Liebe ist ein vielseitiges Thema und wir vermischen verschiedene Aspekte unter diesem einen Begriff. Indem wir versuchen diese verschiedenen Aspekte allein in der Beziehung mit nur einem Menschen zu verwirklichen, kann es manchmal ganz schön anstrengend werden.

In dieser Folge spreche ich mit Dolores Richter. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren unter anderem mit den Aspekten der Liebe und forscht hierzu im ZEGG, dem Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung. Dort bietet sie auch Seminare an, um Menschen einzuladen gemeinsam zu forschen und auch unsere Gesellschaft auf andere Weise zu gestalten. Weitere Infos gibt es auf der Webseite von Dolores Richter sowie dem ZEGG.

Die Seminare für 2026 sind einmal das Liebeskunstwerk und die Liebesschule für junge Erwachsene.

Du findest das Selbsthilfeforum AB-Treff unter https://abtreff.de. Für Feedback, Fragen oder um als Gast mit dabei zu sein, erreichst Du mich über die E-Mail-Adresse podcast@abtreff.de.

Alle Folgen des AB-Podcast findet Du auf meiner Webseite inklusive Transkript sowie im Videokanal des AB-Treff und auf Spotify.

Wie Du mich und meine Aktivitäten finanziell unterstützen kannst, findest Du auf dieser Seite. Vielen Dank.

Transkript

Martin: Herzlich willkommen zu einer weiteren Folge des AB-Podcasts und heute geht es um ein absolut grundlegendes Thema und zwar die Frage der Liebe. Was ist Liebe? Was bedeutet das für uns? Und inwieweit tun wir eigentlich viel zu viel in diesen Begriff rein und erwarten dann auch Unmengen von den anderen Personen, die uns das irgendwie vermeintlich erfüllen sollen? Und dafür habe ich heute wieder einen Gast und diesen Gast stellt uns erstmal Gee wieder vor.

Gee: Willkommen zu einer neuen Folge des AB-Podcasts. Heute freue ich mich sehr, eine besondere Gesprächspartnerin begrüßen zu dürfen, Dolores Richter. Sie ist Mitbegründerin des ZEGG, dem Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung und forscht seit über 30 Jahren zum Thema Liebe. In ihrer Arbeit inspiriert und begleitet sie Menschen, Paare und Gemeinschaften dabei, ihr Potenzial zu entfalten und Liebe wie auch Sexualität bewusst zu erfahren und zu gestalten.

Ihr Anliegen ist es, zu einem tiefgreifenden kulturellen Wandel beizutragen, hin zu einer Gesellschaft, in der wir die verschiedenen Facetten der Liebe gemeinsam leben und weiterentwickeln. Dolores unterscheidet in ihrer Forschung zwischen sechs Aspekten der Liebe. In dieser Folge sprechen wir darüber, welche Bedeutung diese Aspekte haben und welche Rolle sie in ihren Seminaren Liebeskunstwerk und Liebesschule für junge Erwachsene spielen. Herzlich willkommen im Podcast, Dolores Richter.

M: Herzlich willkommen auch von mir, Frau Richter. Und ich bin jetzt sehr gespannt, was wir sozusagen von Ihnen erfahren, was Ihre Erkenntnisse sind. Ich würde mich freuen, wenn wir direkt anfangen, dann den Anfang sozusagen im ZEGG. Was hat Sie auf den Weg geführt? Was war Ihre neugierige Frage?

Dolores Richter: Ja, danke erstmal für die Einladung. Meine neugierige Frage war eigentlich schon mit 16 fing das an. Ich glaube, die war ungefähr nach dem Sinn. Ich habe den Sinn gesucht oder Tiefe oder Berührung, Resonanz unter Menschen und war sehr engagiert in verschiedenen Feldern, politisch, religiös und Freundschaften und empfand das alles als sehr getrennt voneinander. Und habe dann mit 20, also als ich 20 Jahre alt war, 1980 die Bauhütte kennengelernt. Und das ist das Projekt, aus dem das ZEGG hervorgegangen ist. Und da sind wir also als junge Erwachsene mit 30 Leuten auf den Bauernhof und haben Grundlagen für ein gewaltfreies Zusammenleben erforscht.

