In dieser Folge spreche ich mit Thomas Andreas über seinen Weg zum Ex-AB und was er aus der Beschäftigung mit seinen Traumata und Ängsten gelernt hat und wie er seine Erfahrungen zur Unterstützung anderer Menschen einsetzen möchte. Weitere Informationen findet Ihr auf seiner Webseite.
Das Selbsthilfeforum AB-Treff findet Ihr unter abtreff.de. Für Feedback, Fragen oder um als Gast mit dabei zu sein, erreicht Ihr mich über die E-Mail-Adresse podcast@abtreff.de. Ihr findet die Folgen auch im Videokanal des AB-Treff sowie auf Spotify.
Alle Folgen des AB-Podcast findet Ihr auch auf meiner Webseite inklusive Transkript.
Transkript
Martin: Hallo und herzlich willkommen zu einer weiteren Folge des AB-Podcasts. Heute habe ich Thomas Andreas zu Gast und spreche mit ihm über seine Zeit als AB und auch, was er daraus gemacht hat, um seine Erfahrungen dort weiter zu nutzen. Und mehr darüber erzählt uns erst einmal Gee.
Gee: Willkommen zu einer neuen Folge des AB-Podcasts. Heute haben wir einen besonderen Gast. Thomas Andreas war selbst lange Zeit AB, hat aber irgendwann den Schritt in ein neues Leben gewagt. Wir sprechen mit ihm darüber, welche Hürden er auf diesem Weg überwinden musste, welche Veränderungen ihm geholfen haben und wie es sich anfühlt, heute kein AB mehr zu sein. Doch damit nicht genug. Thomas hat aus seinen Erfahrungen eine Berufung gemacht. Seit diesem Jahr arbeitet er als Heilpraktiker für Psychotherapie und unterstützt andere Menschen dabei, ihr Leben zu verändern. Eine seiner Methoden ist die personenzentrierte Gesprächstherapie nach Carl Rogers. Wir freuen uns, dass er heute bei uns ist und seine Geschichte mit uns teilt. Willkommen im Podcast, Thomas.
M: Ja, ich freue mich schon sehr auf unseren Austausch heute und von mir nochmal herzlich willkommen im Podcast, Thomas.
Thomas Andreas: Ja, hallo Martin, danke Gee für die Einleitung. Ich freue mich auch heute hier Gast zu sein und auch natürlich ein bisschen von mir zu erzählen und von meiner Geschichte, auch von meinen Entwicklungsschritten, die ich gemacht habe und natürlich auch von dem, was mich jetzt eigentlich so bewegt. Also mein als Heilpraktiker für Psychotherapie, also das ist schon jetzt auch eine Herausforderung für mich, aber das ist jetzt mein Lebensweg.
M: Dein Lebensweg hat dich 2024, Mitte 2024 auch tatsächlich bei uns ins AB Treff Forum geführt und wo wir dann auch in Kontakt gekommen sind, relativ schnell und gemeinsam eine Online Selbsthilfegruppe ausprobiert haben, wo wir ein paar Monate angeboten haben, einfach mit Mitgliedern zu sprechen und dort eben über ihre Probleme oder über ihre Anliegen, wie jetzt für sie das AB-Sein ist oder was sie damit machen können, um sich vielleicht irgendwas zu verändern. Bei dir ist es so, deine AB-Zeit liegt jetzt schon eine Weile hinter dir, soweit ich mich erinnere. Was hat sich für dich inzwischen in der Perspektive geändert, falls sich was geändert hat? Siehst du deine AB-Zeit heute anders? Hat sich mit irgendwelchen Erfahrungen die Bewertung von damals irgendwie gedreht? Ja, wie sind deine Vorstellungen zum AB-Sein heute?
T: Also generell, ich bin, da ich ja selbst AB war, komplett aufgeschlossen, was diese Thematik angeht. Aber es hat mich natürlich auch sehr extrem sensibilisiert gegenüber, sagen wir mal, anderen Menschen und ihre Probleme, was auch mein Entwicklungsprozess, sage ich mal, war. Heute sehe ich es auch immer von zwei Perspektiven im Prinzip schon. Also die eine Perspektive ist natürlich auch, ja, es gab da doch so einiges, das hätte ich mir in meiner Vergangenheit anders vorgestellt. Aber gleichzeitig natürlich auch, und was ich auch sehr wichtig fand, also ich habe ja auch, sagen wir mal, Wunden aus der Kindheit, was ja dazu geführt hat. Und letztendlich haben sie mich aber auch auf diesen Pfad gebracht. Und das ist vielleicht die wichtigste Perspektive. Sagen ich mal, ohne das hätte ich vielleicht diesen Beruf, den ich jetzt ausübe, auch gar nicht gemacht. Und auch nicht diese ganzen Erfahrungen, auch alles, was so zusammenhängt, auch gerade was Kindheit, Bindungstraumatisierung und so weiter. Damit habe ich mich natürlich intensiv beschäftigt, auch weil es natürlich mein Thema ist. Und dadurch wird mir natürlich auch alles viel mehr bewusster, auch bei anderen Menschen. Also letztendlich habe ich, trotz, dass es nicht schön war, aber es gibt eben auch den sehr positiven Effekt, weil es mir eben auch ein neues Leben, auch einen neuen Beruf geschenkt hat, in diesem Sinne.
M: Genau, magst mal so einen zeitlichen Ablauf gegeben. Also bis wann hat dich das AB-Sein begleitet und wie lange war jetzt so dann der Erfahrungsraum, wo du tatsächlich reingesprungen bist und irgendwie sich dein Leben gedreht hat? Oder was war sozusagen dieser Punkt, wo du den AB-Weg verlassen hast? Und was gab es da für einen Impuls? Also was ist genau vorgefallen, dass du dann eben dieses Leben verändert hast?
T: Also bis 45 hat sich bei mir nicht viel geändert. Das liegt aber auch ein bisschen begründet, weil ich selbst weiß, ja, ich habe viel abgespalten, viel unterdrückt. Und so war mir eben viele Dinge nicht so bewusst. Und gedreht hat sich es eigentlich, nachdem ich, sagen wir mal, auch bei der Kompensationsstrategie, also ich habe Computer gespielt, die habe ich dann irgendwann losgelassen nach einem Unfall, war dann nicht mehr möglich. Und dann hat sich irgendwie meine Ziele auch intern verändert. Drum wollte ich ein anderes Leben führen und so weiter, mehr gesünder leben. Und dann kam aber auch Einsamkeit hervor. Also Einsamkeit, viel Traurigkeit, depressive Verstimmung. Das war so für mich auch, sagen wir mal, das Erleben dieser Gefühle auch der wichtigste Schritt, mein Leben zu verändern. Ich war eben damals dann so gestrickt, nee, ich möchte, ich muss, ich möchte nicht mehr in meine Vergangenheit. Das war vielleicht für mich auch der wichtigste Grund, dass ich auch diese intrinsische Motivation hatte. Es geht nur, wenn ich mich verändere. Es gibt keine Alternative. Ich muss, damals noch muss, heute würde ich sagen darf, aber damals eben, ich muss mich verändern. Ich muss an mir arbeiten und ich möchte ja eben auch, gerade Partnerin, möchte eben auch was erreichen. Das war so ein bisschen so das Ziel, was ich eben damals, wo ich damals begonnen hatte. Und ja, meine Erfahrungen in diesem Sinne waren natürlich, am Anfang steht auch nicht gerade sehr positiv. Kann ich nicht anders so sagen. Also ja, natürlich. Ablehnung gab ohne Ende. Also, das ist mir schon bewusst, ne. Ich meine, klar, war ich dann auch ab und zu mal traurig. Aber ich wollte halt doch für mich eine Lösung finden. Und da hat mich ja da radikal geändert. Also ich bin dann weitergegangen, hab mich dann auch mit allem beschäftigt. Mit Buddhismus, Daoismus. Bin dann letztendlich auch über den Dalai Lama selbstverständlich gestolpert. Also für mich war es auch sehr gut, auch was der gesagt hat. Der Menschlichkeit heißt das. Und auch was zum Sinn. Das hat mich so auch ein bisschen in die richtige Richtung geschoben. Parallel habe ich dann auch angefangen, mit Psychologie mich zu beschäftigen. Auch Partnerschaftspsychologie. Und da sind mir natürlich dann auch meine Ängste irgendwie mal so ein bisschen bewusst geworden. Und was so eigentlich dahinter steckt. Also im Prinzip bin ich dann eben zweigleisig gefahren. Einerseits, ich habe dann Meditation gemacht. Auch Qigong regelmäßig gemacht. Das habe ich dann auch angefangen. Und natürlich konsequent weiterbildende Psychologie. Also alles, was psychologische Themen sind, Bedürfnisse, Gefühle, Glaubenssätze, Ängste. Also ich habe mich da sehr stark weitergebildet. Und es hat mir auch sehr viel Spaß gemacht. Das war das eine. Und ich habe ja auch die positiven Effekte dadurch gemerkt, dass ich halt nicht mehr so viele Ängste habe. Natürlich musste ich auch meinen Ängsten nicht stellen. Das ist so wie jeder. Also ich habe auch am Anfang kein Selbstbewusstsein gehabt. Und da hat eben doch mal das Ansprechen zwei Wochen gedauert, bis ich mich getraut habe, jemanden anzusprechen. Aber letztendlich war eben bei mir auch der Wille stärker, ich möchte das. Da habe ich mich eben konsequent weiterentwickelt. Und das war so für mich das Wichtigste.
M: Wie schnell ist dir eigentlich dann tatsächlich überhaupt dieser Absolute Beginner Begriff begegnet?
