In dieser Folge spreche ich mit einem HC-AB darüber, welchen Einfluss seine unfreiwillige Beziehungslosigkeit bisher auf sein Leben hatte. Wir sprechen auch über das Thema Depression und was ihm geholfen hat damit umzugehen.
Das Selbsthilfeforum AB-Treff findet Ihr unter abtreff.de. Für Feedback, Fragen oder um als Gast mit dabei zu sein, erreicht Ihr mich über die E-Mail-Adresse podcast@abtreff.de. Ihr findet die Folgen auch im Videokanal des AB-Treff sowie auf Spotify.
Transkript
Martin: Willkommen zu einer weiteren Folge des AB-Podcasts. Auch heute habe ich wieder einen Gast bei mir und über diesen Gast erzählt uns erstmal Gee ein paar Informationen.
Gee: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge des AB-Podcasts. Heute haben wir einen Gast bei uns, der seine ganz eigene Geschichte mitbringt. Er ist 26 Jahre alt, studiert Mathematik und Informatik und kennt das Leben als Hardcore-AB aus erster Hand. In unserem Gespräch wird es um seine persönlichen Erfahrungen gehen, auch darüber, wie sich das AB-Sein auf sein Leben ausgewirkt hat, inklusive Phasen von Depressionen. Wir freuen uns auf den Austausch mit ihm. Schön, dass du da bist.
M: Vielen Dank auch von mir, dass du hier im Podcast bist und über deine Geschichte erzählst und wir uns da einfach austauschen können. Herzlich willkommen.
HC-AB: Hallo und danke für die Gelegenheit, meine Geschichte erzählen zu können.
M: Wir hatten ja schon ein bisschen uns per Mail ausgetauscht und da hast du erzählt eben, wie wir jetzt auch in der Moderation schon gehört haben, dass du dich für das Studium der Mathematik und Informatik entschieden hast. Und da würde mich erstmal interessieren, was interessiert dich daran? Ist es dein Hobby tatsächlich, was dich so in diesen Studienbereich gebracht hat? Was findest du daran faszinierend?
H: Also das Studium jetzt der Mathematik und Informatik, das ist jetzt der Master. Im Bachelor war es noch nur Informatik und die Entscheidung hatte ich eigentlich getroffen quasi im letzten Jahr vom Abi noch. Ich war mir noch nicht ganz sicher, was es jetzt eigentlich werden soll und wusste halt von Informatik, hatte ich nur den Eindruck, den ich im Schulunterricht halt in dem Fach vermittelt bekommen hatte, was mir aber gefallen hatte. Und da man auch von guten Berufschancen gesprochen hatte, damals habe ich halt gedacht, ja, ich probiere es mal. Und im Nachhinein war es auch eine goldrichtige Entscheidung, auch wenn ich noch nicht quasi die Vorstellung davon hatte, wie jetzt dann die Informatik an der Uni noch konkret sein wird und sich dann auch noch vielleicht nochmal vom Schulunterricht unterscheiden würde, hat es dann doch genau gepasst. Was ich aber auch dann schnell gemerkt habe, ist, dass ich besonders im Informatikstudium, in dessen Rahmen hatte man ja auch ein paar Mathevorlesungen und die haben mir eigentlich mit der meisten Spaß gemacht. Und dann dachte ich mir nach dem Bachelor eben, ja, eigentlich hätte ich gerne so viel Mathe noch wie möglich und dann habe ich mich halt eben für den, nachdem ich auf einen Studiengang aufmerksam geworden war, der Mathe und Informatik quasi parallel ermöglicht im Master, habe ich mich dann für den entschieden. Auch mit dem bin ich jetzt sehr zufrieden. Was mich halt ein bisschen so fasziniert an der Mathematik vor allem, auf so, ich sag mal, philosophischer Ebene sozusagen, ist, dass man rein logisch aus einer gewissen Menge von Axiomen oder halt Basisannahmen dann mit rein logischen Schlussfolgerungen halt ein schönes Konstrukt aufbaut an eben Aussagen und Ableitungen. Das Coole, was mich ein bisschen so fasziniert, abgesehen halt auch vom Knobeln und, ich sag mal in Anführungszeichen, Rätsellösen, was dann im Studium auch Spaß macht, ist es auch dieses Wissen, das ist eigentlich quasi in jedem möglichen Universum, in dem die Gesetze der Logik gelten, ist auch alles, was ich in Mathe mache, quasi noch gültig und relevant. Das ist, was mich ein bisschen auf dieser Ebene auch eben drin fasziniert, abgesehen von dem konkreten Knobeln und auch Lösen von Übungsaufgaben, was immer wieder Spaß macht. Auch wenn es manchmal natürlich auch ärgerlich sein kann, wenn man lange Zeit auch auf keine Lösung kommt, aber genau das ist es mir wert.
M: Ich hatte vor kurzem bei Arte eine längere Dokumentation oder beziehungsweise viele kleine Schnipsel über verschiedene Mathematikfragen gesehen. Da gab es auch von wegen manche Fragen, also es geht ja dann immer darum zu beweisen, dass eine Aussage wirklich korrekt ist oder zu beweisen, dass man sie nicht beweisen kann, dass sie korrekt ist, was dann nochmal eine gewisse Schwierigkeit bietet.
H: Oder eben zu beweisen, dass sie halt falsch ist.
M: Genau, beziehungsweise oder ihre Unbeweisbarkeit zu beweisen, was ja dann noch…
H: Ja, das ist nochmal was anderes, klar.
M: Genau, das ist nochmal eine Ebene, wo es teilweise, ich weiß, es ging um eine so Flächenmuster oder bestimmte Strukturelemente, wo es dann tatsächlich immer wieder der Versuch war. So von wegen, das ist jetzt aber die letzte Kombination, die möglich ist und 50 oder 100 Jahre hat jemand dann später dann doch wieder noch etwas gefunden. Aber das ist jetzt im Endeffekt die letzte Option, die sozusagen in diesem n-dimensionalen Raum noch als Struktur möglich ist. Oder auch andere Sachen, die sehr viel schwieriger waren. Ich weiß nicht, kennst du dich mit den Millennium-Problemen aus? Das waren ja irgendwie fünf ausgelobte Mathematik-Probleme.
H: Sieben waren es, glaube ich. Ich habe nicht alle auf dem Schirm, aber zumindest mal so gehört habe ich von allen. Und von, ich glaube, zweien sollte ich auch hoffentlich erklären können, worum es geht. Bei den anderen bin ich mir gerade so nicht so aus dem Stegreif sicher.
M: Ich weiß auf jeden Fall, dass es eben darum ging, dass sozusagen eine Million ausgelost wurde, um die Antwort zu finden oder zu belegen, dass eine Antwort nicht möglich ist. Es ist ja egal. Hauptsache, es geht um eben diese Sicherheit zu wissen, funktioniert es oder funktioniert es nicht? Oder ist es nicht belegbar, dass es funktioniert? Irgendwas in der Richtung. Auf jeden Fall eben das, was du gesagt hast, die Mathematik in ihrem logischen, strukturellen Aufbau eben sehr viel Gewissheit und eigentlich auch eine ziemlich starke Absolutheit dann hat, wenn es denn dann klappt.
H: Und wenn ich irgendwie in den Axiomen, also den Grundannahmen, nicht doch einen Widerspruch eingeschlichen haben sollte. Das ist ja auch sozusagen etwas, was den ganz reinen Mathematikern Albträume bereitet. So was, wenn vielleicht doch irgendwo zwei Annahmen sind, die sich bereits widersprechen.
M: Genau, das war nämlich sehr interessant. Dann in einer von diesen Folgen ist nämlich sehr stark darüber gesprochen worden, inwieweit eben dieser logische Aufbau, den man so nach und nach macht. Man fängt mit ein paar Axiomen an, die halt nicht beweisbar sind. Die muss man halt irgendwie so hinnehmen. Da sozusagen auch so ein Stück weit das Einfallstor hat, dass so ein Axiom sich dann plötzlich sozusagen gegen einen wenden kann, weil es dann plötzlich irgendwie nicht mehr in die Gesamtsystematik passt oder irgendwas nicht Belegbares hat. Deswegen da dann nämlich aus meiner Sicht auch so dieser philosophische Aspekt dann sehr hereinkommt. Ich weiß noch, ich habe mal am Abend mit Kumpels zusammengesessen, die auch relativ viel Mathematik haben und ich habe dann die vehemente Position vertreten. Die Null, da sie ein Axiom ist, ist eine philosophische Ansicht, weil du kannst die Existenz nicht beweisen. Es ist eine Annahme, dass sie erschaffen wurde und da bist du sozusagen im rein philosophischen Bereich, weil entweder du akzeptierst, dass sie existiert. Dann kannst du ganz viel darauf aufbauen oder dir bricht im Endeffekt das ganze Gebäude zusammen, wenn du sagst, ich streite die Existenz der Null an.