Wir haben uns mit Geschichte befasst, mit Wirtschaftsformen, mit egalitären Lebenssystemen vor dem Patriarchat, mit Kommunikation, mit Wahrheit, mit Religion und mit uns. Wir wollten und wollen bis heute diesem, sagen wir mal, dieser Struktur unserer Gesellschaft, unserer Kultur, die sehr materialistisch ist und auch sehr auf Performance, auf Leistung, auf Äußerlichkeit gerichtet ist, etwas entgegensetzen tatsächlich. Also von Konkurrenz zu Kooperation war ein Stichwort, eine Kultur, die das Lebendige unterstützt oder eine Kultur, in der Mensch als Ganzes hineinpasst mit seinem emotionellen, seinen sexuellen, spirituellen, körperlichen, inspirierten Potenzial, dass nicht das eine zur Arbeit geht, das andere zu Hause bleibt. Und das ist schon ein wichtiger Kontext auch für unser Thema jetzt, das Thema Liebe, weil die Liebe in unserer Gesellschaft sehr reduziert betrachtet wird.

Wir denken meistens nur daran, wie kriegen wir Liebe von einer Person, mit der wir das Leben teilen wollen oder von Freundinnen oder Freunden. Aber dass der Begriff oder auch das Empfinden von Liebe damit zu tun hat, wie unsere Kultur gebaut ist, ist uns oft nicht klar, ja. Dass wir dadurch, dass wir nicht mehr so verwurzelt sind, wie wir das vielleicht als Menschheit früher waren oder nicht so sehr eingebunden in Familiensysteme oder Stämme, was ja nicht nur cool war immer, trotzdem war es eine Bindung. Und heute sind wir sehr isoliert und ungebunden, auch beliebig, schnell. Da hat die Liebe einen ganz anderen Stellenwert. Also sie muss sehr viel mehr leisten, um überhaupt in unserem Herzen zu landen. Aber die Frage war ja nach dem ZEGG. Also wir haben praktisch in dieser kleineren Gruppe über zehn Jahre lang sehr, sehr intensiv Gemeinschaft gebaut und Tag und Nacht getüftelt und Experimente gemacht und Kommunikation geprobt. Und kamen eben in diesen zehn Jahren darauf, dass die Liebe so eine zentrale Rolle spielt, ob Menschen sich vertrauen können.

Also wir können sehr gut befreundet sein und kooperieren. Wenn aber jetzt eine Person reinkommt, in die ich mich verliebe oder die ich attraktiv finde, verändert das die gesamte Stimmung im Raum, falls da jetzt noch andere sind und so weiter. Also irgendwie war klar, die Liebe hat so eine große Bedeutung und auch die Sexualität, dass wir die in ein Zentrum der Forschung stellen wollen. Also wie gelingt es, dass wir uns nicht nach ein paar Jahren Beziehung heimlich woanders andere Kontakte noch knüpfen und nicht drüber sprechen können, sondern wie können wir wahrhaftig lieben und Bindung und Freiheit verbinden?