T: Das war eigentlich spät. Also am Anfang noch gar nicht. Also ich wusste am Anfang noch gar nichts davon. Ich habe ja ganz normal auch angefangen, mich auf Partnerschaftsbörsen angemeldet und so weiter. Aber natürlich, ja, klar, unerfahren, wie ich bin, ne? Tritt man natürlich auch manchmal ins Fettnäpfchen. Und dann kommen die unbewussten Prozesse auch zum Vorschein. Die sind vielleicht auch nicht gerade so konstruktiv gewesen. Also aber zum Thema Absolute Beginner, damit wusste ich damals gar nichts anzufangen. Überhaupt nicht. Das ist vielleicht auch ein relativ seltenes Thema, sage ich einfach mal. Ich glaube, bei Gleichklang, da war das Thema dann schon präsenter, weil da gab es so eine Option, bist du Absoluter Beginner. Das hat mich aber jetzt auch nicht so weiter interessiert. Ich sage es einfach mal so. Aber nichtsdestotrotz, auch wenn ich viele Ablehnungen erfahren habe, ich habe natürlich auch Treffen gehabt. Die haben mich trotzdem alle irgendwo bereichert und auch weitergebracht. Also so im Nachhinein kann ich eigentlich nur sagen, ich habe, was an meiner Persönlichkeit liegt, da ich ja auch lernwillig bin und mich weiterentwickeln wollte, habe ich daraus auch immer was Positives mitgenommen. Das war, ist vielleicht immer das Wichtigste. Ich habe aus jeder Begegnung eben auch ein bisschen was mitgenommen, eben was gelernt, weil klar, andere Menschen haben auch einen anderen Blick auf mich. Und die sehen eben, na gut, das war vielleicht doch nicht so schön. Daraus kann ich ja erlernen. Und das war vielleicht so mit das Wichtigste. Und richtig, Absolute Beginner. Wann habe ich mich denn damit beschäftigt? Ja gut, das lief eigentlich so nebenher, so ein bisschen. Präsent war das bei mir, demzufolge noch nie, weil ich auch keinen Kontakt hatte mit anderen Absolute Beginnern. Gut, über das Forum habe ich mich schon mal belesen gehabt. Gut, ich war auch in anderen Psychologie-Forums aktiv. Jetzt nicht speziell Absolute Beginner, aber gerade, was halt psychische Belastungen sind und so weiter, da war ich auch aktiv. Ja, und ich bin jetzt eigentlich erst relativ spät auch hier in das Forum eingestiegen. Ich habe mir nämlich auch gedacht, naja, gut, okay, ich habe ja meine Vergangenheit und ich habe auch meine Lösungen gefunden. Also was für mich auch passt. Ich habe ja auch in diesem Bereich immer auch viel Erfahrung, weil ich mich eben auch viel beschäftigt habe. Deswegen habe ich mich eigentlich auch damals so angemeldet, um eigentlich mehr andere Menschen zu unterstützen. Das hat sich ja bei mir auch ein bisschen gewandelt, weil ich gemerkt habe, eigentlich, ich rede lieber. Ich bin tatsächlich nicht derjenige, der schreibt. Ja, ich rede lieber. Weil deswegen kam, war auch der Gedanke mit der Selbsthilfegruppe ja eigentlich wunderschön, weil ich ja lieber mit jemandem tatsächlich rede, weil es ist mir wichtig, dass wir auch konstruktiv miteinander umgehen können. Weil beim Schriftlichen, weiß ich es auch, durch meine Vergangenheit, gibt da auch sehr häufig Missverständnisse. Auch weil ich ja die andere Person vielleicht nicht immer kenne und auch nicht weiß, wie reagiert sie denn auf das Geschriebene. Na, ich interpretiere es natürlich auch, was steht. Ganz klar, das machen wir alle. Das macht es eben bei mir im Schriftlichen immer ein bisschen schwieriger. Deswegen rede ich lieber, weil da der Kontakt auch da ist. Und da habe ich auch einen direkten Bezugspunkt zum Gegenüber. Weil wenn es nur schriftlich da ist, ist es für mich ja auch ein bisschen schwierig.
M: Genau, das ist etwas, was ich ja auch eben nach meiner Rückkehr ins Forum sehr schnell gemerkt habe, wie schwierig es ist, dass Menschen einfach nur das lesen, was dasteht und nicht im Endeffekt in ihre Interpretation springen und ihre Interpretation für das Reale halten, was geschrieben wurde. Und dann kann auch so ein Austausch sehr schnell eskalieren. Du schreibst auf deiner Website ja zum Beispiel auch von den Schattenseiten. Also im Endeffekt die Vorurteile, die mir andere schon entgegengebracht haben, die ich dann verinnerlicht habe, die dann im Endeffekt durch ein paar Sätze getriggert werden, die aber überhaupt nicht gemeint gewesen sind. Also wo der andere, der kennt ja deine Träger erstmal nicht, gerade im Forum, wenn die Leute sich gar nicht so gut kennen, dann wissen die nicht, warum jemand jetzt auf irgendwas reagiert, weil sie eben gar nicht die Hintergründe kennen. Was für eine Person eine ganz normale Aussage ist, ist für den anderen schon ein persönlicher Angriff, weil er das von irgendwelchen Leuten immer als Vorwurf sozusagen bekommen hat.
T: Ja, aber das können wir leider auch nicht verhindern. Also ich hatte auch mal eine Begegnung gehabt, mit einer Frau gehabt, und habe einfach gefragt: Wie geht es dir? Absolut normale Frage. Aber uch, je, da habe ich aber was zu hören bekommen. Also sie ist da völlig aggressiv geworden. Also sie war bei dem Punkt eben auch sehr, sehr empfindlich. Und deswegen ist es eigentlich normal, da hat jeder, glaube ich, seine Triggerpunkte. Das können wir ja nicht verhindern, weil wir ja die andere Triggerpunkte vielleicht auch noch gar nicht kennen. Das ist vielleicht auch wichtig zu verstehen. Wir können das niemals verhindern, auf was der andere anspringt. Klar, wenn man die Person näher kennt, logisch, dann kennt man vielleicht auch die Triggerpunkte und kann ein bisschen entsprechend vorsichtig agieren, logisch. Aber wenn ich sie nicht kenne, keine Ahnung. Und vielleicht kennt die andere Person aber auch ihre Triggerpunkte auch nicht. Das ist ja auch immer möglich, gerade wenn man sich mit Traumas beschäftigt, kann es ja auch zu Dissoziationen kommen, zur Abspaltung der Traumas. Und dann kommt eben der Triggerpunkt erst viel später, sage ich mal, auch wenn das der Person vielleicht gar nicht bewusst ist. Interpretationen, das ist nicht ganz so einfach, weil jeder interpretiert eigentlich seine Welt aus seinen Erfahrungen. Das machen wir alle automatisch. Also eigentlich, rein theoretisch können wir fast nie neutral sein, weil alles, was wir lesen, mit wem wir es zu tun haben, interpretieren wir immer aus unserer Vergangenheit. Vergangene Erfahrungen spielen irgendwo immer eine Rolle, außer wenn man vielleicht mal ein bisschen bewusster ist, reflektiert, Abstand nimmt. Dann kann man vielleicht schon mal ein bisschen Abstand nehmen oder auch mal einen Perspektivwechsel eingeht. Dann ist es möglich, aber im groben Kontext und im Ganzen interpretieren wir immer, was nützlich ist. Absolut normal, nützlich müssen wir auch machen. Das wird man ja uns, unser Gehirn auch überfordern. Also unser Gehirn ist ja auch bestrebt, Energie zu sparen. Und das heißt natürlich, dass es sich auch wohlfühlt, wenn es auf Muster zurückgeht, was wir eben schon kennen. Klar, das ist ein Beispiel, wäre ja ein Apfel. Wenn ich einen Apfel sehe, weiß ich, was ein Apfel ist. Da muss ich nicht mehr drüber nachdenken. Und so funktionieren wir ja eben auch bei allem, was geschrieben wird, was gesprochen ist, sind unsere Erfahrungen sinnvoll.
M: Genau, deswegen ist es eben hilfreich. Deswegen ziehe ich auch sehr die Gespräche vor, gerade eben zumindest so, wie wir jetzt auch den Podcast aufzeichnen, dass wir uns erstmal sehen können. Weil so ein bisschen diese nonverbale Kommunikation, die schon sehr viel Hinweise darauf gibt, wie etwas gerade ankommt. Das, was du halt gerade im Schriftlichen immer überhaupt nicht hast. Du hast keine wirkliche Stimme, die dir diesen Text vorliest. Du weißt nicht, ob jemand gerade so unter Druck steht, ob jemand ganz entspannt im Endeffekt diesen Satz. Allein so eine Tonalität macht schon ganz viel aus, wie der Satz ankommt. Und das ist halt genau das, was dir im Schriftlichen ja immer so schwer macht, weil hier bleibt nur noch der Modus, in dem du gerade bist. Bist du gerade selber unter Stress, dann liest du den Text auch gestresst. Und dann kommt ein ganz anderer Klang in so ein paar Worte rein, die du halt überhaupt nicht hast. Deswegen so, wie du das Beispiel gerade erzählt hast, eigentlich eine ganz unverfängliche Frage. Also ich kann mir sehr gut vorstellen, weil ich finde, diese Frage verbinde ich sehr stark mit Oberflächlichkeit. Weil das ist so diese gängige Sache, man begrüßt sich, wie geht’s dir, aber eigentlich will keiner die Antwort hören. Und wenn ich gerade auf Krawall gebürstet bin, dann kommt statt zu gucken, okay, meint er das gerade ernsthaft? Also will der wirklich was wissen? Oder gehe ich gerade in irgendeinen Film rein, zu sagen, boah, schon wieder so ein oberflächlicher Typ, der irgendwas, babababa. Das hat überhaupt nichts mit der Situation zu tun. Aber wir steigen dann in so einen Film ein, steigen in unsere Vergangenheit ein. Das ist ja auch etwas, was dann eben diese Erfahrungen, Erinnerungen, die wir abgespeichert haben und die, je nachdem, wie gut wir die selber reflektiert haben oder unseren Abstand gefunden haben, springen wir da einfach schnell rein. Ob bewusst, unbewusst. Meistens, wenn wir reinspringen, wahrscheinlich tendenziell mehr unbewusst als bewusst. Weil wir sind in dem seltensten Fall Schauspieler und haben das Interesse, jetzt gerade so einen Film ablaufen zu lassen. Aber gute Schauspieler können ja das dann. Das heißt, sie wählen sehr gezielt ihre Situation aus und sagen, ich will jetzt genau so empfinden und dann empfinden die das auch. Und das kriegen wir auch hin, aber nicht sozusagen so gut gewählt. Ich würde gerne nochmal ein bisschen einsteigen. Auf deiner Webseite schreibst du eben auch viel, gerade von deiner Zeit direkt nach der Geburt. Ich nehme mal an, du hast die aber später erzählt bekommen, von wegen, dass du irgendwie drei Wochen im Krankenhaus warst, wo du noch keinen direkten Kontakt mit deiner Mutter bekommen hast. Und auch später dann, dass du eben, wie es in der DDR dann üblich war, dass du in die Kindergrippe gegeben wurdest. Und dass, das du sehr stark mit eben diesen Beziehungsschwierigkeiten oder sozialen Ängsten verbunden hast inzwischen. In der Aufarbeitung nehme ich mal an, weil es fällt dir ja nicht einfach so ein, dass da sozusagen die ersten drei Wochen irgendwie ein entscheidender Faktor sind, sondern ich nehme an, da ist dir was begegnet oder ein therapeutischer Kontakt, der dir das so aufgearbeitet hat. Oder wie ist das gewesen?