H: Ja, genau. Also sowohl im Aufbau der natürlichen, wenn man die Null damit einschließen will, als auch bei dem Aufbau der reellen Zahlen, ist die Null ein bisschen halt eine allein dastehende Zahl, die halt viele Besonderheiten hat. Wie du sagst, die fängt immer irgendwo so als Zahl an, deren Existenz man annimmt, von der man halt gewisse Eigenschaften möchte. Viel konkreter, als es irgendwie vielleicht mit der Kardinalität der leeren Menge gleichzusetzen, kann man halt nicht werden.
M: Genau, aber ich nehme an, unsere Zuhörer werden nicht alle so Mathematik und Informatik begeistert sein, aber was eine Sache, die ich noch fragen würde, Informatik, ich habe zuerst Softwareentwicklung gelernt, also habe mich sozusagen erst mit der Programmierung beschäftigt und hatte dann mal in einem Fernstudium ein bisschen in die Informatik, die sozusagen an der Uni verwendet wird, reingeschnuppert und festgestellt, das hat mit Entwicklung in den meisten Fällen gar nichts zu tun, sondern meistens bist du eben ganz schnell in der Mathematik. Du baust Algorithmen auf, du baust mathematische, also eigentlich ging es mehr um Mathematik als um die Entwicklung, die ich sozusagen in der Softwareentwicklung kennengelernt habe, wo du dich wirklich darum bemühst, irgendwelchen Code zu schreiben. Hattet ihr in der Schule tatsächlich dann schon Informatik, die eher so auf diese Mathematik verwiesen hat oder habt ihr da noch eher programmiert?
H: Wir haben schon programmiert, aber jetzt auch nicht auf einem Niveau, das man als Anwendungsentwicklung bezeichnen könnte. Also wir haben jetzt irgendwie auch über so Softwareengineering-Themen oder sowas haben wir jetzt nicht gesprochen, sondern gerade nachdem ich auch die Perspektive aus der Uni hatte, habe ich dann schon auch nochmal in Retrospektive dann gesehen, wie vergleichsweise elementar das dann doch war, was wir in der Schule gemacht hatten. Aber genau, wir haben halt damals, ich glaube, die Programmierungssprache Delphi haben wir uns angeschaut und halt so relativ elementare Konstrukte kennengelernt, wie Listen, Arrays, Bäume und so weiter. Was natürlich schon auch was ist, was man, wenn man später mal fortgeschrittenere Anwendungsentwicklung wirklich machen will, auch sicherlich braucht. Aber für sich genommen sind es ja auch erstmal relativ abstrakte Konzepte, die man auch fast zur Mathematik zählen könnte. Aber da es ebenso elementar quasi für beide Bereiche ist, ist es jetzt schwer zuzuordnen.
M: Hast du denn aktuell eine Lieblingsprogrammiersprache? Also schreibst du Code, um sozusagen deine mathematischen Überlegungen irgendwie durchrechnen oder kalkulieren zu lassen?
H: Vergleichsweise wenig, aber für die Masterarbeit habe ich jetzt tatsächlich was mit der Programmiersprache GAP zu tun. Also GAP, G-A-P, das steht für Groups, Algorithms and Programming, ist schon quasi eine sehr spezialisierte Sprache, in dem es quasi vor allem um Gruppentheorie im algebraischen Sinne geht. Das ist jetzt quasi eine Sprache, die man zum Beispiel bei der Anwendungsentwicklung wahrscheinlich nie berühren wird. Also quasi so ein bisschen algorithmische Ansätze wird es da teilweise schon auch geben. Also man muss sich auch immer wieder überlegen, einerseits, wie gehe ich das jetzt algorithmisch an? Oder andererseits, wie schreibe ich das jetzt, was ich hier formulieren will, am elegantesten in einer Zeile auf, so syntaxmäßig? Auch wenn es quasi eine sehr spezielle Art von Programmieren ist und die Resultate dann quasi auch wiederum eher die irgendwie theoretische Relevanz haben für die Arbeit selber, ist da schon die quasi nützlich, dass ich einen Informatik-Bachelor hatte und eben schon quasi Programmieren gelernt habe.
M: Ein anderer Bereich, der dich dann ja weiter interessiert, ist eben diese analytische Philosophie, was wir so im Vorgespräch schon mal angesprochen hatten. Also ich hatte ein bisschen versucht nachzulesen, dass es darum ging, dass es eher eine Sprachanalyse war, zumindest am Anfang. Heute ist das Konzept wahrscheinlich größer. Gibt es da bestimmte Bausteine oder Strömungen, die dich da in der analytischen Philosophie besonders interessieren? Weil wenn du sozusagen die logische Basis zur Mathematik, ist das ja wahrscheinlich da eng verwandt dann?
H: Also ich finde beides extrem spannend, habe mich aber tendenziell bisher doch eher mit dem logisch-mathematischen Ansatz quasi befasst. Auch nicht allzu sehr, ich komme leider viel zu selten dazu, wirklich auch mal Philosophiebücher in die Hand zu nehmen. Aber man kann es ja den Unterschied so ganz gut veranschaulichen an dem Leben und Werken von Ludwig Wittgenstein. Der hat ja sein erstes großes Werk oder eins seiner ersten großen Werke war ja der Tractatus Logico Philosophicus, wo er, was wirklich quasi wie ein mathematischer Text fast geschrieben ist, mit 1 Punkt als Satz und dann 1 Punkt 1 als Folgerung daraus und so weiter. Womit er ja damals sogar auch behauptet hatte, dass er die Philosophie gelöst hat, in Anführungszeichen, und sich dann erstmal zurückgezogen hat. Und der Wiener Kreis, eine Gruppe von Philosophen, dann ja auch wirklich so eine Weile überlegt hat, hm, könnte da was dran sein, dass er das gelöst hat alles? Und dann viele Jahre später hat er sich ja dann doch quasi nochmal zurückgemeldet mit einem Werk, was glaube ich erst Posthum veröffentlicht wurde. Ich habe leider den Titel vom Werk vergessen, aber da ging es ja quasi um dann seinen sprachphilosophischen Ansatz eher. Dem habe ich mich noch nicht so sehr beschäftigt, aber finde ich auch sehr spannend, wenn man sich so überlegt quasi, welche sprachlichen Konstrukte machen überhaupt Sinn? Gibt es Fragen, die sich erstmal als tiefergehende philosophische Fragen präsentieren, aber am Ende doch eigentlich sprachlicher Humbug quasi sind? Es war nicht ganz die Formulierung, die er benutzt hat, aber sowas in der Art. Das ist was, wo ich eben auch mich in Zukunft noch mehr mit beschäftigen möchte. Das sind auch spannende Fragen, finde ich.
M: Genau, das sind auch Sachen, die mich halt interessieren, weil ich mich auch sehr mit eher Alltagsphilosophie beschäftige, wenn man halt Dinge hinterfragt, einfach infrage zu stellen, was man für Annahmen meint, wie man durch die Welt geht, weil wir alle glauben sehr, sehr viel und projizieren einfach das, was gestern passiert ist, aufs Morgen. So von wegen, jeder geht davon aus, morgen geht die Sonne wieder auf. Und jemand, der sagt, ja, aber dafür gibt es keine Gewissheit, den würden die Leute für verrückt erklären, aber de facto ist es so, weil du weißt nicht, was in den nächsten 24 Stunden passieren kann und warum das dann nicht der Fall sein könnte.
H: Genau.
M: Wir kriegen gar nicht so mit, was wir alles an Annahmen implizit treffen, die aber gar keine Grundlage haben, außer, dass wir davon ausgehen, es ändert sich einfach nichts.