M: Ich würde da gerne schon mal einsteigen, weil das, was ich merke oder das Bild, was in mir hochkommt, eben wo Sie gesagt haben, es kommt jemand in den Raum bzw. jemand verliebt sich in eine Person und plötzlich verändert sich die ganze Dynamik. Während sozusagen, wenn die Menschen vorher freundschaftlich, bekanntschaftlich gut verbunden waren und plötzlich entsteht da so ein Liebesimpuls, sage ich mal. Und was mir da sofort so hochkommt aus dem Aspekt der Mangel-Erfahrung, zu sagen, oh, diese Person will ich jetzt exklusiv für mich haben. Ich will, dass diese Person allein mich zurückliebt und plötzlich versuche ich die sozusagen zu umgarnen und eigentlich im Garnen ist ja schon dieses, ich versuche sie an mich zu binden und den anderen irgendwie zu entziehen oder zu entreißen, je nachdem, wie man da vorgeht. Weil das sind so die Bilder, die mir zuerst hochkommen, wo ich mir denke, ja, das kann so eine Gruppendynamik, die irgendwie eher sehr gleichmäßig auf Augenhöhe stattgefunden hat, plötzlich sehr kippen.

Also wie funktioniert das dann sozusagen, wenn sie da zehn Jahre, vielleicht auch, weiß nicht, wie stark so die Gruppe auch sich immer mal wieder geändert hat in der Zusammensetzung, weil es, denke ich, sehr belastend ist, an solche tiefen Themen da offen zu legen. Ich will jetzt eigentlich diese Person exklusiv für mich, ich will die nicht mit euch teilen. Also so eine Äußerung wird ja wahrscheinlich, also wir sind ja alle freundlich und offen zueinander. Also das zu offenbaren ist ja wahrscheinlich schwierig, eben wenn das Vertrauen noch nicht da ist, ob man dann schief angesehen wird oder irgendwie abgelehnt wird für so einen Gedanken, der erstmal da ist. Das ist ja erstmal nur ein Gedanke. Das heißt ja noch nicht, dass ich mich so verhalte dann.

D: Also Voraussetzung, dass das jetzt nicht eine gruselige Zeit wird, ist natürlich, dass die Menschen sich vertrauen und dass sie Lust haben, rauszukriegen, wie man da ehrlich bleibt und auch alle einbezieht. Weil wenn ich jetzt zum Beispiel sage, ich will diese Person mit niemandem teilen, ist es okay, wenn das für die Person auch so ist. Oder wenn da keine anderen Bindungen schon da sind, die ich dadurch vielleicht zerstöre oder weghaben will. Wir haben das immer genannt, da wo es wahr ist, also wo man spüren kann, nee, da ist was. Und die brauchen jetzt auch diese Zeit zu zweit und wirklich nur die beiden. Und da gab es immer den Impuls, das zu schützen.

Und dann gab es andere Momente, wo eine Person unbedingt nur die Person für sich haben möchte. Und die andere aber das gar nicht will oder die gerne noch sich ausprobieren will oder schon andere Partner oder Partnerinnen hat. Dann braucht es eine andere Herangehensweise. Also wie dann das Bedürfnis, die Person für mich zu haben, sich weiten kann in einem Selbstliebe zum Beispiel meiner eigenen Sicherheit oder der Frage, was ist das tiefere Bedürfnis da drin? Und kann ich die Sicherheit anders kriegen? Zum Beispiel darüber, dass die Gruppe darum weiß und nicht einfach jetzt da drüber hinweg trampelt zum Beispiel. Also Transparenz ist für uns dann ein sehr wesentliches Gut. Also umeinander wissen und uns gegenseitig unterstützen in der Liebe.

M: Da ist der Gedanke, eben genau diese Transparenz herzustellen. Ich glaube, allein überhaupt schon sprachfähig zu werden, auszudrücken, was tatsächlich gerade in mir da ist. Weil ich merke, das bewegt mich selber so, diese ganzen Überlegungen, wie schwer es damals war, überhaupt an diese Themen ranzukommen. Das Fühlen zuzulassen und dieses Fühlen dann auch noch in Worten vermitteln zu können. Also sozusagen erstmal ein Jahr zu brauchen und zu sagen, okay, jetzt fühl mal und versuch mal Worte zu finden, um das auszudrücken. Also zu sagen, ja, was ist denn jetzt gerade los? Also da sind dann erstmal so einfache Ebenen erreichbar, so von wegen, ich bin jetzt entweder ängstlich oder wütend. Entweder ängstlich, weil ich vielleicht Scham oder irgendwas, mich nicht traue auszudrücken. Oder eben Wut, weil ich irgendwas will, aber ich weiß noch gar nicht genau, was das eigentlich ist, was mir gerade fehlt oder so. Also, weil Sie haben ja gerade von den Bedürfnissen gesprochen. Ich glaube, es sind noch zwei Schritte, bis ich überhaupt mal ein klares Bild habe, was ist denn gerade mein Bedürfnis, oder?