T: Ja, selbstverständlich. Also klar, das ist natürlich, kam ja natürlich durch Erzählungen von meiner Mutter. Das Wichtigste, was ich auch mittlerweile weiß, diese frühkindlichen Konflikte, die sind ja so verinnerlicht. Und wir erinnern uns logischerweise auch nicht dran. Also erstmal nicht, außer man arbeitet es auf. Aber erstmal sind sie ja eigentlich nur so, okay, da brauchen wir was. Man hat ja gar nichts mit mir gemacht. Ich habe das natürlich aufarbeitet, also speziell auch im vergangenen Jahr, habe ich mich nochmal intensiv auch mit meiner Bindungstraumatisierung beschäftigt. Also ich habe da auch viel Meditation gearbeitet, Meditation, bin auch nochmal in die Gefühle reingetaucht, was damals eben war, weil ich das für mich auch immer auflösen wollte. Und das funktioniert auch tatsächlich. Also es ist so ähnlich wie Hypnose. Man geht halt ins Unterbewusstsein und in die Situation, sich rein zu versetzen. Vereinfacht ausgedrückt, das habe ich auch tatsächlich gemacht. Zuerst bin ich natürlich nur über die kognitive Ebene logischerweise rangegangen, weil ich habe ja auch die Informationen verknüpft, die ich jetzt gelesen habe, überall und so weiter und so fort. Habe mich ja weitergebildet zur Bindung, was das anrichtet. Und dann habe ich mich auch eben auch rein versetzt in diese kindlichen Situationen, was ja durchaus möglich ist. Ist natürlich nicht schön. Also nein, das sind auch, sage ich mal, die schlimmsten Momente meines Lebens tatsächlich, weil da ja auch die ganzen Gefühle drinnen stecken. Also Verzweiflung, Ohnmacht, Hilflosigkeit und aber natürlich auch Aggression. Bei mir ist es eben wahrscheinlich so, ich habe dann auch die Aggression gegen mich selbst gewendet. Das habe ich dann mittlerweile auch begriffen, dass das auch mit einer Rolle spielt. Klar, wenn man sich so hilflos ist, gerade in dem frühen Jahr, man kann ja nichts dafür. Ja, logisch. Aber das ist relativ komplex, das ganze Trauma, weil es eben auch so frühzeitig ist. Hat mich das auch deswegen so lange beschäftigt, weil es ja auch im Unterbewusstsein liegt. Das ist mir ja nicht mehr bewusst. Reine Schutzstrategie, kann ich da nur sagen, das macht niemand mit Absicht, sondern unser System ist ja auch daran interessiert, dass wir überleben. Uns so schützt es sich erstmal. Das heißt, Ereignisse, die wir nicht verarbeiten können, wandern fort. Die können wir von mir aus abspalten, unterdrücken, vergessen, wie wir das auch immer machen. Es spielt erstmal keine Rolle mehr, weil unser System ist darauf fokussiert, zu überleben. Gibt es natürlich Überlebensstrategien, klar. Aber es ist immer sehr nützlich und so arbeiten wir im Prinzip. Jeder Mensch macht das im Prinzip, weil das gehört zu unserem System dazu. Es ist Überleben und das, was nicht verarbeitet werden kann, muss aber irgendwie bewältigt werden. Und dazu macht es eben die Strategien. Im Prinzip muss man aber auch ein bisschen dazu veranlagt sein. Ich meine, es gibt ja auch viele, die die gleichen Erfahrungen machen. Ja, bestimmt nicht der Einzige, der solche Erfahrungen macht. Ich meine, klar, im Krankenhaus nach meiner Geburt waren auch viele Kinder, ne? Und sage ich mal, in die Kinderkrippe kam jedes Kind. Und mittlerweile verstehe ich das auch. Ich habe ja auch eine Persönlichkeit durch die Vererbung bekommen. Da haben wir eine Veranlagung. Dazu zählen natürlich auch transgenerationale Traumas. Das heißt, was in der DNA mitschwingt, die nicht aufgelösten Traumas der Vergangenheit. Und dadurch, so habe ich mich auch begriffen, bin ich halt schon von Haus aus empfindlich an manchen Stellen. Und wenn dann halt solche Ereignisse kommen, wie die Trennung, die diese vulnerablen Anteile aktivieren, dann hat das nochmal ein anderes Ausmaß. Deswegen reagieren wir vielleicht auch alle ein bisschen anders. Und nicht jeder gleich, sondern jeder schon bringt ja was mit durch seine DNA, durch die Geburt. Und wenn ich jetzt, dann natürlich auch durch die Seele, sage ich einfach mal, da schwingt alles, was mit zugegen ist, sind wir alle absolut individuell. Aber ich sage es einfach mal so, also wenn ich schon an Absolute Beginner denke, dann kann ich mir gut vorstellen, dass wir eigentlich schon relativ ähnliche Thematiken haben. Also irgendwo gab es gewisse Ereignisse, die wir nicht verarbeitet haben. Und das macht sich dann eben bemerkbar, weil, das ist ja klar, unser System will uns schützen. Das probateste Mittel, um sich zu schützen, ist immer Angst. Egal, ob wir das bewusst wahrnehmen oder nicht. Also ich hatte ja auch viele soziale Ängste. Ablehnung, Abwertung, Kritik, Bestrafung. Ich fühle mich mit allem wohl. Oder ich habe mich mit allem wohl gefühlt. Sage ich jetzt einfach mal so. Aber die waren ja alle unbewusst. Und das heißt, wenn sie unbewusst sind, sind sie auch relativ in der frühesten Kindheit auch entstanden, weil die machen sich ja nicht bemerkbar. Also es gibt ja auch Ängste, die machen sich bemerkbar. Da zittert man vielleicht. Man kriegt vielleicht Herzrasen, Mundtrockenheit, Schwindel oder so. Dann nimmt man die wahr. Aber bei unbewussten Ängsten, also ich habe da keine körperlichen Symptome in irgendeiner Art und Weise gehabt. Angst ist dann halt das Mittel. Und Angst führt aber eben auch zu Vermeidung. Aber das ist, wie gesagt, ganz normal. Bei Angst vermeiden wir. Absolut logisch. Unser System will uns schützen.
M: Genau, das ist eine der häufigen Strategien, dass man eben Situationen, die angstbehaftet sind, dann vermeidet oder die halt mit dieser Angst assoziiert sind. Weil ansonsten gibt es ja auch die anderen Strategien, eben auf Angriff zu gehen. Das heißt, also so diese klassische oder eben Totstellen. Das heißt, man kommt erst mal in eine Starre. Das eben, wenn dieser Moment getriggert wird oder so. Je nachdem. Das sind halt so sehr starke Standardverhalten, die dann eben sehr stark mit dem Charakter zusammenhängen, was für einen am direktesten verfügbar ist. Vermeiden ist eher so in dieses Richtung Fluchtverhalten. Das heißt, sich ziemlich schnell aus der Situation zurück. Und weil ich sie nicht aushalte. Und manche, die gehen dann erst recht aggressiv auf die andere Person, damit die Person dann nicht das Verhalten, was man nicht erleben möchte, machen kann, sondern sozusagen irgendwie versuchen, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Genau das sind ja auch Kontrollversuche, um die Situation zu bestimmen. Das, was man nicht machen oder nicht erleben möchte, nicht erlebt. So ein bisschen.
T: Genau, im Prinzip hast du da schon recht. Also wenn du darauf ansprichst, ja, wir haben ja diese drei Mechanismen, also Angriff, Flucht oder Freez. Das heißt, Todstellreflex. Also die ersten zwei werden vom sympathischen Nervensystem, die anderen vom parasympathischen Nervensystem gesteuert. Und so reagieren wir, sage ich mal, irgendwo immer, wenn wir Angst haben. Auffällig ist es halt immer, wenn wir vermeiden. Weil wenn wir in Angriff gehen, fällt das ja auch nicht so auf. Dann können wir das ja vielleicht auch mal überdecken. Aber Vermeidung ist immer irgendwo, auch wenn wir es unbewusst tun, menschlich, wir vermeiden es. Eben auch, aber zu Mensch sein irgendwo dazugehört. Weil keiner möchte sich einer gefährlichen Situation aussetzen. Also einer angstbesetzten Situation. Schwieriger ist es dann halt immer bei den Ängsten, dass sie sich dann eben auch stärker werden und ausbreiten können. Das heißt, es beschränkt sich dann vielleicht nicht mehr nur auf eine Situation, sondern auf mehrere Situationen. Gerade wenn so soziale Ängste im Hintergrund stehen, da kann es eben passieren, dass man eben vielleicht auch vor allen Menschen Angst hat. Wäre zum Beispiel auch eine Möglichkeit. Dann generalisiert sich das. Ist halt individuell.
M: Ich glaube, die Herausforderung liegt da ein bisschen darin, dann, also wenn ich zwar soziale Ängste habe, aber die nicht so präsent im Vordergrund sind. Also wenn ich jetzt Angst vor Plätzen mit vielen Menschen habe oder im Fahrschuh und so weiter, dass mir das zu eng wird und so weiter, das kann ich eben dann relativ schnell auch merken, weil dieses Unfühlsein mit bestimmten Situationen verbunden ist. Während wenn ich jetzt tatsächlich so ein Beziehungsthema habe, wo ich eigentlich auf der einen Seite mir wünsche, diese Beziehung, also gerade was ja ABs, die sehr stark den Wunsch haben, endlich eine Beziehung zu haben oder zu führen, werden dann umgekehrt, die gehen ganz viel in Aktivitäten. Manche zum Beispiel sehr intensiv in Online-Dating oder versuchen andere Sachen aktiv zu machen. Und dann wird das Vermeidungsverhalten gar nicht so transparent, weil man weiß gar nicht, was man jetzt eigentlich dann eventuell unbewusst durch eine bestimmte Verhaltensweise, durch eine bestimmte Reaktionsweise, wo man dann vielleicht den anderen vor den Kopf stößt oder irgendwie für den anderen merkwürdig reagiert und dann den Kontaktabbruch herbeiführt. Es gibt ja auch so den Klassiker für Beziehungsschwierigkeiten, dass man eine Beziehung beendet, damit der andere sie nicht beenden kann. Also sozusagen solche Strategien, damit ich den Verlustschmerz vermeintlich nicht habe, erzeuge ich den Verlustschmerz jetzt, bevor die Verbindung zu tief wird oder zu stark wird, obwohl es total unlogisch ist. Und das ist auch nicht die Entscheidung von wegen, dass ich die Beziehung beenden will, sondern ich laufe dann in ein Muster, projiziere zum Beispiel, dass der andere Person mir nicht treu ist oder dass die Beziehung gar nicht echt ist oder dass die Person es gar nicht ehrlich meint mit mir. Das ist ja auch immer so, also was zumindest im Forum öfter mal thematisiert wird von wegen, die Menschen wollen ein Jahr nur ausnutzen. Das ist ja auch so aus meiner Sicht eine sehr klassische Begründung für eine Beziehungsvermeidungsstrategie.
