und so, sozusagen das Thema eben auf einer gesellschaftlichen Ebene. Das ABtum für mich sozusagen ist gedanklich eine Spitze des Eisbergs einer problemhaften Umgang miteinander irgendwo.
W: Ja, würde ich auf jeden Fall sagen. Also ich meine, ich bin auch zum Studieren nach München gegangen, irgendwie mit Anfang 20 und habe es halt nicht so gut hingekriegt, lange Zeit. Das ist auch, wenn man jung ist und man glaubt dann immer dran, das wird schon und das wird schon irgendwie und man macht halt die Dinge, die man macht. Also ich habe irgendwie studiert und ich habe nebenbei gearbeitet und ich hatte ja eigentlich mit super vielen Leuten zu tun. Da waren nicht so Leute dabei, wo man dann hinterher gesagt hat: Hey, was machst du heute Abend? Lass mal irgendwie ein Bier trinken gehen, lass mal das und das machen. Sondern, ja, man geht dann halt nach Hause und ist dann halt allein zu Hause. Und die anderen, weiß ich nicht, wenn die aus München stammten, dann hatten die halt ihren sozialen Kreis. Aber da so reinzukommen, ist mir lange Zeit nicht so gut gelungen. Und Leipzig zum Beispiel, vielleicht gibt es einfach Orte, wo man besser hingehört. Also ich will jetzt nicht auf München und Leipzig schimpfen und will sagen, die Städte sind schuld. Aber es war schon bezeichnet, dass ich nach Leipzig gekommen bin und alles (Schnippen) so ging. Also ich habe mich hier überhaupt nicht um irgendwas bemüht und hatte sofort soziale Kontakte und auch so eine Verbindlichkeit hier, die ich aus München nicht kannte. München war es immer so, man lernt sich irgendwo kennen und dann geht man so, ja, wir sehen uns sicher noch mal irgendwie. Bis bald. So und ja, okay. Und in Leipzig bin ich ganz oft so total verbindlich, von Leuten fast schon vereinnahmt worden, was ich aber immer sehr, sehr cool fand. Ich mag Verbindlichkeit inzwischen sehr. Also ich schätze das sehr unter Menschen, wenn die verbindlich sind. Und hier in Leipzig ist mir das oft passiert, dass sie gesagt haben, hey, ich kenne dich nicht so gut, aber wir machen nächste Woche eine Party, komm doch vorbei. Das hätte, ich weiß nicht, es ist mir in München nicht passiert. Tatsächlich. Vielleicht gibt es einfach so Orte, wo man auch besser hinpasst als an andere Orte. Kann schon sein. Jetzt habe ich ein bisschen den Faden verloren oder die Frage.
M: Genau, es ging darum, ob sozusagen das AB-Thema, wie weit es auch gesellschaftliche Aspekte widerspiegelt. Also das ist eben nicht nur die individuelle Situation, sondern tatsächlich unsere gesellschaftliche Dynamik und dass wir da in einer schwierigen Sache sind. Thema Einsamkeitsepidemie sozusagen generell Problem haben, miteinander in Kontakt zu sein oder zu bleiben, dass wir da uns anders abgrenzen, vielleicht heutzutage oder.
W: Es scheint da was zu geben. Also das Thema Einsamkeit ist ja selbst, wenn man nur mal guckt, sozusagen medial inzwischen auch immer präsenter und auch nicht mehr so, ihh, das ist nur was für Leute, die selber schuld dran sind, sondern man erkennt immer mehr, dass das wirklich ein soziales Problem ist. Und vielleicht ist es eine Banalität, wenn man sagt, die sozialen Medien, offensichtlich sind die gar nicht sozial, gar nicht so sehr sozial, sondern (lacht) im Gegenteil. Da ist sicherlich was dran, ganz bestimmt. Also ich meine, es ist sicherlich immer eine Mischung aus irgendwie persönlicher Geschichte und Umfeld, in dem man irgendwie lebt, das bestimmte Sachen halt leichter macht oder weniger leicht macht. Manchmal frage ich mich zum Beispiel, wenn man jetzt eben zum Beispiel nicht in der Großstadt lebt. Ich glaube, auch auf dem Land kann einem beides passieren. Ich glaube, man kann auch auf dem Land sehr einsam sein, weil man da gar nicht die Auswahl hat an Menschen. Und wenn nun gerade die Leute, die in deinem Dorf sind, wenn du mit denen nichts anfangen kannst, ist das irgendwie blöd. Oder wenn du sogar keinen findest. Aber ich glaube vielleicht auch genau das Gegenteil ist möglich. Also ja, schwer zu sagen. Also ich würde dir recht geben, ich bin jetzt eben kein Soziologe. Ich kann jetzt das nicht so gut analysieren, irgendwie schlüssig in drei Sätzen, aber da ist sicherlich was dran.