D: Also diese feineren Wissen, was eigentlich los ist, das glaube ich, würde ich nicht in der großen Gruppe machen, sondern dafür braucht es kleinere Gespräche, Freunde, Spaziergänge, Meditation, Reinspüren. Also da braucht es ganz ergänzende herausfinden und spüren, genau. Und stimmt, das ist sehr komplex.

M: Genau, das heißt im Endeffekt, die Gruppe, also wie viele Menschen haben da sozusagen so über die zehn Jahre, also jetzt, auch wenn es gewechselt hat, zusammengearbeitet, geforscht, wie groß ist da Ihr Rahmen gewesen?

D: Das war über zehn Jahre eine recht stabile Gruppe von 40 Menschen. Und erst als wir dann das ZEGG gesucht und gefunden haben, haben wir uns verdoppelt. Dann waren wir, also über die Zeit haben sich natürlich noch Freunde dazu gesellt. Wir haben ja auch Seminare gemacht und neue Geliebte und so weiter. Und wir wollten dann mit allen Geliebten zusammen ins nächstgrößere Projekt. Und das war das ZEGG, genau. Das haben wir dann 1991 gefunden und begonnen aufzubauen. Und seitdem ist es auch eine andere Größenordnung. Ja, da sind wir ja mit 100 Menschen ansässig und haben einen richtig großen Betrieb auch, einen Bildungsbetrieb für Seminare zum Thema Gemeinschaft, Ökologie, Liebe, Sexualität, Kommunikation.

M: Wenn Sie gerade sagen, das hat 1991 sozusagen der Grundstein für das ZEGG gelegt. Ich bin ja selber ein Wandelkind, bin halt so gerade in der Pubertät oder beziehungsweise, nee, ich war noch eigentlich in der Schule damals, als die Wende begonnen hat. Hat das irgendwie, also diese starke Veränderung, die dann in den 1990ern sozusagen passiert ist, hat das einen starken Einfluss auch auf Ihr gesamtes Bild gehabt? Ich weiß nicht, ob Sie vorher im Westen oder im Osten sozialisiert sind von den 1980ern.

D: Wir kamen aus dem Südschwarzwald, also wir kamen die meisten aus dem Westen. Und jetzt mal der Wandel oder die Wende hat uns ermöglicht, überhaupt in den Osten zu kommen und da auch ein Gelände zu finden. Wir hatten da eins im Osten und eins im Westen, was unter vielen Möglichkeiten noch zur Wahl stand. Und das Gelände im Osten hatte mehr Potenzial im Sinn von Vielfalt, ja, also durch die Gebäude und durch die Lage.

M: Weil mich würde dann nämlich eben, also wenn ihre Gruppe dann gewachsen ist und sozusagen auch mit in der DDR sozialisierten Menschen dann angereichert wurde, wenn sie ja auch dort sozusagen in der Lokalität waren und inwieweit sich da tatsächlich auch unterschiedliche Haltungen begegnet hat. Weil ich bin zumindest so, wie ich in der DDR aufgewachsen bin, mir war dieses Körperfeindliche, was ich dann so in den westlichen Bildern erlebt habe, im Sinne dieser Stereotype von Schönheit und so. Und irgendwie dieses bekleidet sein, also diese, ich weiß nicht, geradezu Prüderie mit Nacktheit umzugehen, das war für mich ein Stück weit fremd. Also ich bin da anders aufgewachsen in der DDR. Wir hatten aus meiner Sicht in der Erfahrung, wo ich groß geworden bin, ein anderes Umgang mit Nacktheit. Deswegen war das zumindest ein Schamthema, was für mich in der Persönlichkeitsarbeit dann nicht so schwer zu bearbeiten war, weil ich da zum Glück nicht so viel aufgeladen bekommen habe. Da würde mich interessieren, haben Sie da irgendeine Erfahrung gemacht, die in diese Richtung geht? Oder haben Sie keine Unterschiede feststellen können zwischen den Mentalitäten, die da zusammengekommen sind?