T: Ja, Beziehungsvermeidungsstrategie ist halt ein bisschen kompliziert. Das, was du jetzt angesprochen hast, passt eigentlich auch prima auf eine Borderline-Störung. Dann sage ich mal, ja, das ist auch nicht ganz einfach. Aber die haben aber eine sehr, sehr schwierige Vergangenheit gehabt. Man kann auch sagen, die sind komplex traumatisiert worden. Also gab es sehr, sehr viele Situationen, in denen sie nicht gesehen wurden, nicht wertgeschätzt worden sind. Egal, ob es jetzt um Autonomie geht, um Nähe geht oder so weiter und so fort. Das macht sich eben auch bemerkbar. Das, was du so ein bisschen auch beschreibst, ist dieser Ambivalenz-Konflikt zwischen Nähe und Distanz. Also ich wünsche mir ja Nähe, aber ich habe auch Angst davor. Und die Angst unbewusst, das macht es eben dann auch so speziell. Das kann auch in einer normalen Partnerschaft sein, weil das eben sehr früh passiert. Im ersten Lebensjahr, wenn man das eben nicht mehr bewusst hat. Und dann kommen eben vielleicht die Strategien. Der hat mich ja nicht mehr lieb, zum Beispiel. Auch eben, auch in einer Partnerschaft. Oder es können ja auch andere Störungen auftreten, wie, ach, ich habe ja gerade gar keine Lust und ich habe Kopfschmerzen, möchte keine Intimität haben oder was auch immer. Das kann im Prinzip schon alles möglich sein. Und das ist halt eine sehr tiefe Ebene, die Angst vor Nähe. Weil sie eben durch das Auftreten im ersten Lebensjahr schon sehr hoch unbewusst sind. Wie gesagt, die Strategien, haben wir gesagt, sind jeweils unterschiedlich. Und da kann man das eben auch vermeiden. Und mache brauchen eben dann die Distanz, um sich auch selbst zu stabilisieren, darf man auch nicht vergessen. Zum Beispiel bei Borderlinern ist es eben auch, oder kann es zumindest so sein, dass die, auf der einen Seite brauchen sie die Nähe. Und wenn sie die Nähe aber nicht mehr haben, dann sind sie ja, Distanz ist auch erstmal schön, aber dann wollen sie wieder die Nähe haben. Also wenn sie Nähe haben, sind sie eigentlich auch nicht richtig glücklich. Sie brauchen die Konflikte, um wieder in Distanz gehen zu können. Wenn sie in Distanz sind, sind sie aber auch wieder, hm, dann vermissen sie wieder die Nähe. Und das ist eben so ein Wechselspiel zwischen immer wieder, Nähe und Distanz, Nähe und Distanz. Weil ich mich ja eben auch damit selbst stark beschäftigt habe. Ich weiß eben schon, dass, also zu meiner Zeit, heutzutage ist es oftmals ein bisschen anders in der Eltern-Kind-Beziehung, aber zu meiner Zeit stand halt nicht unbedingt die Bindung der Mutter zum Kind im Vordergrund, sondern gerade im DDR auch, mehr oder weniger die Erziehung durch den Staat. Und das hat eben auch irgendwo Auswirkungen. Also ich möchte nicht wissen, wie viel in Wirklichkeit auch in einer normalen Partnerschaft auch Angst vor Nähe haben, was man eben nicht so sieht, sondern was eben nur indirekt vielleicht nur funktioniert.
M: Weil es gibt ja auch genug sozial angepasste Verhaltensstrategien, die dann trotz bestimmter Ängste einfach ein, eben das, was als normal angesehen wird, Verhalten dann ermöglichen. Auch wenn im Endeffekt innere Probleme oder Widerstände sind, die dann vielleicht erst über lange Zeit hinweg dann mal irgendwann aufbrechen, weil so nach außen hin sehen viele Beziehungen glücklich, zufrieden aus, weil man meistens eben nicht die innere Seite wirklich von den Personen sieht, wie gut es ihnen tatsächlich in der Beziehung dann jeweils geht.
T: Genau.
M: Gehen wir noch einen Schritt weiter. Thema Beziehung. Bei dir ist es so, also du hast ja im Endeffekt eine oder mehrere Beziehungen gehabt schon oder dein aktueller Status ist allerdings im Moment wieder Single. Wie geht es dir im Moment damit?
T: Genau. Also ich hatte nur eine Beziehung gehabt und da hat sich ja meine Partnerin auch damals von mir getrennt. Ja, es war auch natürlich nicht schön. Also nee, die Trennung hat mich da auch schon sehr stark mitgenommen. Kann ich nicht sagen. Ich hatte halt doch Monate auch echt damit zu tun gehabt. Aber auf der anderen Seite hat es eben auch wieder das Positive gehabt. Das Positive ist immer die Erkenntnis und die Erfahrung, weil ich eben auch sehr stark an meiner eigenen Psyche interessiert bin, habe ich mich dann eben auch um meine Bindungsdramatisierung gekümmert. Ohne die Trennung wahrscheinlich auch nicht, weil ich muss ja erst mal die Erfahrung machen, um mich auch diesen Thematiken zu widmen zu können. Und wichtig ist auch immer zu verstehen, oder was ich im Laufe der Vergangenheit auch gemerkt habe, also es kommen nicht alle Themen auf einmal. Es kommt immer ein Thema und wenn das Thema so ein bisschen bearbeitet ist, dann kommt eben das nächste. Also gerade bei meinen Ängsten habe ich es ja auch gehabt. Also am Anfang hatte ich eben stark mit Angst vor Ablehnung und Minderwertigkeitsfühlen, war total mein Schwerpunkt gewesen. Und da habe ich mich eben zuerst drum gekümmert. Und das hat sich eben im Laufe ein bisschen verändert, nachdem mich das gut im Griff hat. Gut kommt jetzt eben die Frühkindstörung dran, eben alles, was in Bindung ist. Ja, wenn du mich fragst, wie es mir geht, ich sage mal so, ja, ich bin ganz glücklich auch alleine zu sein. Ich wünsche mir natürlich eine Partnerin. Ich bin da auch mehr oder weniger aktiv dran. Sage ich mal, hat sich bis jetzt auch noch nichts ergeben. Aber im Prinzip, ich genieße auch meine Freiheit und Autonomie. Klar, habe ich Sehnsucht. Ich kann auch nicht sagen, nö, habe ich nicht. Ich habe das aber mir geht es trotzdem auch gut.
M: Ist das ein Unterschied gegenüber früher, also wo du vielleicht noch nicht so stark in den Bindungs- und Angstthemen das aufgearbeitet hattest? Fällt es dir jetzt tatsächlich deutlich leichter, mit der Situation so, wie sie ist, umzugehen? Und zum einen Rauszugehen und auch in Kontakt mit anderen Menschen zu gehen? Es geht ja nicht nur das eine Partnerin ist, es ist ja auch so, wenn wir mit anderen Menschen in Kontakt gehen. Du hattest vorhin ein bisschen erzählt, also vorher war sozusagen ein Fluchtpunkt eher Online-Spiele, Online-Gaming, wo man auch das Gefühl hatte, nicht ganz alleine zu sein. Weil es gibt ja auch genug Online-Spiele, wo man zusammen mit anderen Leuten spielt und was macht. Oder bist du eher Singleplayer gewesen, um irgendwas zu machen? Also gab es da schon so die Möglichkeit, sagen wir eben, das Einsamkeitsgefühl nicht tragen wurde, sich entweder in die Welten abzutauchen oder tatsächlich mit anderen Menschen gemeinsam aktiv zu sein?
T: Naja, ich sage es mal so, ich war dann doch, es hat sich so ein bisschen entwickelt zum Singleplayer. Also ich sage mal so, früher habe ich dann auch viel mit meinen Freunden gespielt. Das hat sich ja dann natürlich verändert. Die haben Familie gegründet. Und so habe ich mich dann auch hauptsächlich fokussiert auf die Spiele, die ich mag, sondern hauptsächlich Strategie oder so. Also ich war größtenteils auch alleine unterwegs, sage ich es mal so. Und was ich jetzt eben, sagen wir mal, ich weiß ja, das war früher eine reine Kompensationsstrategie, was ja auch für mich sehr sinnvoll war. Absolut. Ich meine, ich habe ja auch ein schönes Leben gehabt. Darf ich auch sagen, ich war nicht unglücklich, ich war nicht traurig, nee ich war eigentlich sehr glücklich. Das liegt aber ein bisschen bei mir begründet, weil ich ja mittlerweile weiß, ich habe das alles abgespalten. Also es war direkt im Unterbewusstsein, war mir auch gar nicht so bewusst. Und die Kompensationsstrategien haben das natürlich alles aufrechterhalten, dass ich mich selbst natürlich nicht spüre. Dass die Bedürfnisse nicht wahrnehmen, logischerweise. Psychologisch weiß ich natürlich, Dopamin wird ausgeschüttet, auch Oxytocin wird ausgeschüttet und das macht ja auch glücklich. Heutzutage, nee, Computerspiele brauche ich eigentlich nicht mehr. Ich habe mich insofern schon geändert. Also mir sind heutzutage die sozialen Kontakte sehr wichtig im Gegensatz zu früher. Das ist jetzt so ein bisschen auch, was mit der Veränderung einherging. Früher war ich tatsächlich mehr darauf fokussiert, ich mache mein Ding alleine. Sagen wir mal, Computerspiele alleine und so weiter. Aber heutzutage, nee, das erfüllt mich auch nicht mehr so. Also ich mag es tatsächlich auch mit anderen Menschen eben zusammen zu sein. Reicht auch, wenn ich mal in der Stadt bin, mal durch die Stadt laufe oder so. Das hat sich da schon geändert auch.
M: Die sozialen Kontakte, die du aktuell dann suchst oder genießt, wie sehen die aus? Nach welchen Kontakten? Weil es gibt ja sehr unterschiedliche Formen. Ich zum Beispiel suche eher sehr stark nach intellektuellen Kontakten, die sich auch mit bestimmten Themen befestigen, wo auch ein bisschen Resonanz zu kommen, über Dinge zu diskutieren. Aber es gibt ja durchaus unterschiedliche Formen, was sozialer Kontakt angeht. Was gemeinsames Erleben, was gemeinsames Unternehmen. Also welche sozialen Kontakte stehen für dich so im Fokus aktuell?
T: Ich fokussiere mich schon, sagen wir mal, bei neueren sozialen Kontakten, dass die auch ein bisschen passen eben klar zu Psychologie, Heilpraktiker, sage ich mal Spiritualität. Das sind auch Themen, die mich bewegen und ich mich dann natürlich auch austauschen kann. Ich habe natürlich auch andere Freunde, mit denen habe ich mehr Spaß. Beim Dartspiel, alles klar, alles wunderbar, das ist aber eher eine andere Richtung. Aber was jetzt normal ist, sind es eigentlich doch Menschen, die jetzt auch in meiner Richtung unterwegs sind. Oder jetzt, sagen wir mal, auch andere Menschen, die ich vielleicht auch ein bisschen was erzählen kann, ein bisschen unterstützen kann in dem Sinne, die da auch gegenüber aufgeschlossen sind. Ich meine, klar, weil ich ja ein bisschen auch spirituell unterwegs bin, auch Qigong oder so weiter und Meditation mache. Also unterhalte ich mich natürlich auch gerne mit den Menschen, die natürlich auch das Gleiche machen. Weil sonst haben wir ja auch keine Schnittmenge. Das ist ja immer das Wesentlichste bei irgendwelchen Kontakten haben wir dann auch eine Schnittmenge, wo wir uns unterhalten können. Das ist aber momentan auch noch ein bisschen in der Aufarbeitung, sagen wir mal. Ich versuche jetzt auch gerade durch den Heilpraktiker auch viele neue Kontakte zu knüpfen, sage ich mal. Und da bin ich ja eben auch dran.
M: Du hast jetzt schon öfter das Wort Spiritualität verwendet. Und letztlich verstehen Menschen ja sehr unterschiedliche Sachen darunter. Hast du für dich eine gute Definition, wie du das sagen könntest, was ist für dich das Thema Spiritualität? Also worum geht es dabei und was umfasst es für dich?