H: Ja, das Spiel kann man ja auch ganz ins Absurdet noch weiter treiben, wenn man so sagt, kann ich mir überhaupt gewiss sein, dass andere Personen als ich existieren? Kann es nicht sein, dass ich so ein Gehirn im Tank bin, dass das alles gerade halluziniert? Kann ich mir überhaupt sicher sein, dass dieses Gehirn im Tank, das ich bin, nicht erst heute entstanden ist und all diese Erinnerungen auch halt quasi falsch sind und Teil dieser Halluzination sind? Das sind natürlich Gedankenspielereien, die man aber auch nicht zu ernst nehmen sollte, weil sonst wird man, glaube ich, schnell auch ein bisschen verrückt und verzweifelt vielleicht. Aber als Gedankenspiele finde ich es wahnsinnig spannend.
M: Genau, solange man weiß, dass man im Endeffekt eben nicht zu weit von dem, was man erstmal als Realität zur Verfügung hat, zu weit abrückt und dann dort nicht mehr, sag ich mal, überlebensfähig ist in der Form, weil man dann meint, ja, das Essen stelle ich mir eh nur vor, von daher, ich muss das nicht mehr essen, weil ich funktioniere auch weiterhin, weil ich werde über die nicht erkennbaren Kabel irgendwie versorgt, so à la Matrix, wo das ja auch sozusagen diese Grundgeschichte war, dass alles, was wir erleben, die reine Simulation letztlich erstmal ist. Das Problem ist, die Unbeweisbarkeit solcher Annahmen kann man sich ganz schön verrückt machen, im wahrsten Sinne des Wortes, wirklich mit solchen Überlegungen, weil man sich darin so weit verliert. Man kann es halt nicht belegen. Man kann sozusagen eben nicht aus der Haut heraus und man kann auch nicht über bestimmte Dinge hinweg greifen, deren Sinnesbereich sozusagen erstmal eingeschränkt ist. Wir wechseln dann mal ein bisschen das Thema und kommen sozusagen nochmal auf unseren Podcast-Thema, weil eben, du bist ja auch Hardcore-AB, was sich auch so ein bisschen mit deinem Studium zusammensetzt, dass halt dort auch der Frauenanteil relativ gering ist. Das heißt, Mathematik, Informatik, also es hat auch im Bachelor oder jetzt erst im Master noch nicht so gut geklappt, dass tatsächlich so viele Frauen auch in diese Fachrichtung strömen, zumindest nicht an den Unis, wo du jetzt bist, oder?
H: Genau, ja, also sowohl im Bachelor als auch Master war der Frauenanteil relativ gering. Im Bachelor hätten theoretisch vielleicht sogar noch mehr Möglichkeiten bestanden, weil da die Vorlesungsgrößen quasi vor allem im Grundstudium zumindest halt noch mehr Teilnehmer da waren, sprich also trotz geringer Prozentzahl immer noch absolut gesehen mehr Frauen. Während jetzt halt dann im vertieften Bachelor und auch im Master wurde es dann halt nochmal dadurch verschärft, der Mathematikfachbereich hier an der Uni, wo ich jetzt den Master mache, ist sehr klein. Und die Informatik ist zwar groß hier, aber da ich auch im Informatikteil meines Studiums sehr theoretische und damit unbeliebte Vorlesungen besucht habe, war auch da die Teilnehmerzahl selten größer als 15. Und dann bei diesen Zahlen und dann plus halt Frauenanteil von unter 20 Prozent sind halt dann pro Veranstaltung, wenn es hochkommt, drei Frauen anwesend. Da man halt auch nicht immer Gelegenheiten hat, mit jemandem ins Gespräch zu kommen, beschränkt sich halt jetzt die Anzahl der Frauen, mit denen ich dann wirklich Kontakt geknüpft habe, auf eine relativ geringe Zahl.
M: Wie ist es für dich heute? Ist die Beziehungslosigkeit für dich tatsächlich ein aktuelles Thema oder ist es etwas, naja, was irgendwie so im Hintergrund mitschwingt oder wie stark beeinflusst es sozusagen dein Studium oder deinen Alltag?
H: Es ist phasenweise. Also es gibt Phasen, wo es halt schon im Hintergrund noch präsent ist, aber wo ich jetzt dann zumindest nicht jeden Tag dran denken muss und mich auch auf Studium und Hobbys soweit gut ohne Einschränkungen konzentrieren kann. Es gibt aber auch Phasen, wo es dann doch quasi mehrmals pro Woche mindestens irgendwie sehr stark mental präsent ist und eben entsprechend dann auch die Stimmung und dann oft auch den Antrieb und das Energieniveau runterdrückt. Zum Beispiel jetzt die letzten circa anderthalb bis zwei Monate, nee, Quatsch, circa einen Monat, sorry, ich habe falsch gerechnet, da war es jetzt wieder ein bisschen besser. Da stand jetzt halt auch relativ viel fürs Studium einfach zu tun an, sprich, ich hatte teilweise auch einfach mich ablenken können mit Uni-Arbeit, da war es dann eben weniger präsent. Dann um die Weihnachtszeit zum Beispiel war es jetzt aber eben deutlich präsenter, unter anderem auch, weil das halt die, sag mal, Jahreszeit ist, wo man ja immer so von den Liebsten spricht und so und wo dann auch oft bei mir dieses Jahr zum Glück nicht, aber wo tendenziell auch gerne Fragen von den Verwandten kommen. Ja, wie sieht es denn aus? Immer noch Single. Das ist dann halt oft so ein Zeitraum, wo es dann wieder schwieriger ist und wo ich dann wirklich an mehreren Tagen auch sehr doch bedrückt bin von dem Thema. Weil du gesagt hast, auch aufs Studium, aufs Studium hat es halt insofern dann Auswirkungen, wenn halt wirklich mal phasenweise das Energieniveau so niedrig sein sollte, dass ich halt leider mit meinen Aufgaben nicht ganz hinterherkomme, wie es sein sollte. Also das ist quasi der Einfluss aufs Studium, den es hat.
M: Was ich aus meiner AB-Phase eben auch kenne, der Wunsch, etwas miteinander zu teilen, aber dann, wenn eben niemand zum Teilen da ist, dass man auch keine Motivation hat, jetzt fürs Alleine zu machen und dann irgendwie so vieles in Frage gestellt wird, obwohl es einem vielleicht auch Spaß machen würde, aber irgendwie eine gewisse Hürde entsteht, um in diesen Spaßmoment was alleine zu machen, trotzdem reinzuspringen.
H: Ja, genau. Und manchmal auch so eigentlich blöde Gedanken, aber halt die halt doch hin und wieder kommen so, ja, Studium macht zwar Spaß, ist aber auch sau stressig. Und wozu mache ich das eigentlich, wenn ich später sowieso keine Familie haben werde, die ich quasi versorgen könnte, sondern halt vielleicht im schlimmsten Fall alleinstehend bleibe und da auch mit weniger Geld auskommen würde, als ich jetzt mit einem Studiumsgehalt quasi unbedingt dann brauche. Also, ja, genau.
M: Genau, es hängt halt eine ganze Menge dann dran. Wie ist es dann mit deiner Familie? Kannst du gut über das Thema mit ihnen reden? Oder hast du andere Personen, mit denen du dort sprechen kannst?
H: Also mit der weitergefassten Familie ist es jetzt nicht jeder, mit dem ich unbedingt gerne über das Thema rede. Mit meinen Eltern allerdings schon. Das geht eigentlich ganz gut. Gut, da habe ich mich zwar auch lange Zeit gegen gesträubt, mich da gegenüber ihnen zu öffnen, weil ich auch das Gefühl hatte, sie würden die Probleme gar nicht nachvollziehen können, aber können sie eigentlich zum Großteil schon. Und die sind dann auch eben oft dann doch vertrauensvolle Ansprechpartner dafür. Ansonsten geht es eigentlich auch im Freundeskreis größtenteils recht gut, im engeren Freundeskreis darüber zu reden. Naja, also der Freundeskreis ist auch zum Großteil eher männlich. Und unter denen sind dann tatsächlich auch viele dabei in meinem Alter, die halt ähnliche Probleme haben, teilweise in weniger oder auch stärkerem Ausmaß sogar. Ja, mit denen ist es dann auch oft entlastend, über das Thema ein bisschen zu reden. Also ich habe quasi schon genug Ansprechpartner, ja.