M: Es wird ja auch noch andere Folgen geben und ich hoffe, ich kriege den einen oder anderen dann sozusagen, um verschiedene andere Themen auch zu beleuchten, dann mit in den Podcast. Für mich ist zwar aus meiner eigenen Geschichte auch der Betroffenheit mit dem AB-Thema, weswegen ich das sozusagen auch von dieser Seite aufziehe. Aber letztlich, wir hängen alle miteinander irgendwie zusammen. Und manchmal eigentlich zu wenig, als wir es gerne möchten. Also gerade ABs hätten an sich eigentlich mehr Kontakt, zumindest zu einer weiteren Person. Aber es gibt halt Hindernisse und Gründe, warum das nicht klappt. Und das halt insgesamt so besser zu verstehen und auch dann individuell besser zu verstehen. Weil eben die sozialisierten Hürden, die man sich sozusagen eingekauft hat in seiner Kindheit, in seiner Jugend, ist dann die Frage, die hat man ja nicht einfach erfunden. Die hat man sich ja nicht selber ausgedacht.
W: Nee, genau. Das würde ich schon so sagen. Ich glaube, ich war auch am Anfang immer noch sehr in mir selbst gefangen. Also ich habe auch nicht mit dem ersten Kuss sozusagen alle Probleme abgeschmissen und war fortan ein toller Liebhaber oder toller Boyfriend oder was auch immer. Das kann ich so nicht sagen. Also ich glaube, die ersten paar Beziehungen, glaube ich, da haben die Frauen schon… Ich weiß nicht, ob ich da immer so ein angenehmer Mensch war. Aber ich glaube, es ist ein bisschen besser geworden. Hoffe ich jetzt mal. Muss man mal meiner Partnerin sagen. Es hat schon noch ein bisschen gedauert auch irgendwie.
M: Also ich merke aus meiner Beziehung auch immer wieder so, ich finde es unglaublich angenehm, auch tatsächlich mal so die Wertschätzung einer Partnerin, dass man da ist, also dass man für jemanden Bedeutung hat zu erleben. Und trotzdem, da denke ich auch, das ist immer noch Teil meiner AB-Vergangenheit, zu sagen, ja, aber was magst du jetzt an mir? Also warum ist es dir wichtig, dass ich in deinem Leben bin? Weil ebenso dieses jahrzehntelange Gefühl letztlich für niemanden wichtig genug sein, dass eine Beziehung sozusagen daraus wird. Das hat irgendwie trotz allem seine Spuren hinterlassen. Das ist etwas, was mich sozusagen, glaube ich, auch weiterhin begleiten wird. Und so dieses Merken. Also ich würde nicht sagen, dass da noch Zweifel da sind. Ich habe auch schon eine mehrjährige Beziehung jetzt. Aber es ist so dieses plötzlich sich darauf einzulassen, glaube ich. Also ich glaube, dass der andere Mensch einen wirklich meint. Ich glaube, das ist doch so ein Thema, diese Befürchtung, dass man eigentlich nur benutzt wird, weil man gerade irgendwie sozusagen als Lückenbüßer, als Helfer, als sonst irgendwas, gerade auch wenn viele eher in die Friendzone rutschen, gar nicht in diesen Beziehungsmodus wirklich eintreten. Aber auch so immer noch die Zweifel, zu sagen, will sie eigentlich mich oder will sie eben nur irgendjemanden? So diese Versorgerrolle oder irgendwelche anderen Aspekte, ne. Also ich glaube, solche Zweifel, solche Selbstzweifel, die dann leicht mal anknüpfen können.
W: Ja, das kann ich mir vorstellen. Also diese Gedanken mache ich mir jetzt nicht so viel. Aber ich bin schon, was ich merke. Ich habe viele Momente, wo ich denke: Was bist du eigentlich für ein Glückspilz. Ich denke jetzt gar nicht immer zehn, 15 Jahre zurück und dass es mir mal nicht gut ging und dass ich mir das nicht hätte vorstellen können, dass ich jetzt mal da bin, wo ich bin, nämlich dass ich mit einer Frau zusammenlebe und wirklich eine ziemlich wunderbare Beziehung führe. Wirklich sehr glücklich bin in dieser Beziehung tatsächlich und die wahnsinnig toll funktioniert, was nicht immer nur mein Verdienst ist, sage ich jetzt mal. Und wenn man das so realisiert, ich merke das immer wieder und denke dann, was hast du eigentlich für ein Glück, also so eine Frau zu treffen und so eine Beziehung zu führen? Manchmal wird man ja gefragt als Absoluter Beginner, du darfst nicht alles auf so eine Beziehung projizieren. Du musst auch mit dir selber glücklich sein können und so weiter. Ja, also klar, genau. Aber Beziehung ist schon toll, muss ich sagen. Also (lacht) ich wollte das schon gerne. Ich hatte da eine große Sehnsucht danach. Das weiß ich. Und wenn ich jetzt überlege, dass ich so was habe, so was, was ich jetzt habe in der Qualität, das ist irre. Bin ich sehr, sehr, sehr dankbar dafür an ganz vielen Momenten. Man kann das ja gar nicht so richtig realisieren, was das eigentlich heißt. Also es gibt in meinem Alltag viele Momente, wo ich wirklich merke irre.