T: Das ist eine sehr interessante Frage und da gebe ich dir Recht. Spiritualität ist eigentlich so ein Schlagwort, wo keiner weiß, was damit gemeint ist. Ich verwende es auch. Aber gut, ich habe ja für mich meine Definition, sagen wir mal, gefunden. Also für mich ist es eigentlich auch, dass ich mich selbst spüre, mich selbst wahrnehme, meine Lebensenergie auch, sagen wir mal, wahrnehme und Meditation mache. Also bei mir steht wirklich im Fokus auch die Verbindung erst mal zu mir selbst. Also das höhere Selbst, soweit bin ich noch nicht. Manche sagen ja, okay, sie haben eine Verbindung nach oben. Nee, das habe ich noch nicht. Deswegen ist das für mich jetzt noch keine Erfahrung, die ich gemacht habe, aber gerade durch das Qigong. Also das bewirkt unheimlich viel und da bin ich auch, weiß ich nicht, da kam mal auch wieder so einen Gedanken, aber das ist wahrscheinlich immer so, wenn man gut drauf ist und einen guten Kontakt zum Unterbewusstsein, da kommen dann eben Gedanken an. Qigong ist für mich wirklich gut, weil es mich auch selbst balanciert, ohne dass ich jetzt irgendwas großartig tun muss, sondern das geht, Qi heißt ja Lebensenergie, schenkt mir eben auch viel Kraft, viel Energie, mache ich jeden Morgen. Das sorgt eben auch für einen guten Start. Ich merke eben, bin einfach auch besser drauf. Weniger Ängste. Das ist einfach, das ist eigentlich ist ja wie Magie, weil es funktioniert total unbewusst. Auch wenn ich Übungen mache, mich entsprechend ein bisschen zu fokussieren, mich auf meine Energie zu fokussieren und dann funktioniert das alles ganz alleine.
M: Vielleicht, falls ein paar Zuhörer dabei sind, die noch nicht so viel von Qigong gehört haben. Soweit ich weiß, ist es vor allen Dingen eine Art Bewegungsabläufe, die du sozusagen gelernt oder beigebracht bekommen hast, die halt irgendwie sehr langsam und achtsam abfolgen. Ich weiß nicht, wie strikt sozusagen die Bewegungen sind oder ob man da frei Sachen kombinieren kann. Und ansonsten ist es eben, das ist dann sozusagen eine Art Meditation, eine Art Bewegungsmeditation, in der du auch eine innere Leere, also klar, es können Gedanken auftauchen, aber es ist jetzt nicht Ziel, über irgendwas nachzudenken, sondern es ist eher, ich glaube, nach innen zu horchen wahrscheinlich und der Bewegung zu folgen. Oder wie würdest du es Qigong jemandem erklären, der es noch nicht gemacht hat?
T: Okay, also Qigong ist erstmal frei. Also das heißt, es gibt nicht so eine zwanghafte Reihenfolge, weil es hunderte von Qigong-Schulen gibt und die haben alle die Übungen gewissermaßen für sich selbst interpretiert. Deswegen, wenn egal welche Übungen man macht, sei es, dass man hier die fünf Elemente macht oder Shibashi, ich sage mal die 18 Übungen der Harmonie, die wird gegebenenfalls immer mal ein bisschen anders sein. Je nachdem, wer sie zeigt. Also das ist erstmal die Grundlage. Im Hintergrund steckt ja immer die traditionelle chinesische Medizin und hier geht es immer um den Energieausgleich. Und deswegen ist es aber in erster Instanz nicht streng. Klar gibt es Übungen, ich habe meine Übungen, die mache ich in der Reihenfolge, dazu gehört aber auch eine gewisse Visualisierung, das zum Beispiel viel mit Energie, goldene Kugel zum Beispiel, in Dantian, visualisieren, wie sie im Körper aufsteigt und so weiter oder positive Energie in den Körper reinfließt, anderes zum Füßen wieder rausfließt, was man nicht brauchen kann. Das gehört alles dazu, da gibt es spezielle Übungen dazu. Hintergrund ist ja, wie gesagt, die traditionelle chinesische Medizin und das heißt, es gibt bestimmte Meridiane, die auch für bestimmte Sachen zuständig sind. Leber, Niere, Wasser, Holz, je nachdem. Das eine ist halt mehr für vielleicht Stress gedacht, das andere ist vielleicht, die Übungen sind vielleicht besser für Depressionen gedacht. Es gibt sehr viele verschiedene Sachen. Ich fokussiere mich eigentlich hauptsächlich auf meine Energie. Ich muss aber auch sagen, es hat gedauert. Also bis ich das gespürt habe, drei Monate, ich war aber dran, ich wollte das unbedingt machen, aber bis ich da so die ersten Effekte überhaupt mal gespürt habe, also eben, also für mich, das hat mich dann natürlich weitergebracht, weil dann kannst du das immer mehr wahrnehmen. Wenn du einmal hast, regelmäßig Übungen, dann wird das ja auch immer mehr. Also ich kann das eben tatsächlich, also wer sich dafür interessiert, andere machen vielleicht eher Yoga, ist auch okay. Ich bin halt mehr der Qigong-Freund und allgemein würde ich es so erklären, es sind tatsächlich auch sehr langsame Übungen, sehr langsame, achtsame Übungen auch teilweise, weil es viel um das Spüren geht. Meditation gehört vielleicht auch dazu, der meditativen Zustand ist auch Fokus, aber hier geht es tatsächlich immer um die Langsamkeit. Ein bisschen schneller, ein bisschen kämpferisch. Man sagt auch, hier wird mehr das Yang, also mir die Aktivität gefördert, wäre dann das Tai Chi, wo es eben wirklich bewegter zugeht. Aber Qigong ist eben auch sehr langsam und es hat eben den Vorteil, spezielle Übungen kann man auch nur im Sitzen machen, auch gut. Oder zum Beispiel, wenn man jetzt gerade vielleicht mal ein bisschen älter ist, man ist vielleicht auch nicht mehr so gelenkig, hat vielleicht auch mal Schmerzen im Knie, wo auch immer, kann nicht mehr so bewegen. Gibt es eben Übungen, die man auch nur so machen kann, ja, ohne dass man eben sich komplett bewegt. Das ist eben das Schöne. Also ich mache es von meiner Seite aus gerne mit Bewegung. Paar Tai Chi Übungen habe ich auch mit dabei, also ich mag es tatsächlich, mich hier auch zu bewegen. Das bevorzuge ich auch. Aber nichtsdestotrotz sind die Übungen alle sehr langsam, weil immer der Atem ist mit verbunden. Hier geht es ja immer nicht um, (schnelle Atemstöße) sondern langsam einatmen und ausatmen. Das verbindet sich eben mit den Übungen.
M: Okay, danke für die Erklärung. Es erinnert mich ein bisschen aus meinen Seminaren, weil wir haben da auch verschiedene Atemtechniken dann gehabt, also jetzt noch keine Bewegung, sondern wo es vor allen Dingen auch während der Atemtechnik darum ging, bestimmte Spiralen oder irgendwas Mentalisieren, wie sich halt bestimmte Energiebahnen oder bestimmte Energie dann sozusagen durch den Körper bewegt und ob sie gerade raus oder rein strömt, je nachdem mit, eben verbunden mit der Atemtechnik, die wir da ausprobiert haben. Ich glaube, das war auch angelehnt an das Buddhistische, wo es eben verschiedene Atemtechniken gibt. Aber genau, in verschiedenen Seminaren begegnet einem halt irgendwelche eben, ich benutze jetzt auch mal den Begriff spirituelle aufgeladene Ideen, die dann halt solche Bilder oder solche Bewegungen eben unterstützen sollen, um die Menschen irgendwie auch letztlich eben wieder zu sich ins spüren bekommen. Das heißt, dass ich meinen Körper wahrnehme. Das heißt, dass ich merke, dass da irgendwas passiert und dass dieser Körper lebendig ist. Prana ist ja auch mit der Lebensenergie und der Atemenergie, dass das dann verflochten ist und solche Sachen, die ich dann da zumindest assoziiere, wenn du das so beschreibst.
T: Prana ist im Prinzip ein anderes Wort. Kommt glaube ich auch aus dem Hinduismus. Wird glaube ich auch im Yoga, glaube ich, verwendet. Irgendwo im China heißt eben oder im Qigong heißt eben Qi, Lebensenergie. Andere nutzen vielleicht auch das Wort Leben oder Liebe oder es kann auch ein anderes Wort dafür nehmen.
M: Ich hatte noch auf deiner Webseite gesehen, dass du da verschiedene Fragen aufgestellt hast und eine, die Frage, die dir viel Antrieb gibt, ist die Sinnfrage oder die Sinnfrage nach dem Leben oder beziehungsweise der Sinn des Lebens. Da würde mich ja vor allen Dingen interessieren, wie ist das aktuell? Weil ich merke so, diese Sinnfrage ist für mich immer so eine Ambivalenz, weil in dem Moment, wo ich anfange, nach dem Sinn zu fragen, fange ich vor allen Dingen an, die Dinge in Frage zu stellen und es wird dann schwierig, den Dingen Sinn zu geben. Also zu sagen, okay, ist das jetzt sinnvoll, ist es nicht sinnvoll und was ist das Kriterium dafür? Also da würde mich sehr interessieren, wie ist denn im Moment, also hast du eine Antwort oder geht es eher um die Suche? Also wie funktioniert die Frage für dich?
T: Also Sinn ist sehr persönlich und es darf jeder seinen eigenen Sinn finden und auch seine eigenen Worte finden, weil Worte sind dann mit Interpretation gefüllt. Das heißt, für mich ist eigentlich jetzt der Sinn des Lebens innerer Frieden. Aber das hat für mich nur eine Bedeutung, was ich auch da rein interpretiere. Ganz wichtig. Andere denken vielleicht was ganz anderes. Also für mich bedeutet es ganz einfach Ausgeglichenheit, Balance und vor allen Dingen Frieden mit meinen inneren Anteilen. Das ist vielleicht, sage ich mal, auch das Wichtigste, weil ich bin eben auch, oder sage ich mal, so ein Freund geworden. Also ich möchte nicht mehr gegen meine inneren Anteile kämpfen. Das ist nämlich auch das, was uns im Prinzip im Weg steht. Das ist, umgangssprachlich kann ich auch sagen, wir kämpfen ja gegen unsere Angst. Wer eine Angst hat und sagt, die Angst darf nicht sein, macht erstmal automatisch einen unbewussten Widerstand dagegen. Völlig normal. Deswegen ist aber mein Ziel, nee, sanfte Bekleidung, das wahrnehmen, auch meiner kindlichen, vulnerablen Anteile annehmen und die dürfen auch sein. Die sind selbstverständlich auch traurig und denen geht es auch beschissen manchmal. Aber hier steht vor allen Dingen immer der Fokus, nee, ich möchte sie aber nicht mehr in der Ecke sperren, weil dann fühlen sie sich einsam und ich fühle mich dann einsam. Wenn ich sie aus meinem Leben aussperre und sage, du darfst nicht sein, weil du mir schlechte Gefühle bereitest, wird es nicht besser. Das ist so ein bisschen auch mein Ziel. Es ist aber ein Prozess. Also ich kann auch nicht sagen, ich bin jetzt hier supermäßig, ich habe alles verändert, bin top drauf. Nö, kann ich das nicht. Aber für mich ist es halt ein Prozess und auch ein Ziel, mich immer weiter eben auch dahin zu entwickeln, immer bewusster zu machen gegenüber meinen inneren Anteilen und eben auch Frieden damit zu schließen, dass die Anteile auch Frieden haben können, dass ich nicht kämpfe. Also ich habe ja auch viel mit Meditationen gemacht, ich war auch in Therapie und das ist dann schon erstaunlich, wenn man erstmal merkt, nee, ich kämpfe ja eigentlich immer nur gegen mich selbst. Eigentlich will mein inneres Kind ja auch mit mir sein. Und das ist dann schon, habe ich dann auch mal aufgelöst, dann habe ich eben auch gedacht, eigentlich kämpfe ich ja gegen mich selbst. Das möchte ich aber eigentlich nicht mehr. Ich möchte Frieden. Also innere Frieden im ersten Fall für mich selbst. Andere sagen vielleicht Glück oder Liebe oder wie auch immer. Also ich bin dann nach innen fokussiert. Was du jetzt gemeint hast mit nach außen, ist ein bisschen schwierig. Sagen wir mal, es gibt natürlich Tätigkeiten, die vielleicht Sinn bringen oder auch sinnlos sind. Das gehört aber eben zum Leben dazu. Da gibt es auch keine richtig und falsch. Wir sind zwar Sinnwesen, also wir suchen unbewusst immer nach einem Sinn. Machen wir unbewusst irgendwo immer. Wir versuchen immer einen Sinn in unseren Aktivitäten oder Tätigkeiten zu finden. Und führen dazu natürlich dann Erklärungen, warum wir so etwas machen. Manche sind nur logisch rational und manche gehen halt in die Tiefe, werden von Gefühlen gesteuert oder auch nicht. Da sind wir alle ein bisschen unterschiedlich veranlagt, aber wir versuchen eben immer irgendwo allen einen Sinn zu geben. Nur im Nachhinein interpretieren wir es meistens so, naja, das war jetzt ja eigentlich sinnlos. Das hättest du dir sparen können.