M: Wenn du gerade sozusagen das Wort Probleme benutzt hast, besteht das Problem jetzt in der fehlenden Beziehungslosigkeit oder gibt es tatsächlich gewisse Aktivitäten? Das eine ist die Chancen, wenn halt relativ wenig Frauen im eigenen Umfeld unterwegs sind, die man ansprechen könnte oder mit denen man in Kontakt gehen könnte. Oder gibt es darüber hinaus sozusagen konkrete Probleme, die du für dich ausmachen kannst, zu sagen, da gibt es Schwierigkeiten, warum das mit der Beziehung irgendwie schwierig ist, oder?
H: Ich glaube, bei mir ist es halt wirklich eine Kombination eben aus der zu geringen Anzahl an Chancen und Möglichkeiten. Da ich halt auch einfach kein großer Partytyp bin, abends nicht allzu oft ausgehe, die Hobbys auch tendenziell eher entweder halt alleine quasi verfolgbar sind oder eben männlich dominierte Hobbys sind. Sprich, selbst wenn man da Leute kennenlernt, sind es dann auch meistens Männer. Das ist so der eine Aspekt. Plus halt auch vielleicht noch quasi auch ein bisschen doch die Unsicherheit, wo man manchmal so zumindest sich denkt, dass die vielleicht rüberkommt beim anderen Geschlecht und dass die quasi die wenigen Möglichkeiten, die halt bisher bestanden, dann auch verschlechtert haben. Also zum Beispiel Dating-Apps laufen zwar aktuell sehr schlecht, aber über die Jahre habe ich doch hin und wieder mal ein Date dadurch zustande gekommen. Und da hat man sich dann auch manchmal gefragt, so wenn es halt dann bei einem Treffen blieb und man selber aber eigentlich gerne ein weiteres Treffen gehabt hätte, war ich jetzt unsympathisch oder kam ich einfach tatsächlich irgendwie zu unsicher oder zu unerfahren rüber? Solche Fragen stellt man sich dann natürlich auch. Gut, und auch eine Auswirkung von dem Thema war jetzt quasi auch bei mir im letzten Jahr, dass quasi wirklich mal eine, zumindest in der Wahrnehmung, größere Chance da war. Und zwar nicht über eine App, wo es ja dafür wieder öfter so kleinere Chancen gab, sondern quasi eine Kommilitonin, die ich kennengelernt habe, wo sich dann auch eigentlich dabei war, eine Freundschaft zu entwickeln, wo ich halt zumindest auch lange Zeit angenommen habe, dass sie Single eben wäre. Also ich hatte zumindest noch nicht mitbekommen, dass sie eben vergeben wäre. Irgendwann hatte ich dann tatsächlich auch das Thema angesprochen und dann halt eben letztendlich erfahren, dass sie sich halt aktuell und auch in näherer Zukunft keine Beziehung wünscht. Also allgemein. Das war dann auch was, was mich relativ lange noch mitgenommen hat. Einerseits natürlich in Bezug auf das allgemeine Thema und die allgemeine Belastung diesbezüglich. Andererseits halt auch quasi konkret wegen ihr als Person, wo ich quasi schon dabei war, mehr oder weniger Gefühle zu entwickeln.
M: Konntest du denn an der Stelle trotzdem die Freundschaft aufrechterhalten oder ging das dann nicht, das sozusagen parallel?
H: Ich habe es eine Weile versucht. Es waren auch noch ganz schöne Zeiten und Treffen dabei, aber ich habe dann irgendwann für mich gemerkt, ich packe das emotional nicht. Es war zwar auch nicht das erste Mal, dass sowas in der Art passiert ist, sondern ich habe es dann, sobald ich es wusste, okay, diese Person steht freundschaftlich zur Verfügung, aber halt mehr wird aus welchem Grund auch immer nicht klappen, habe ich das meistens eigentlich schon geschafft, das emotional für mich einzuorten und dann quasi auch eine Freundschaft, die dann manchmal entstanden ist, noch genießen zu können. Aber in dem Fall, ich kann es mir noch nicht ganz erklären warum, hat es eben leider nicht geklappt. Dann habe ich jetzt auch, soweit es ging, den Kontakt reduziert. Wir hatten dummerweise noch eine Vorlesung zusammen jetzt letztes Semester, aber ja, soweit es eben ging, dann den Kontakt reduziert.
M: Genau, das sind natürlich auch immer eben schwierige Momente, wenn eben die Gefühle sich unterschiedlich entwickeln oder zumindest die Interessen, auf welcher Gefühlsebene man miteinander umgehen möchte und was dann sozusagen die Gemeinsamkeiten sind, wenn bei dem einen die Gedanken weiterschweifen und bei der anderen Person das irgendwie, aus welchen Gründen eben auch immer, dann anders gehalten wird. Also ich betreue ja auch das ABTreff Forum, wo sich auch ABs im Endeffekt miteinander schriftlich austauschen können und einfach mal ein bisschen wissen, dass sie eben nicht alleine sind. Und da ist auch immer wieder so das Thema oder die Frage, ist man sowohl selber, als auch sind die anderen Personen offen für eine Beziehung? Weil auch wenn viele suchen, heißt das nicht, dass sie wirklich Raum oder Platz haben, um einen Menschen oder sogar eine Beziehung zu diesen Menschen dann tatsächlich in ihr Leben zu integrieren, weil, also zum Beispiel auch eben, wenn das Studium sehr stressig ist oder auch später im Arbeitsleben man dann doch sehr viel eingebunden ist oder eben auch schon einige Hobbys hat, die dann natürlich auch zeitintensiv sind, die man ja auch nicht einfach verschwinden lassen möchte zugunsten einer Beziehung beziehungsweise es dann immer ein gutes Gleichgewicht braucht. Vielleicht nochmal kurz zu deinen Hobbys. Du hast ja gesagt, das sind eher Sachen, die alleine gemacht werden können oder dann eben doch wieder mit Männern zusammen, um mal ein bisschen sozusagen in die Klischee-Kiste zu gucken. Also was sind sozusagen so vielleicht noch ein bisschen konkreter die Hobbys, wenn du erzählen magst, was denn du in deiner Freizeit dann anstellst, so was vom Studium übrig bleibt?
H: Ja, genau. Also, ja, tatsächlich, wie schon gesagt, Klischee-Kiste, aber Videospiele spiele ich ganz gern. Sind natürlich auch, zumindest laut den globalen Statistiken, sage ich mal, viele weibliche Spielerinnen auch dabei. Problem ist nur, dass dann tendenziell die Spiele und Genres, die ich mag, sind dann wiederum doch eben eher wieder männlicher dominiert, was die Fanszene angeht. Ansonsten, wie schon auch erwähnt, analytische Philosophie kommt zwar meistens zeitmäßig und auch von den mentalen Kapazitäten, die nach einem anstrengenden Unitag übrig bleiben, noch leider oft zu kurz, aber da quasi zum Beispiel auch gerne eben Bücher darüber lesen und eigentlich wollte ich jetzt zum Beispiel auch mit einem guten Freund da ein Buch, was relativ viel Substanz hat, zusammen quasi angehen, so parallel lesen und drüber reden. Ansonsten ist jetzt, da bin ich jetzt nicht allzu tief drin, aber für Manga und Anime interessiere ich mich eigentlich auch generell. Und eben, um vielleicht doch noch eine sportliche Sache zu nennen, auch wenn die leider auch oft zu kurz kam in letzter Zeit, ich habe es nie im Verein gespielt, aber Badminton mag ich ganz gern, habe dann jetzt auch letztes Semester wieder versucht gehabt, es mit im Rahmen vom Hochschulsport zu machen, hat aber terminlich, überhaupt nicht hingehauen und meine Hoffnung ist aber, dass es dann im Sommersemester vielleicht mal endlich klappt.
M: Wechseln wir mal noch in ein anderes Thema. Wir hatten im Vorgespräch so ein bisschen erzählt, ja auch, dass du eben auch Depressionen, also auch eine diagnostizierte Depression soweit hattest, wie ich das verstanden habe, dass das dann auch sozusagen eine Auszeit vom Studium gebraucht hast, um dort irgendwie damit zu arbeiten beziehungsweise die Depressionen zu überwinden. Magst du da noch ein bisschen erzählen, also was waren so die Umstände, die da reingeführt wurden, ist irgendwas Größeres in deinem Leben vorgefallen oder einfach zu viel zusammengekommen?