M: Da kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch. Und es ist total super, dir zuzuhören, wie du dort sozusagen über deine Beziehung schwärmen kannst, weil das ist so eben auch in dem Moment, in dem man glücklich ist, auch zu erkennen, dass man es ist. Weil das ist ja, glaube ich, auch ein Prozess. Ich würde fast meinen, dass dir da wahrscheinlich die Meditationssachen auch geholfen haben, sich so Sachen im Moment bewusst zu machen, wo du gerade bist.
W: Ich versuche es immer wieder. Genau, es gelingt natürlich nicht immer so im Alltag, ne. Aber zum Beispiel bin ich irgendwie jeden Tag zwei, zweieinhalb Stunden einfach mit dem Hund draußen, weil ich es muss. Egal, ob gerade irgendwie, ob es regnet oder so. Und ich versuche dann auch nicht die ganze Zeit aufs Handy zu gucken, sondern wirklich auch diese Zeit für mich zu genießen. Also der Hund hat was davon, aber ich natürlich eben auch. Das ist so eine Zeit, wo man auch eben immer so ein bisschen reflektieren und nachdenken kann. Aber das sind nicht so die einzigen Momente. Ich glaube, ich bin nach wie vor sicherlich nicht immer der leichteste Partner. Aber das ist auch eine Binsenweisheit, jeder Mensch hat, irgendwie seine guten und leichten Seiten und auch seine schwierigen Seiten, mit denen man irgendwie klarkommen muss. Wenn man jemanden findet, wo man so halbwegs kompatibel ist, wahrscheinlich muss man nur zu so 50, 60, 70, 80 Prozent kompatibel sein. Mehr geht sowieso nicht. Und den Rest muss man irgendwie aushandeln oder aushalten, wie auch immer. Und dann hat man schon sehr, sehr, sehr viel, glaube ich.
M: Genau, das würde ich auch so als Abschluss nehmen. Hast du noch irgendetwas, was du den ABs, die jetzt noch davon betroffen sind und die selber für sich auf dem Weg in die Beziehung sind, was du gerne mitgeben möchtest?
W: Noch ein paar gute Ratschläge. (lacht)
M: Ja, genau. Noch ein paar Ratschläge raushauen. Los geht alle, Swingy Pop tanzen.
W: Nee, ach, es ist schwierig zu sagen. Ich habe ja auch gute Freunde, mit denen ich auch noch Kontakt habe, die auch manchmal auch nur teilweise, es gibt ja wirklich auch Menschen, die in Beziehung waren und dann auch in dieses Loch rutschen. Es ist schwer zu sagen. Also es ist wirklich, das ist, wenn man Menschen nicht kennt, auch wenn Menschen sich mir gegenüber öffnen, ich versuche immer, also man hat ja immer so Sachen parat, man möchte immer so Sachen sagen. Ich versuche mir dann eigentlich immer auf die Zunge zu beißen und einfach zuzuhören. Das hilft. Das ist meistens besser. Es sei denn, man wird wirklich gefragt. Das ist was anderes, aber so ungefragt. Nee, wenn ich vergleiche und gucke, wo ich heute stehe, was ich heute mache und wie sich dieses schwarze Loch für mich, was dieses Thema mal war, wie sich das aufgelöst hat und einfach nicht mehr da ist, kann ich nicht dankbarer sein. Und das kann ich nur jedem wünschen, irgendwie da so seinen Weg zu finden. Aber das muss halt jeder auch selber machen. Also ich glaube, jeder muss seinen Weg für sich selber finden. Die Aufgabe kann einem keiner abnehmen, glaube ich.
M: Dann vielen Dank. Dann nehmen wir das als Schlusswort. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Das ist ohnehin, glaube ich, die schwierigste, aber auch wichtigste Erfahrung zu sagen. Wir können es nicht abnehmen. Wir können es niemandem abnehmen, seinen eigenen Weg zu finden und zu gehen. Und vielen Dank, dass du heute dich in dieser Offenheit gezeigt hast und zu teilen, was alles so nach deinem Film jetzt passiert ist. Vielen Dank.
W: Sehr gerne. Freut mich.