M: Das ist im Endeffekt, wenn wir dann eben im Nachhinein in die Bewertung gehen und vor allen Dingen nicht aus der Perspektive, aus der wir heraus entschieden haben, sondern aus dem Wissen, das wir dann danach haben und dann natürlich zu anderen Schlüssen kommen können, die wir aber zu dem Moment gar nicht zur Verfügung hatten, wo wir es uns dann sehr schwer machen. Weil das ist etwas, was ich eben auch auf meinem, bin gar nicht sicher, also auf meinem Weg hat sich auf jeden Fall sehr stark verstärkt nochmal, dieses Thema nicht mit sich selber in den Konflikt zu gehen und sich selber eben dann aufzuspalten, Teile abzutrennen und zu sagen, das ist nicht in Ordnung, das darf ich nicht haben, das darf nicht da sein und so weiter und sich eigentlich dann sozusagen Scheibchenweise zu zerlegen, ohne vollständig zu werden. Sondern eigentlich für mich war ja auch so ein wichtiger Punkt, bestimmte Aspekte wieder zu integrieren, die vorher halt abgespalten und unterdrückt waren, notwendigerweise aus verschiedenen Erfahrungen heraus. Und da ist für mich dann eben so der innere Frieden oder die innere Ruhe, das Annehmen von den Dingen, die da sind und einfach zu akzeptieren, dass sie da sind und letztlich nicht die Energie darauf nutzen zu müssen, dass man die irgendwie in Schach hält, wenn sie eben, für mich ist das dann immer so dieses Transzendieren, das Aufnehmen, Annehmen und dann aber auch für das, was ich machen möchte, nutzbar zu machen. Das heißt, dass sie nicht destruktiv irgendwas mich blockieren oder verhindern, sondern dass ich eben diese Energie, die da blockiert ist, eben dann wieder in den Kreislauf zurückbringe, in den Fluss bringe und dann eben für das, was ich machen will. Und da ist sozusagen dann immer die äußere Sinnfrage, was ist für mich, also eben das ist eben meine persönliche, auch der Struggle immer mit dieser Frage oder inzwischen die Frage, weil auf der einen Seite wäre es so schön, sie so einfach beantworten zu können und auf der anderen Seite finde ich nie eine Antwort, die für mich wirklich befriedigend oder schlüssig ist, weil sie an irgendeiner Stelle ist sie halt immer komplett willkürlich gesetzt. Also die einfachste Antwort, die ich für mich immer habe, ist, der Sinn des Lebens besteht darin, es zu leben, aber diese Ansage ist genauso tautologisch wie nichtssagend, weil dann kommt immer sofort die nächste Warum-Ebene und die kommst du ja nie raus, weil du kommst ja nie ans Ende eines Warums. Du kannst nur irgendwann akzeptieren, es ist jetzt, wie es ist und dann einfach aufgrund von anderen Grundlagen zu entscheiden, was mache ich jetzt als nächstes. Ich habe Hunger, ich habe Lust, was zu essen, ich gehe jetzt essen, fertig. Ich mache mir jetzt keinen Grund oder keinen weiteren Gedanken darüber, ob es jetzt sinnvoll ist, was zu essen, sondern ich will das jetzt einfach, ich entscheide das einfach. Und das ist ja für mich eben so, also aus dem Philosophischen heraus immer sehr spannend, mit dieser Frage umzugehen und zu gucken, wie Menschen diese Frage für sich bearbeiten, nutzen oder nutzbar machen. Deswegen ist danke für die Rückmeldung, wie es sozusagen für dich ist und interessant zu sehen, wie stark die sozusagen für dich auf das Innere wirkt, während sie für mich eben sehr stark in das Außen getrieben ist, sozusagen das, wie man eben diese Frage nutzt. Deswegen ist es sehr, sehr spannend. Da würde ich dann gerne einen Schritt weiter gehen, weil du hast ja eben inzwischen mit dem Einstieg als Heilpraktiker für Psychotherapie, da hast du ja auch deine Webseite online gestellt und stehen ja auch ein paar Informationen drin. Und eine Methode, die du dort besonders nutzen möchtest oder anbietest, ist diese Gesprächsführung nach Rogers. Da würde mich interessieren, wie bist du damit in Kontakt gekommen und was ist da für dich so der elementare Baustein, der die für dich so spannend macht? Weil ich habe schon ein bisschen natürlich auf deiner Webseite spioniert und geguckt. So dieser Aspekt für mich, wenn ich mir das übersetze, ist, du kannst dich als Therapeut komplett reinschmeißen mit allem, was du hast. Und es geht vor allen Dingen auch gerade um das Annehmen. Das hast du ja sozusagen in mehreren Facetten immer wieder erzählt, wie es darum geht, deine alten abgespaltenen Anteile zu integrieren, so anzunehmen und so. Also es spiegelt für mich so ein bisschen die Geschichte, die du selber in deiner Arbeit und Entwicklung gemacht hast, wieder zu sagen, dem Klienten helfen, seine eigenen Lösungen zu finden und zwar seine Lösung, nicht von außen mit Ratschlägen drauf zu hauen und dann eben, ich sage es jetzt mal in meinem Begriff, wieder vollständig zu werden.
T: Genau. Das hast du jetzt wunderbar formuliert. Gibt es eigentlich jetzt nicht mehr viel zu sagen. Also für mich war es vielleicht auch sehr interessant, weil es hier auch viel um Gefühle geht. Und es geht vor allen Dingen auch immer um das Wahrnehmen und das Spüren auch des Körpers. Was macht das mit dir? In der Therapie tauchen wir dann natürlich ein, auch in die Ängste. Was steckt zum Beispiel darin, dahinter? Das kommt mir natürlich sehr entgegen, weil ich das ja für mich selbst auch schon gemacht habe. Aber was jetzt bei Rogers, sage ich mal, faszinierend ist, er hat eben gesagt, wenn wir uns den Klienten vollkommen öffnen und hier auch authentisch in Kongruenz sind, dann kann sich auch der Klient so zeigen, wie er ist. Und dann lösen sich eben die Inkongruenzen auf. Also ich übersetze das jetzt mal, weil da doch so ein paar Fachbegriffe sind. Also im Prinzip geht es in der Therapie darum, dass der Therapeut, das heißt ich, ehrlich bin und auch sagen kann, wenn mir etwas nicht gefällt oder wenn ich unangenehme Gefühle dabei hätte. Das heißt erstmal auch, dass ich mich selbst gegenüber selbstverständlich auch so authentisch und kongruent wie möglich bin. Das heißt, ich verstehe meine inneren Anteile. Ich verstehe auch, was dahinter liegt und ich kann es aber auch kommunizieren. Also ich muss jetzt, das heißt nicht, dass ich jetzt zum Klienten sage, was sie gemacht haben, ist jetzt alles gut und schön. Ne, das heißt auch mal, okay, das ist jetzt aber nicht so in Ordnung, ne, was sie da gemacht haben. Das bedeutet eben auch authentisch, sage ich mal, auch an den Klienten zu kommunizieren. Hier steht eben im Fokus auch, dass der Klient komplett so wahrgenommen und so angenommen wird, wie er ist. Das heißt, mit allem, was er ist, im Prinzip, sage ich einfach mal so, wertschätzen wir alle Anteile. Egal, ob die auch mal schlecht sind oder gut sind. Es geht immer darum, dass wir den Klienten sehen, weil es hat mich damals auch schon ein bisschen berührt. Einspruch zum Beispiel, fand ich auch traumhaft. Ich habe es nur nicht erlebt. Einspruch war zum Beispiel: Vielleicht bin ich der erste Mensch, der dich jemals wirklich sieht. Weil ich denke mir immer, okay, auch in unserem Sektor, wie viele Menschen sind doch tatsächlich noch nie gesehen worden. Wie viele Menschen waren noch nie in ihrem Schmerz, haben noch nie ihr inneres Kind gesehen. Noch nie, was auch dahinter liegt. Und das ist schon, denke ich, auch schon eine sehr eindrucksvolle Erfahrung auch manchmal. Ja, kann natürlich auch sehr schmerzhaft sein. Aber vielleicht auch mal die Dinge auszusprechen, die man vielleicht noch nie jemandem gesagt hat. Das ist so ein bisschen die Basis. Und hier geht es immer darum, alles wertzuschätzen. Weil alles darf auch sein. Jeder hat das Recht, auch da zu stehen, wo er steht. Das ist vielleicht ganz wichtig. Also wir gehen, wir sind zum Beispiel auch nicht so jemanden, die sagen, du musst, du sollst. Wir geben dir Lösungen vor oder Ratschläge. Das ist jetzt nicht der Schwerpunkt. Weil wir gehen auch davon aus, dass in jedem Klienten das Wissen steckt. Und auch der richtige Weg. Also ja, habe ich auch. Kenne ich auch von mir. Absolut. Es ist natürlich immer ein bisschen tricky, weil man muss den Punkt immer kriegen, wenn dann so bewusst neuen Gedanken schickt. Einen, den du noch nicht hattest, den auch dann zu realisieren. Aber im Prinzip liegt immer die Lösung in uns. Wir wissen unbewusst immer, was uns gut tut. Nur wir können es ja tatsächlich dann auch sagen, nee, dann ist bewusst, nö, machen wir nicht. Aber das Unterbewusstsein ist immer für uns. Und das ist so ein bisschen auch der Hintergrund, das eben aufzudecken. Und was ich eben gesagt habe, Inkongruenz, das wären ja dann eigentlich schon die unbewussten Anteile im Hintergrund. Also gerade, was ich auch eben mal gesagt habe, die Ambivalenz ist zum Beispiel zwischen Nähe und Konflikt oder gerade, wenn ich auch abgespalten oder unterdrückte Anteile habe, das sind ja dann inkongruell. Also wir verhalten uns ja nicht gleich zu unserem authentischen Wesen, sondern wir haben eine Strategie entwickelt, um irgendwas zu erreichen. Und die Strategie ist aber eine Strategie. Die entspricht nicht unserem authentischen wahren Selbst. Und das ist so ein bisschen das Ziel. Und weil ich mich ja eben auch mit Spaltung beschäftigt habe, ist mir klar, das ist eine Inkongruenz. Ich habe ja irgendwas abgespalten, logischerweise war zu schmerzhaft, aus Überleben und habe eben mich in eine andere Richtung weiterentwickelt. Das gilt es eben auch in der Therapie vielleicht mal sichtbar zu machen. Dass es eben dann auch andere Wege gibt, wo man nicht mehr die kleinen Strategien fahren muss.