H: Ja, also es hat quasi angefangen so im zweiten Semester von meinem Studium, im zweiten Semester insgesamt, also auch schon eine Weile her, dadurch, dass ich mein Studium so gezogen habe, da hat tatsächlich das Thema Beziehungslosigkeit in meinem Kopf damals noch keine so große Rolle gespielt. Es war eher so quasi eine, wahrscheinlich sozusagen eher eine klassische Depression in dem Sinne, dass es halt nicht unbedingt Lebensumstände waren, die dazu geführt haben, sondern eher, ja, wie man so schön sagt, ein chemisches Ungleichgewicht im Gehirn, was quasi eben dann auch dazu geführt hatte, dass ich mich da ein bisschen zurückgezogen hatte, auch aus meinem sozialen Umfeld da im Studium. Gut, und ein Aspekt, der vielleicht doch noch ein Erklärungsansatz auch wäre, war, dass ich mich im ersten Semester sehr reingehängt hatte vom Studium und wirklich extrem viel Zeit und Energie da investiert hatte. Das war vielleicht auch so Richtung, so was Burnout-mäßiges gewesen sein könnte, ein Aspekt. Aber genau so war das. Dann quasi beginnt so von meiner Einteilung der Geschichte her die zweite Phase dieser Depression, wo ich eben leider durch diesen, ich sag mal, sozialen Rückzug und irgendwo auch der dann damit einhergehenden Einsamkeit und teilweise dann auch so Langeweile im Internet hin- und herscrollen, bin ich dann leider halt auf ein Unterboard von 4chan gestoßen namens R9K, das eben sich selber nie so quasi als Incel-Board jetzt selber bezeichnet hat, aber es eigentlich effektiv schon zum Großteil war. Da habe ich mich dann leider, nachdem es am Anfang auch nur so ein oberflächlicher, fast schon scherzhafter Kontakt damit war, habe ich leider immer mehr Zeit dort verbracht und immer mehr die dort dargelegten Weltsichten leider verinnerlicht und halt auch irgendwann sogar akzeptiert und irgendwo als wahr angesehen dann. Das hat eben quasi dann auch die Depressionen, die dann zeitweise schon wieder abgeklungen waren, eigentlich dann nochmal verstärkt leider. Genau da war dann wirklich auch ein zeitweiser Tiefpunkt erreicht, wo es dann auch im Studium überhaupt nicht mehr geklappt hat. Dann kam eben ein Klinikaufenthalt wegen der diagnostizierten, schweren Depressionen quasi auch. Da habe ich dann vor allem die Einzeltherapie, wo ich die Fortschritte gemacht habe. Da konnte ich dann viele dieser Denkmuster, die sich leider durch dieses Incel-Board bei mir festgesetzt hat, wieder auflösen und neue Perspektiven, gesundere Perspektiven auch wieder gewinnen. Das hat dann eben solange eben ganz gut geklappt, dass zumindest diese Denkmuster eben gelöst werden. Dann kam leider nochmal ein dritter großer Schritt in dieser Geschichte mit den Depressionen, was dann auch eine sehr lange Zeit gedauert hat, bis es da besser wurde, dass ich dann wieder ein bisschen auch mehr Selbstwert finde und der Selbstwert quasi auch stabil bleibt, im Sinne von, dass er sich nicht zum Beispiel nur aus guten Leistungen in der Uni speist, weil wenn die irgendwie mal temporär ausbleiben sollten, dann wäre es ja auch sofort wieder schlecht gewesen für mich. Das heißt also quasi so einen stabilen und möglichst, soweit es geht, von Äußeren, zumindest von, dass es nicht aus einer Umweltquelle kommt, sondern halt, wenn dann von möglichst vielen breit gefächerten, da eben einen stabilen Selbstwert aufbauen, ein bisschen disziplinierter auch werden, was das Studium angeht, dass ich da wirklich jetzt nicht unbedingt Regelstudienzeit restlich durchziehe. Das wäre, glaube ich, nicht gegangen, aber dass ich halt zumindest jedes Semester konsistenten Effort ein bisschen mache und das eben Schritt für Schritt vorangeht. Und das war eben so der quasi dritte Schritt in meiner Depressionsüberwindung. Seitdem, auch wenn es jetzt immer noch hin und wieder so kürzere, ich sag mal, eher so leicht depressive Einbrüche gibt, die jetzt tatsächlich auch am öftesten noch mit dem Beziehungsthema zusammenhängen, bin ich eigentlich jetzt seit vier Jahren relativ stabil und kann mein Studium auch seitdem quasi wieder, nicht unglaublich schnell, aber zumindest Schritt für Schritt wieder fortführen.
M: Auf jeden Fall hast du sozusagen einen Punkt oder einen Weg erreicht, wo du einfach sicher Schritt für Schritt weitergehen kannst, immer auch wieder auf das eigene Tempo zu achten. Eben ganz am Anfang, wenn vielleicht die Kräfte ein bisschen überschätzt wurden und dann sozusagen dieser so ein bisschen Ausgebranntsein dazukommt und dann eben mit den Fragen irgendwelche Dinge in Frage zu stellen, welchen Sinn macht das Ganze und wo Dich dann eben in dieser vulnerablen Phase sozusagen diese, ich nenne das mal Mannosphäre, diese ganzen Narrative aus diesem Bereich dann angefangen haben zu catchen, weil einfach die Zeit da war und dann eben auch die Gelegenheit in dieser Hinsicht günstig. Ich würde gerne noch ein bisschen mehr wissen, weil ich weiß, dieses Erste, was den Aufstieg oder den Abstand zu diesem Incel-Thema da gebracht hat, dass das auch ein stationärer Aufenthalt war und da würde ich einfach Interesse halber wissen, wie funktioniert das? Also vielleicht auch für Zuhörer, die selber in einer schwierigen oder kritischen Phase sind, zu sagen, also erstmal, woher weißt du oder wie hat das für dich funktioniert, dass du sozusagen diese direkte Betreuung, weil stationäre Betreuung ist ja sozusagen nicht erstmal allgemein bekannt, wie man da rankommt oder wie die Schritte sind, um das zu bekommen und auch was war für dich so der Auslöser sozusagen auf diesem Weg? Also hast du dich selber dazu entschieden oder ist dir das von außen zugetragen worden, sowas in Anspruch zu nehmen? Wie war das?
H: Ja, also was ich vorher noch nicht erwähnt habe, was vielleicht auch noch ein Aspekt ist, ich war auch bereits vor diesem stationären Aufenthalt in ambulanter Therapie, ich glaube teilweise wöchentlich, teilweise alle zwei Wochen. Die hatte ich quasi begonnen bei der ersten depressiven Phase, die eben noch quasi kurz nach dem ersten Semester vielleicht auch Burnout-mäßig bedingt aufkam. Das war nicht die produktivste Therapie, würde ich sagen, also ich konnte mich da in vielerlei Hinsicht auch noch nicht wirklich öffnen und nachdem sich dann aber doch quasi dann auch bereits bedingt durch eben dieses Incel-Board in meinem psychischen Zustand halt auch noch mal deutlich verschlechtert hatte, was dann natürlich auch die Therapeutin gemerkt hat, da wurde mir dann eben nahegelegt, ob ich mir nicht vielleicht doch nur wirklich einen stationären Aufenthalt überlegen möchte in einer, es war glaube ich eine psychosomatische Klinik, also wo auch viel so auf Wechselwirkungen zwischen psychischen und körperlichen Beschwerden Wert gelegt wurde, auch wenn das gar nicht bei mir so der Fokus war, aber es war eben auch geografisch, hat sich es angeboten, da die Klinik sehr nah an meinem Heimatort war. Dann habe ich da eben glücklicherweise auch nicht allzu lange warten müssen auf einen freien Platz. Genau, bin dann da eben hingekommen bezüglich der Frage, wie ich darauf aufmerksam geworden war. Sorry, falls ich es schon wieder vergessen habe, da waren auch noch andere Aspekte der Frage dabei.
M: Eine Frage würde ich gerne noch ergänzen, sozusagen die Initiale, diese erste Therapie, die du ambulant bekommen hast, war das schon eine Unterstützung aus sozusagen der Uni selber, dass die sich um ihre Studenten kümmert, oder wie ist da der Startpunkt gewesen? Also wie ist sozusagen die Diagnose für die Depressionen erstmals erfolgt?