M: Was ich sehr oft erlebt habe, ist diese Schwierigkeit, dass die Menschen sich sehr stark mit den Strategien identifizieren und sozusagen die Strategie als Identitätsbestandteil sozusagen definiert haben. Von wegen, ich bin so und so, also zum Beispiel ich habe einen Charakter X und bin Choleriker. Und deswegen muss ich im Endeffekt aufbrausend reagieren und wütend werden. Also sozusagen nach außen agieren. Dabei ist eben die Strategie, jetzt auf den Tisch zu hauen, zu schreien und so weiter. Das ist eine Strategie. Das ist nicht der Charakter. Ich merke auf jeden Fall, wie schwer es Menschen fällt, von einer eigentlichen Strategie, sie als Strategie zu erkennen und nicht als Bestandteil des Ichs. Also, dass sozusagen ich, meine Identität hängt davon ab, dass ich so und so agiere. Ich bin jetzt hier der Manager, ich bin jetzt hier der Chef, ich muss jetzt hier im Endeffekt klar Ton angeben. Ich darf die anderen nicht um Hilfe fragen, weil das kratzt an meinem Bild, wie ich sozusagen als Manager zu sein habe und und und. Sozusagen solche Stereotype. Genauso wie wir dann oft das Beziehungsthema zum Beispiel. Wenn so ABs so Vorstellungen haben, wie Männer sein müssten, gerade die dann vermeintlich erfolgreicher bei Frauen sind, wo sie sich keine Blöße geben dürfen. Also dürfen sie jetzt viele Gefühle zeigen, dürfen sie keine Gefühle zeigen. Ist ja heutzutage auch alles sehr stark im Wandel, aber auch sehr stark in einer gewissen, aus meiner Sicht zumindest, Orientierungslosigkeit. Weil eigentlich ist nicht so ganz klar, also wann darf Mann jetzt welche Gefühle zeigen, was ist angemessen, was ist unangemessen und überhaupt. Also das macht sozusagen ein Stück weit noch komplizierter, weil man überhaupt nicht mehr genau weiß, was sind jetzt Strategien, die vom Gegenüber als passend wahrgenommen werden, weil sich das mit jedem Gegenüber ja jedes Mal ändern kann. Und dann zu wissen, hier bekomme ich eine Freiheit rein, ich kann zwischen unterschiedlichen Strategien dann tatsächlich wählen. Das heißt, ich bin nicht auf eine Strategie festgelegt, sondern ich bekomme einen Freiraum zu merken, ah Moment, ich kann mit diesem Impuls, der jetzt gerade hochkommt, komplett unterschiedlich agieren.
T: Ja, das ist ein schöner Einwand. Aber ich denke, das ist auch immer ein Lerneffekt, weil zuerst muss es erst mal bewusst gemacht sein, nee, wir haben doch alle immer noch unsere Strategien. Das ist klar. Aber zuerst geht es immer darum, das bewusst zu machen. Also, weil erst wenn ich es weiß, das ist eine Strategie und ist eine Angst, Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen, kann ich damit auch interagieren und kann es auch verändern. Dann kann ich auch andere Möglichkeiten, sag ich mal, in meinem Leben willkommen heißen und kann ein völlig neues Leben eben, sag mal, auch gestalten. Das ist aber normal menschlich und solche Strategien, die sind auch überlebensnotwendig. Also, sag ich mal so, wir sind ja auch alle in einem sozialen Kontext verhaftet. Wir leben in einer Kultur. Wir leben vielleicht, egal mit welchen anderen Menschen zusammen, wir haben eine Arbeit, wir haben Freunde. Wir müssen uns gewissermaßen auch anpassen. Das ist auch ein unbewusstes Ziel. Wir wollen ja immer auch mit anderen interagieren. Dazu heißt eben auch Gruppenanpassungen oder Strategien zu entwickeln, die auch zu der Gruppe passen. Sonst können wir mit den anderen logischerweise vertragen uns nicht. Also, ich sag mal so, wenn ich Qigong mache und gehe in eine Yoga-Gruppe, hm, okay, aber dann funktioniert das irgendwie nicht. Also, entweder ich möchte in die Yoga-Gruppe rein, dann mache ich Yoga, aber nur, weil ich in die Gruppe rein möchte. Oder ich sage, nee, nee, also Yoga ist nichts für mich. Ich suche mir eine Qigong-Gruppe und dann mache ich damit Qigong. Und das ist meine bewusste Wahl. Je nachdem, was man eben für Ziele hat. Aber das ist durchaus auch menschlich, diese Strategie. Das kriegen wir auch nicht, denke ich, das wäre eine Utopie. Davon auszugehen, dass wir jetzt vollkommen uns zu 100 Prozent wahrnehmen können, alles spiegeln können. Rogers nannte es dann die full-fiktionale Personality. Das ist aber, hat er auch geschrieben, das ist nur eine Utopie. Also, niemandem ist es möglich, sich zu 100 Prozent, sagen wir mal, komplett auch alles zu reflektieren, komplett wahrzunehmen, alle Probleme und so weiter zu lösen. Sondern es ist nun mal immer ein immerwährender Prozess. Was eben dahingehend bei den Strategien auch noch sinnvoll oder wichtig ist zu verstehen, wir passen durch die Anpassung unserer Strategie, sage ich mal, aufrechterhalten oder auch nicht. Also, ich sage es mal so, auch Beziehungen haben mich ja auch beschäftigt. Sagen wir mal, ein Führungspartner braucht einen Abhängigen. Sonst funktioniert die Beziehung nicht. Ein Narzisst braucht einen Komplementärnarzissten. Sonst funktioniert das nicht. Das sind unbewusste Muster. Die kommen immer dran.
M: Genau, da sind wir nochmal auch an dem Punkt, wobei ich das immer für einen gewissen Missbrauch von Beziehungen auch halte, wo es immer da heißt, die Beziehungen ermöglichen dir ein sehr schnelles Wachstum. Vor allen Dingen wahrscheinlich, wenn du mit Konflikt, also wenn du sozusagen nicht mit dem Partner bist, der dich in deiner Rolle sein lässt, sondern wenn du plötzlich einen Partner hast, der nicht zu deiner bisherigen Rolle passt und du dann die Entscheidung haben kannst, okay, trenne ich mich jetzt von der Person, weil sie mir zu viel Stress bereitet und meine Strategien eben sozusagen challenged und in Frage stellt oder suche ich mir die Entscheidung, ein Stück weit eine andere Strategie zu verfolgen? Weil es heißt ja nicht, dass ich als Mensch anders werde, sondern es heißt dann nur, dass ich plötzlich in Beziehungen andere Strategien finde und erfahre, mit denen ich auch interagieren kann. Ob das dann so einfach ist, das, was du halt geschrieben hast oder das, was du halt gerade gesagt hattest, mit dem Ideal oder der Utopie. Deswegen, aus meiner Sicht ist es halt wichtig, genau dieses Ideal zu haben, zu wissen, okay, was wäre dann sozusagen das, was ich mir als höchstes Selbst dann letztlich vorstellen kann, auch wenn es technisch nicht erreichbar ist, aber zumindest da dieses Strebsame zu sagen, ich kann mir immer mehr erschließen und ich kann, je mehr ich mir erschließe, ist ja auch wieder das Thema, so wie es dann mit der Interaktion mit dem Klienten und der Psychologe, je mehr der Psychologe selber wachsam und gut erläutern kann, was in ihm los ist, ohne in die Interpretation des anderen zu gehen und irgendwie mit Schuld hin und her zu schmeißen, sondern je klarer der Therapeut ist, desto klarer kann er auch dem Klienten helfen, sich selbst zu erkennen. Also sozusagen, je sauberer der Spiegel ist, desto besser ist das, was ich darin sehen kann. Wäre jetzt so meine Interpretation.
T: Ja, hast du eigentlich sehr schön zusammengefasst. Das wunderbare Metapher bringt eigentlich so ein bisschen auf den Punkt, weil es ja eben hier um Kongruenz geht. Ich denke aber, das ist auch immer eben, ist ein Prozess. Also ich meine, auch weil ich Heilpraktiker bin und natürlich auch mit anderen Heilpraktikern zusammen bin, also ja, wir sind, uns fallen natürlich unsere eigenen Probleme auch auf und deswegen ist es eigentlich auch so, dass wir uns eigentlich da auch normalerweise irgendwo ständig weiterbilden, was natürlich auch von unseren Krisen und Herausforderungen natürlich auch bewältigen kann. Aber es dauert eben auch seine Zeit. Nur im Normalfall sind jedenfalls die Menschen, mit denen ich zu tun habe, in der Richtung schon immer bestrebt, sich auch weiterzuentwickeln. Auch wir Heilpraktiker sind eben auch nur Menschen. Wir sind eben keine Götter in Weiß, wie manche vielleicht von Ärzten denken. Nee, das ist, mein Ansinnen ist es sowieso nicht, weil ich weiß ja, ich habe ja, ich habe ja noch Schwäche, ich habe ja noch Baustellen. Eben noch ein Mensch, aber nicht desto trotz geb ich mein Bestes, was auch mir in jeder Zeit eben möglich ist. Auch in Therapie oder wo auch immer. Also ich versuche natürlich immer, das Bestmöglichste auch für meinen Klienten zu erreichen.
M: Eine Sache, die du vorhin mit aufgezählt hast, die zumindest mit mir sehr stark resoniert, ist dieser Punkt, dieses Gesehen werden. Weil das ist etwas, dem ich, sage ich mal, auch sehr lange hinterhergejagt bin, bis ich inzwischen sage, okay, das ist auch ein eher unerreichbares Ziel, dieses tatsächlich von jemand anders, sozusagen einen 100%-Spiegel zu finden. Jemand, der mich komplett abbilden kann, wo ich erkenne, ja, jetzt fühle ich mich komplett, sozusagen, ohne dass ich jetzt noch irgendwie Details nachgeben muss oder nee, das sehe ich doch ein bisschen anders. Also paraphrasieren ist ja so immer diese Möglichkeit zu sagen, okay, was ist bei dem anderen jetzt angekommen? Und dann das Gefühl tatsächlich oder sehr groß eben bei mir auch die Sehnsucht danach, jemanden zu finden, der in der Lage ist, mich so zu spiegeln, wo ich das Gefühl habe, der hat mich jetzt richtig tief und vollständig verstanden, verinnerlicht oder was auch immer. Also er kann mich sozusagen gut abbilden. Das auch ein Stück weit wieder loszulassen, weil eben auch ein Stück weit die Unmöglichkeit, die in diesem Prozess sozusagen drin steckt, zu erkennen und zu verstehen, der Einzige, der mich so vollständig kennen kann, wie es möglich ist, das bin ich selber. Weil dazu fehlt einfach zu viel, was über Sprache, selbst über nonverbale Kommunikation nie wirklich vollständig bei dem anderen ankommen kann. So leer kann kein anderer Mensch werden, dass er sich sozusagen so viel Platz hat, um mich komplett aufzunehmen.
T: Genau. Das funktioniert logischerweise nicht, weil wir stecken nicht in den Schuhen des anderen. Wir können immer nur Teilaspekte logischerweise abbilden und was auch gerade in dem Geschehen eben drinnen steckt. Das sollte eigentlich klar sein. Gerade wenn man an die Vergangenheit denkt, jeder hat da so seine Erfahrungen, gute und aber auch eben nicht so gute. Wir als Therapeuten, wir versuchen das eben auch den Klienten eben zu sehen. Also hier geht es auch vor allen Dingen um Wertschätzung. Also ich meine, das ist eben ein bisschen schwierig, wenn man vielleicht von seinem Leben, sagen wir mal, nur Menschen kennengelernt hat, die vielleicht einen sehr oft kritisieren oder abwerten, egal ob es jetzt an der Arbeit ist oder mit Freunden oder so. Das ist dann schon ein bisschen schwierig und darum geht es auch. Und das innere Sehen ist aber logischerweise ein innerer Anteil. Denn wenn wir Bedürfnisse haben, die sehr langsam einfach frustriert sind, egal welches das ist jetzt, ob es jetzt das Gesehen werden wird oder ob es Nähe ist oder ob es Zugehörigkeit ist oder was auch immer. Wenn die sehr lange frustriert sind, dann ist natürlich der Wunsch da. Ja, ich möchte das. Und vielleicht auch, ich brauche das. Eigentlich versucht unser System ja nur zu sagen, okay, hier fehlt irgendwas. Kümmere dich mal ein bisschen darum. Und beim Gesehen werden ist es ein bisschen schwierig, weil eigentlich müssten wir uns erst mal selber sehen. Und das ist eben komplex und ein Prozess. Deswegen sage ich auch immer Frieden. Also ich möchte Frieden mit meinen Anteil. Aber da muss ich es erst mal sehen. Da muss ich erst mal sehen, okay, was liegt dahinter. Was ist vielleicht die Ursache. Damit muss ich mich eben auseinandersetzen, damit ich das eben auch innerlich nicht sehe.
M: In einem von den Seminaren, da hatten wir dann auch so in Kleingruppen gearbeitet und hatten so eine Art Resonanz. Also eben einer ist in die Mitte gekommen und so vier, fünf Personen. Und dann hat die in der Mitte die Person erst mal eben von sich erzählt. Und danach haben wir dann zum Teil gespiegelt, aber zum Teil auch so ein bisschen sozusagen tiefer zu gehen. Was nehmen wir als Resonanz sozusagen von der Person wahr, wo natürlich auch die eigenen Anteile. Und was ich da immer sehr spannend war, ich konnte mich danach immer nie daran erinnern, was ich der Person gesagt habe. Aber so dieses auf der einen Seite für mich erst mal diesen Punkt, das Gefühl, dieses sich komplett einlassen. Also wirklich, ich gehe komplett auf den anderen und lasse einfach das, was kommt, sozusagen durch mich durchströmen und so viel wie möglich bei mir abschalten, was jetzt Überlegungen, Bewertungen, Sympathie oder sonst irgendwas angeht. Ich fand es halt unglaublich spannend, so zu erleben, was da eben so alles hochkommt. Also was von mir dann gesagt wurde, was ich wie gesagt danach, ich habe dann zwar erzählt bekommen, was ich erzählt hatte und wie sehr das mit der anderen Person wieder in Resonanz gegangen ist, aber ich konnte mich an kein Wort erinnern. Also die sind dann einfach wieder verschwunden gewesen. Das ist bei mir einmal durchgelaufen. Ich konnte irgendwas erzählen, habe irgendwas gesehen, wahrgenommen, sonst was, aber ich, es ist keinerlei Abspeicherung davon. Ich weiß, dass wir diese Strukturen hatten. Ich weiß das Feedback, was ich bekommen habe. Ich kann aber mich nicht an den Inhalt der Strukturen erinnern. Das finde ich dann immer sehr spannend und finde es zumindest sehr interessant. So dieser Versuch, sich voll auf jemanden einzulassen und in dem Moment, was ich dann mit Empathie verbinde, ganz bei der Person zu sein. nicht bei mir und meinen Überlegungen und Bewertungen und Gedanken dazu, sondern wirklich so dicht wie möglich zu sein, was ist in der Person gerade aktiv. Und das irgendwie sozusagen eben, der Versuch, das zu spiegeln oder sie dabei zu unterstützen oder was für Fragen da hochkommen. Oder vielleicht auch erstmal die Frage aufzuwerfen, die die Person vielleicht noch gar nicht formulieren kann. Weil sie erzählt etwas, man merkt, da ist irgendeine Spannung, aber die Person kriegt noch gar nicht die Frage, sozusagen um die Spannung zu thematisieren oder so. Wie gesagt, das sind einfach so meine Erfahrungen so mit dem Arbeiten mit Menschen oder Situationen, die ich erlebt habe, was mich halt eben auch wieder sehr stark die Parallele zu diesem Gespräch mit Rogers halt für mich irgendwie verbunden ist, weil du ja genau diese enge Verbindung machst mit allem, was gerade da ist und nicht diese Therapeutenwand oder wie so ähnlich hast du es, glaube ich, beschrieben, dass du nicht diese Therapeutenrolle einnimmst, sondern dass du eben als Mensch vollständig da bist und auch alles, was mit dir in Resonanz geht, dann auch dem Klienten anbietest als Möglichkeit, selber wieder zu resonieren.
T: Ja, genau, da gebe ich dir recht. Das ist eben mein Ziel. Ich möchte eben ein Mensch sein.
M: Ich habe die Fragen, die ich mir so alles so vorbereitet habe, jetzt einmal durch. Jetzt ist für dich noch der Punkt, gibt es ein Thema, ein Anliegen, irgendetwas, was du noch in den Podcast reinbringen möchtest, worüber du noch was sagen möchtest oder fühlst du dich vollständig genug für heute?
T: Ich fühle mich vollständig genug. Ich hätte ja auch ein bisschen mehr über meine Vergangenheit erzählen können. Aber was ich vielleicht noch erzählen möchte, was ich jetzt auch den anderen Zuhörern erzählen möchte, die auch die Thematik haben wie Absolute Beginner. Also wenn ihr es mögt dann oder wollen wünscht, dann gebt euch bitte in Therapie. Also es kann ein Psychotherapeut sein oder ein Heilpraktiker für Psychotherapie, je nachdem, wo ihr euch wohlfühlt. Wenn ihr alleine nicht zurechtkommt, dann sucht euch bitte professionelle Hilfe. Also das ist vielleicht das Wichtigste, denn ihr seid nicht allein. Auch wenn ihr das vielleicht manchmal glaubt, dass niemand für euch da ist, aber das ist nicht korrekt. Ihr dürft eben nur manchmal den ersten Schritt machen. Den ersten Schritt in eine Zukunft. Egal wohin. Aber wenn ihr eben merkt, es geht nicht, sucht euch bitte professionelle Hilfe. Das sind wirklich ausgebildete Fachleute. Egal mit welchen Verfahren die jetzt arbeiten, gibt es ja auch Unterschiede. Aber das Wichtige ist, die haben eben meistens auch Ahnung von dem, was sie sagen. Die können euch auch weiterhelfen. Die können euch eben auch vielleicht dahin bringen, wo ihr noch nie wart, was euch wirklich hilft. Dazu möchte ich einfach mal ermutigen, hier auch den ersten Schritt zu gehen und zu sagen, ich melde mich eben mal irgendwo an. In der Psychotherapie oder eben beim Heilpraktiker für Psychotherapie. Spielt letztendlich keine Rolle. Wichtig ist nur, den ersten Schritt erstmal zu wagen. Den ersten Schritt zu gehen. Weil das könnte für euch tatsächlich auch sehr positiv in eurem Leben sein. Je nachdem, wo ihr gerade steht. Versucht bitte nicht, egal wie schmerzhaft es ist, in euren Mustern vielleicht auch hängen zu bleiben. Also ich weiß, Traurigkeit, Einsamkeit und Ablehnung zu erfahren, es ist nicht schön. Es ist tatsächlich überhaupt nicht schön. Da hängen wir manchmal in der Kurve drin. Aber ich weiß, jeder hat das Potenzial dafür. Jeder kann sich auch daraus befreien. Und wenn ihr Unterstützung wollt oder braucht, dann tut einfach den ersten Schritt.
M: Dann vielen Dank für deinen Aufruf. Wir werden in die Podcast-Folge auf jeden Fall auch deine Webseite mit reinlegen. Das heißt, jemand, der vielleicht sogar regional in deiner Gegend ist oder sich jetzt einfach sympathisch angesprochen fühlt von dem, was du dort anzubieten hast oder einfach von dir, was du erzählt hast, dass er zumindest erstmal die Möglichkeit hat, dich zu kontaktieren und gucken, ob die Energie weiter passt. Und er das ausprobieren möchte, eben genau diese, einfach die Chance zu ergreifen, sich Unterstützung zu suchen und Unterstützung auch zu nutzen, weil die Angebote sind da. Es gibt die Möglichkeiten dazu. Und es ist dann nur noch die Entscheidung, ich muss es nicht mit mir alleine ausmachen. Ich darf Menschen, die unterstützen können, begleiten können, Erfahrung haben. Ich darf deren Wissen und deren Fähigkeiten für meine eigenen Schritte nutzen. Ich muss nicht es mir maximal schwer machen. Soweit für heute. Vielen Dank für deine Erzählung, für das, was du von dir geteilt hast und wie wir dich sehen durften, bzw. wie unsere Zuhörys dich hören durften. Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Erfolg und bin sehr gespannt, auch von dir in Zukunft zu hören und vielleicht auch im Forum ein bisschen zu lesen, wie es jetzt bei dir weitergeht, wo du beziehungstechnisch weiter aktiv wirst, was du da für neue Erfahrungen erschließt und natürlich auch, wie dein Aufbau für den Heilpraktiker für Psychotherapie, wie dein Praxisaufbau jetzt stattfindet und dass du einfach dort deine Anliegen mit in die Welt tragen kannst und mit den anderen Menschen teilen kannst. Vielen Dank für dein heutiges Hiersein.
T: Und ich danke mich bei dir, Martin, dass ich heute hier bei dir Gast sein durfte. Danke sehr und ich freue mich aufs nächste Mal.