H: Das war tatsächlich, nachdem halt auch dann irgendwann also relativ schnell meine Eltern halt schon gemerkt haben, dass etwas nicht stimmt. Irgendwann habe ich es dann quasi auch in der Stadt, wo ich studiert habe, alleine so quasi nicht mehr ausgehalten und war dann auch lange Zeit wieder unterm Semester auch dann zu Hause. Und da meine Eltern halt dann auch sehr besorgt waren, tatsächlich auch halt ein großer Aspekt halt, auch wie es jetzt studienmäßig weitergehen soll, weil ich eben in dem Moment überhaupt nicht in der Lage war, was für die Uni zu machen. Die haben halt da sehr quasi gedrängt, dass ich halt irgendwas mache. Ja, von ihm kam dann schon quasi auch der erste Anstoß quasi vielleicht das mit Psychotherapie mal zu probieren und da eben nach einem entsprechenden erstmal ambulanten Platz zu suchen.
M: Das heißt so, die Sorge in der Familie hat dir geholfen, sozusagen auf diesem Weg dann auch zu gehen und sozusagen diese Impulse mitgegeben?
H: Ja.
M: Das andere für das Stationäre, genau, dann hast du über den Weg sozusagen den Zugang zu dieser Stationäre Frage. Wie lange war das? Also wie lange ist man dann da und bist du dann da komplett abgeschottet? Weil ich stelle mir immer vor, wenn ich jetzt irgendwie in ein paar Wochen irgendwie sozusagen komplett ausgeklinkt wäre, wie funktioniert mein Alltag, der in Anführungszeichen draußen stattfindet? Wie organisiert sich das? Also ja, welche Zeiten, also wie lange ging so dieser Aufenthalt und wie war dein Kontakt nach draußen und wie hast du das alles regeln können dann?
H: Also der Aufenthalt war bei mir vergleichsweise lange. Wenn ich es so vergleiche mit den anderen, ich war damals in so einer Gruppe dann, also es gab damals die Gruppe der sogenannten jungen Erwachsenen. Ich glaube, da wurden halt so alle von 18 bis 25 zusammengewürfelt in dem Alter. Auch mit dem Gedankensatz, der Klinik, dass halt in dem Alter doch oft ähnliche Probleme sind und eben man vielleicht mehr gemeinsam hat als es mit halt Leuten von höherem Alter. Gerade in dieser Gruppe war halt mein Aufenthalt doch vergleichsweise lang. Ich glaube, da waren die meisten so zwischen fünf und acht Wochen da. Bei mir waren es am Ende tatsächlich elf Wochen. Also es war auch nicht von Anfang an so angesetzt, aber wurde halt dann gegen Ende zweimal noch verlängert. Man ist vergleichsweise schon abgeschottet. Es ist jetzt nicht so, dass es irgendwie eine geschlossene ist oder so, wo man dann nicht raus darf und auch niemand anders rein darf. Es gibt jetzt auch keine strengen Besuchszeiten so gesehen. Also wenn, solange man halt kein Programm hat, wo man anwesend sein muss, hält jetzt niemand einen davon ab, irgendwie kurzzeitig rauszugehen oder dass man selber in der Klinik Besuch empfängt. In dem Sinne gab es in dieser Klinik den sogenannten Morgen- und Abendkontakt. Also neben dem Programm selber musste man halt quasi morgens und abends jemals jeweils kurz in so einen Raum, wo jemand mit einer Liste sitzt, reingehen und Bescheid sagen, man ist anwesend. Das heißt, man konnte jetzt quasi über Nacht nicht so einfach abhauen, aber ansonsten war man da doch relativ frei. Was bei mir ein bisschen mehr zu dieser Abschottung geführt hat, dann war doch quasi, dass sich der Aufenthalt da am Anfang noch für mich mit auch relativ großer Scham behaftet war und ich gerade auch außer meinen Eltern halt der weiteren Familie lieber nichts davon sagen wollte und auch vielen Freunden nur sehr ungern. Das heißt, ich war vor allem dadurch halt eher isoliert, dass ich halt von den meisten Leuten nicht wollte, dass sie erfahren, dass ich dort bin. Und man hat quasi schon auch, zumindest in meinem Fall, habe ich mich dann zum Glück auch mit den anderen Leuten in dieser Gruppe, der jungen Erwachsenen, gut verstanden. Das heißt, da war auf jeden Fall auch viel soziale Aktivität da und die Programme waren natürlich auch jetzt relativ umfangreich. Also man hat schon auch jeden Tag mehrere Programmpunkte gehabt und auch genug zu tun gehabt. Da gab es eben neben der Einzeltherapie und auch Gruppengesprächstherapie gab es eben auch noch so Sachen wie Kunsttherapie. Ich glaube, ein Sportangebot gab es auch. Sogenannte, wie hieß das? Ich glaube, integrative Bewegungstherapie. Sowas, wie man es eben manchmal vielleicht auch schon mal gehört hat oder so, gab es da eben auch.
M: Ja, vielen Dank. auf jeden Fall auch sehr vielen Dank, dass du darüber jetzt hier in der Sendung sprichst, weil eben genau dieses Schambehaftete ist aus meiner Sicht hilfreich, dass wir das schaffen, weiter abzubauen, weil es ist besser, sich Unterstützung zu suchen und die Unterstützung, die man in Anspruch nimmt, dann auch zu sagen, das ist halt okay, das ist ganz normal, dass man sich bei Problemen auch Unterstützung sucht und diese auch annimmt und dass man sich nicht aus Scham dann isoliert, was dann sozusagen auch bestimmte Heilungsprozesse vielleicht eher erschwert, weil man ja dann genau den sozialen Kontakt, der vielleicht vorher schon zu der Situation geführt hat, sonst meidet, was ungünstig wäre. Ja, damit haben wir, denke ich, einen sehr, sehr wichtigen und schönen Punkt auch zu sagen, es hat dir geholfen, du bist dann danach auch nochmal wieder in ambulanter Unterstützung geblieben, um eben, du hast ja auch gesagt, sozusagen so dem letzten Punkt auch einen stabilen Selbstwert aufzubauen, der nicht von äußeren Umständen abhängt oder sich nicht eben über Leistungen im Außen oder über Anerkennung definiert, sondern tatsächlich etwas zu finden, womit du sagen kannst, ja, was sagen kannst, im Endeffekt, ich bin der, der nicht bin und ich bin gut so, wie ich bin und ich muss mich für niemanden im Endeffekt verbiegen, anpassen oder irgendjemandem gefallen, sondern ich darf meine eigenen Vorstellungen ins Leben bringen und bin damit, mit dem, was ich kann und mit dem, was ich tue, bin ich passend, so wie ich sein möchte und muss mir niemanden sagen lassen, dass irgendwas nicht okay sei oder so in der Richtung.
H: Genau, ja, diese Phase war dann eben auch leider gar nicht so kurz, also es hat dann schon auch nach dem Aufenthalt stationären, hat es noch eine Weile gedauert, bis ich dann wirklich auch das Studium wieder aufnehmen konnte, also ich war dann doch auch eben längere Zeit noch daheim bei meinen Eltern, habe eben von dort aus noch die ambulante Therapie wahrgenommen, bis es dann eben irgendwann wieder ging, mit dem Studium wieder weiterzumachen, entsprechend auch wieder in die Stadt dort zu ziehen, wieder dann alleine oder damals dann in der WG zu wohnen und auch dort habe ich dann bei einem anderen Therapeuten dann vor Ort das noch weitergemacht. Nachdem dann halt leider noch mal im ersten Corona-Semester ein schwerer Einbruch kam, wo es mir ein paar Monate lang sehr schlecht ging, ging es dann eben seitdem eigentlich quasi nur noch steil. Nicht konstant steil, aber zeitweise auch steil und insgesamt immer aufwärts.
M: Genau, das ist auf jeden Fall natürlich erfreulich zu hören, einfach zu sagen, dass du für dich so einen Weg und auch Richtung gefunden hast, womit es einfach für dich passt und auch eben diesen Leistungsdruck, der ja sicherlich im Studium weiterhin besteht, einfach den in vernünftige, für dich passende Abschnitte sozusagen einzuteilen. Du hattest, glaube ich, auch erzählt, dass du auch überlegst, nach dem Studium jetzt, wenn du deinen Master fertig hast, eher im wissenschaftlichen Bereich weiter zu bleiben, also eher so dich eben weiter mit verschiedenen mathematischen Problemen zu beschäftigen. Das ist ja dann auch etwas, wo es dann darum geht, dass tatsächlich das Interesse und eben nicht sozusagen das Geld verdienen, also nicht die äußeren Umstände, sondern eher die inneren Antriebe dann auch stärker in deinem Leben sozusagen deine Aktivitäten treiben.
H: Ja, genau. Also ich glaube insgesamt, auf lange Sicht kann sich eine Promotion, gut in reiner Mathematik jetzt nicht, aber ich hatte ja zum Beispiel auch noch die Möglichkeit, in einem eher informatiknahen Bereich zu promovieren. Und da lohnt es sich, glaube ich, auf lange Sicht tatsächlich schon auch finanziell, so ist es nicht. Aber wenn man halt quasi kein inhärentes Interesse hat an der Materie und sich wirklich in ein Thema richtig deep diven und sich damit halt vier bis fünf Jahre zu beschäftigen, dann wird es halt auch mit dem besten finanziellen Anreiz, glaube ich, bei den meisten nichts. Das heißt, ich bin da quasi schon bereit, vier bis fünf Jahre, wie auch immer es dann genau dauert, auf eben erstmal noch mit einem vergleichsweise bescheidenen Gehalt, natürlich immer noch deutlich mehr, als man als Student zur Verfügung hat, aber mit einem vergleichsweise bescheidenen Gehalt zu leben und sich eben auch den, ich glaube doch, wie man halt auch immer wieder hört, Stress der Promotion anzutun. Ich werde jetzt halt auch noch schauen, wie eben die Masterarbeit läuft und ob mir quasi überhaupt wissenschaftliches Arbeiten auf einem Niveau, was jetzt höher als die Bachelorarbeit war, überhaupt zusagt. Aber ich gehe im Moment schon davon aus, auch bisher von den Anfängen so. dann bin ich am Überlegen, das zu machen. Das ist auch noch offen, wo dann, also ob ich in der Stadt hier bleibe oder dann nochmal eine andere Uni suche, ob es eben Mathe oder Informatik eher wird. Aber das ist eine Frage, die ich kann mir so im nächsten halben Jahr wahrscheinlich noch klären werden.
M: Das ist ja so perspektivisch, sozusagen eben die weiteren Lebensschritte, wenn das erstmal das Hauptstudium fertig ist, so ein bisschen auszurichten. Vielleicht eine Sache, wo ich doch nochmal ein bisschen zurückkommen möchte, eben über diesen Kontakt mit diesem 4chan-Bord, ja auch diese verschiedenen Männlichkeitsbilder, bestimmte Narrative, die sozusagen, wie die Welt funktionieren würde, sozusagen dort versucht, in die Köpfe zu bringen, die aber oftmals, zumindest nach meinem Verständnis, wenig dazu befähigen, wirklich aktiv zu sein, sondern eher in so eine Opferhaltung kommen, weil man ja anderen dann die Schuld gibt und solange die anderen ihr Verhalten nicht ändern, man selber da nicht rauskäme und einem sozusagen an der Stelle eher die Handlungsmöglichkeiten verbauen, weil man gar nicht so viel an die Hand bekommt, was man jetzt machen kann. Da würde mich interessieren, du hast ja gesagt, in den Gesprächen hat dir geholfen, so ein bisschen diese Narrative wieder aufzubrechen. Vielleicht kannst du da noch ein bisschen was erzählen, was dir tatsächlich konkret geholfen hat, aus bestimmten engen Erzählungen wieder rauszukommen. Also, wie hat sich dein Bild verändert und vielleicht auch, was hast du heute Vorstellungen vom Mann sein, von dir, wie möchtest du sozusagen selber sein? Gibt es da Bilder, die sich da verändert oder neu gebaut haben?
H: Ja, also quasi ein Ansatz, den ich gewählt hatte, auch im Rahmen der Einzeltherapie, aber dann damit verknüpft auch tatsächlich die Kunsttherapie überraschenderweise, die sehr geholfen hat. Ich habe da wirklich so versucht, diese Gedankenmuster und Weltbilder, die teilweise halt auch im Konflikt zueinander standen in meinem Kopf, weil es war jetzt auch nicht so, dass ich wirklich komplett in dieser Welt gelebt habe. Ich hatte ja immer noch auch teilweise eben Real-Life-Kontakte auch mit quasi Leuten, die auf diesem Board eher als Normies oder im schlimmsten Fall die Chads und Stacys quasi bezeichnet wurden und eher negativ wertend quasi. Das heißt, es gab da halt quasi so diese zwei Seiten mehr oder weniger in meinem Kopf, so ein Weltbild und eine Wahrnehmung und Bewertung von Sachen und da habe ich dann quasi im Rahmen der Kunsttherapie so eine Collage angefertigt. Am Anfang tatsächlich doch mit quasi für mich Symbolbildern, die ich eben aus den Zeitungen und Zeitschriften, die dort vorrätig waren, entnommen haben. Dann am Ende, weil ich aber doch auch so ein paar Ideen im Kopf hatte, die sich jetzt nicht durch so x-beliebige Zeitungsausschnitte darstellen ließen, habe ich dann doch auch ein paar konkrete Bilder über Google gesucht und die dann noch eingebunden, ich durfte zum Glück nach Hause, um das auszudrucken dann. Da habe ich dann quasi anhand dieser Collage dann meiner Therapeutin, die eben mich mit den Einzelgesprächen begleitet hat, versucht so zu erklären, was so diese zwei Welten sind, wie die zusammenhängen, wo die Konflikte sind. Da sind wir dann halt im Gespräch, vor allem auf, tatsächlich teilweise schon auch auf Gefühlsebene, aber auch überraschend viel dafür, dass eine Psychotherapie ist auf logischer, argumentativer Ebene durchgegangen, um eben diese Konflikte möglichst aufzulösen oder halt aufzuweisen, wo vielleicht sogar die andere Seite auch einen Punkt haben kann, aber es halt dennoch mindestens nicht so allgemeingültig ist, wie es dargestellt wird oder vielleicht auch einfach halt, selbst wenn es wahr sein sollte, einfach nicht zielführend ist als Gedanke und als Weltsicht. Das war so eigentlich der größte Aspekt in der Hinsicht, diese Gedankenmuster aufzulösen. Was vielleicht auch ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist, ist, dass ich im sozialen Umfeld zumindest zu diesem Zeitpunkt noch kaum weibliche Freunde eigentlich hatte und entsprechend natürlich auch so die Erzählungen über Frauen, die es eben auch auf diesem Board gab, nicht so direkt quasi abgeglichen werden konnten mit der Wahrheit, wenn man eben kaum Kontakt zu Frauen hat. Da eben aber in dieser Gruppe der jungen Erwachsenen eben auch schon die Hälfte Frauen waren und man quasi über die Gruppengespräche auch so erfahren hat, was die so umtreibt und so habe ich dann halt schon auch gesehen, es sind größtenteils, sag ich mal, andere Probleme als welche, die mich beschäftigen, was aber natürlich jetzt auch nicht heißt, wie ich dann gemerkt habe, dass die irgendwie weniger schlimm seien oder weniger valide quasi, was dann auch ein Punkt noch war, der eben vieles von diesem Incel-Weltbild zum Fallen gebracht hat oder zumindest man halt dann hinterfragt hat und sich überlegt hat, ist das quasi wirklich so, wie es da dargestellt wurde, eigentlich Männer wie ich alle Probleme dieser Welt quasi, die möglich sind, tragen müssen und Frauen, wie es da eben dargestellt wurde, so Leben im Einfach-Modus haben, das wurde natürlich da auch, hat man dann gesehen, ja, nee, so einfach ist es definitiv nicht und dann eben mit der Zeit dazu geführt, dass man das dann eben diese Gedanken gelöst haben.
M: Aus meiner Sicht ziehe ich da vor allen Dingen so zwei Hauptaspekte raus, das eine ist eben erstmal dieser offene Dialog, das heißt, dass man nicht sagt, von wegen, diese Ansicht ist generell falsch oder das sowieso unwahr und deswegen spricht man nicht drüber, sondern tatsächlich eben ins Detail zu gehen und zu sagen, okay, also hier gibt es den und den Aspekt, den kann man vielleicht auch empirisch irgendwo anschauen, du hattest ja vorhin zum Beispiel erzählt mit den Dating-Apps, was ja auch immer ein sehr starker Aufhänger ist, wie schwierig das für manche Männer ist, nicht für alle, aber für sehr viele und wie frustrierend das ist. Was aber nicht impliziert, dass es deswegen für Frauen weniger frustrierend ist oder sie nicht ähnliche Probleme haben. Es sind halt eben, für manche funktioniert es, diese Struktur und das System aus verschiedenen Gründen und für sehr viele funktioniert es halt überhaupt nicht. Deswegen, da ist halt unsinnig, die eine Gruppe gegen die andere auszuspielen und dann an solchen Theoremen sich stattdessen daran aufzuhängen, zu gucken, okay, wo sind eigentlich die Gemeinsamkeiten und wo kann man wieder gemeinsam was erreichen, dass man eben nicht die Geschlechter gegeneinander ausspielt, sondern eher, dass sie beide irgendwas finden, wie sie besser zueinander finden und genau, dass da eben diese wichtige Gesprächsoffenheit, was ich auch für das Forum anstrebe, dass eben nicht alles, was sich erstmal nach Incel anhört, sofort verbannt wird, sondern, dass man erstmal den Menschen dahinter in den Blick nimmt und sagt, okay, also ich höre deinen Schmerz, deine Probleme, deine Wut, was auch immer im Endeffekt sich da zusammenfindet und sich in diesen Äußerungen jetzt manifestiert, aber eigentlich geht es ja um wahrscheinlich mehr dahinter und letztlich wollen wir ja alle ein schöneres Leben haben und zwar meistens mit anderen Menschen und nicht ohne sie und das Zweite, was du gesagt hast, ist einfach eben der fehlende Kontakt, weil wenn man zu den Menschen, in dem Fall halt Männern mit Frauen, Frauen mit Männern, wenn man die nicht erlebt, dann entstehen halt komische Vorstellungen von ihnen, das ist auch so, in der Beziehungsanbahnung ist ja auch so, die Überhöhung der Frau als etwas Heiliges, weswegen man sie dann als Partnerin anstrebt, aber eben das Sexuelle irgendwie abspaltet, weil man das irgendwie selber nicht integriert hat, dass es genauso heilig und so oder halt nicht mal die Religion und einfach, dass es etwas Schönes, Attraktives ist, mit dem man gerne miteinander verbunden sein kann und eben nicht diese Abwertung, wie man vielleicht eben aus anderen Bereichen hat, dass Sexualität, vor allen Dingen außerehelich, irgendwie etwas Verwerfliches sei, sondern im Endeffekt ist es etwas zutiefst Menschliches, was aus unserer sozialen Ader und natürlich auch aus unserer Biologie entspringt, weil ohne Sexualität würden wir alle nicht leben und dass man diese Dinge einfach eben zusammenbringt und da ist es halt gut und denke ich hilfreich, möglichst diesen Dialog und Kontakt irgendwie zu ermöglichen.
H: Ja, genau und beide Punkte haben ja irgendwo auch die Gemeinsamkeit, mehr miteinander reden, sei es jetzt quasi innerhalb der Gruppen über dieses Thema oder halt auch zwischen den Gruppen eben, dass die halt nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das ist wirklich, denke ich, ein zentraler Aspekt, der, was das Thema angeht, wichtig ist und wo vielleicht in vielen Debatten aktuell auch mehr beherzigt werden sollte, in meinen Augen. und eben genau wie du auch sagst, dass es halt auch sehr kritisch ist, wenn man alle Posts, die in Richtung Incel gehen, halt in einem Forum sofort verbannt. Natürlich will man jetzt irgendwie auch nicht, dass die Diskussionskultur dann halt zu toxisch wird oder zu sehr in diese Richtung abdriftet, aber wenn man halt solche Leute quasi komplett ausschließt von vornherein, dann passiert es ja auch, dass sie entweder halt mit ihren Gedanken, die da brodeln, alleine sind und die dann nicht besser werden oder im noch schlimmeren Fall, dass sie sich dann eben auf solchen radikaleren Foren dann eben treffen, wo dann nur noch solche Meinungen vertreten sind und dann sind sie halt in solchen Echokammern gelandet wo es dann auch nur noch schlimmer wird eigentlich.
M: Genau, weil das Risiko im Endeffekt, dass sich Menschen radikalisieren, entsteht umso mehr, je mehr sie sich halt oder beziehungsweise je mehr sie auch von der anderen Seite dann abgeschottet werden, zu sagen, ich spreche nicht mit dir, solange du im Endeffekt dich mit solchen Überlegungen beschäftigst. Aber genau das ist ja dann das fehlende Korrektiv, um zu sagen, hier, es gibt hier noch eine andere Welt und man kann die Dinge auch anders betrachten, einschätzen, einordnen. Manches davon ist eben vielleicht sinnvoller, wenn du lösungsorientiert dein Leben verändern möchtest und nicht letztlich eben in dieser Situation verhaftet bleiben möchtest, in die du dich dann vielleicht noch verstärkt begibst. Ich wäre soweit mit meinen Fragen und Überlegungen durch. Gibt es von deiner Seite noch etwas, was du gerne noch mit in die Runde geben möchtest, was vielleicht zuhörende ABs vielleicht meinst, dass es ihnen helfen könnte oder dass es für sie eine Perspektive ist, was sie machen können oder wo du ihnen einfach etwas mitgeben möchtest aus deinen Erfahrungen, die du bisher gemacht hast?
H: Ja, also ich meine quasi die, blöd gesagt, Heilung fürs AB tun, kann ich natürlich keine Ahnung von, weil ich bin ja selber noch immer noch AB und kann in dem Hinblick auch keine, da gibt es wahrscheinlich sowieso keine allgemeingültigen Tipps, aber auch Tipps, die für mich selber funktioniert haben, könnte ich bisher noch nicht sagen. Das vorher Erwähnte fand ich eigentlich schon einen ganz schönen Abschluss für das Gespräch, eben einfach in jeder Hinsicht mehr miteinander reden und in dem Sinne auch, was das Reden angeht, halt wenn es eben auch dann Richtung psychische Belastung gehen sollte, aufgrund des Themas oder auch wegen anderen Gründen, wie auch immer, auch da keine Angst haben zu reden. Es ist leider natürlich stellenweise noch ein Stigma da in der Gesellschaft, was das Thema angeht, aber es ist meiner Erfahrung nach schon deutlich besser geworden in den letzten Jahren und je mehr Leute halt sich auch trauen, da offen mit, einigermaßen offen damit umzugehen, desto mehr wird natürlich dann dieses Stigma auch abgebaut und es ist überhaupt keine Schande, sich Hilfe zu suchen. Im Gegenteil, oft ist es ja auch der einzige Weg und wenn man quasi dann erkennt, die eigenen Schwächen und Probleme sind und das dann angeht, dann ist es ja im Gegenteil eigentlich sogar sehr stark, da sollte man überhaupt keine Scham haben, einerseits darüber zu reden und andererseits sich eben im Zweifel professionelle Hilfe zu suchen.
M: Dann vielen Dank dafür, dass du deine Scham überwunden hast und dich getraut hast, hier mit mir zu sprechen, auch über die vielen Details und Informationen aus deinem Leben, die, wie sie dich bisher begleitet haben und ich hoffe, dass wir mit unserem Podcast und auch dieser Folge eben genau dazu beitragen, dass die Stigmatisierung von Menschen einfach auch an dieser Stelle weiter abnimmt. ABs sind ganz normale Menschen, wie jeder andere auch. Wir haben halt ein bisschen den Zufall sozusagen nicht ganz auf ihrer Seite gehabt bisher. Wir können nur sagen, nehmt euch einfach Zeit, Menschen kennenzulernen. Sie haben viele wunderbare Facetten und geht nicht zu schnell in die Urteile mit anderen Menschen. Dann vielen Dank.
H: Danke auch, dass ich meine Geschichte erzählen durfte.
M: Wenn ihr weitere Folgen des Podcasts hören wollt, ihr habt verschiedene Plattformen auf Spotify, YouTube oder wenn ihr mit anderen ABs in Kontakt und Austausch treten wollt, könnt ihr euch gerne im AB-Treff registrieren. Die Informationen und Links findet ihr weiterhin in der Beschreibung zu dieser Folge. Bis zum nächsten Mal. Macht’s gut.