D: Also in der Hinsicht habe ich das nicht so mitgekriegt. Ich habe mehr mitgekriegt, dass die Menschen aus dem Osten ein bisschen Berührungsängste hatten mit Ideologie und so einer Ausrichtung. Also die waren froh, jetzt gerade mal das hinter sich zu haben.

M: Ja, genau.

D: Die wollten mich schon wieder für den Frieden und für Gerechtigkeit und so Sachen. Und die Gemeinschaftserfahrung im Osten hatte sowas bei vielen Menschen, sowas ganz kreatürlich, nachbarschaftliches, was einfach im Herzen und im Blut war. Und wir waren da demgegenüber so ein bisschen deutsch, sag ich mal. Also aber trocken oder ein bisschen verkopft zum Teil. Und da, das hat sich auch ein bisschen abgestoßen eine Zeit lang. Also auch, weil ja der Westen den Osten so ein bisschen übernommen hat. Und die sind jetzt auch nicht gerade gefreut, wenn wir da auch noch daherkommen.

M: Genau, das war so ein bisschen Quelle für Spannungen. Das habe ich halt auch in der Umwälzungszeit sehr stark gemerkt, dass sozusagen viele Führungsebenen plötzlich Personen besetzt wurden, ich denk mir, okay, warum machen die das jetzt und so. Genau, also das ist natürlich klar, dass dann, denke ich mal, diese Kulturen halt doch irgendwie erstmal zueinander auch eine gemeinsame Sprache finden. Vor allem, da kommt wieder das Verständnis in Verbindung mit dem Vertrauen aus meiner Sicht. Das heißt, wenn ich erstmal verstehe, warum eine Person jetzt das gerade nicht möchte, weil natürlich, ich kenne ihre Vergangenheit nicht. Das ist auch in Beziehungen, in Liebessachen. Was der eine für einen Liebesbeweis hält, ist für den anderen eine Manipulationstechnik, womit er schlechte Erfahrungen gemacht hat, weil er damit ausgenutzt wurde zum Beispiel.

Und deswegen kann ich da sehr gut nachvollziehen, dass wahrscheinlich eben in jeder Beziehung erstmal eine gemeinsame Ebene des Miteinander auch, denke ich, aufgebaut werden muss. Und ich glaube, bei einer größeren Gruppe, also bei 40 oder dann 80 Leuten, dass man da erstmal so ein Verständnis entwickelt hat, was eigentlich jetzt jeden, sag ich mal, aus der Verbindung kickt, sobald da bestimmte Worte auftauchen oder bestimmte Verhaltensweisen, weil einfach eben Erfahrungen da sind oder halt Glaubenssätze, die dann der Person nicht mehr ermöglichen, sich dann wahrscheinlich offen zu zeigen. Haben Sie da so Erfahrungen, was hilft, um das dann aufzufangen? Also eben mit der Achtsamkeit oder mit den Methoden, die man dann zur Verfügung hat?

D: Also in dem Fall geht es viel um Gespräche und auch Geschichten, Lebensgeschichten, dass man die Kultur der anderen Menschen versteht und mitkriegt, warum auch Begriffe völlig anders verstanden werden. Also Gespräche und Zeit. Also ich denke, dass wir jetzt über die vielen Jahre, die wir da sind, haben wir auch sehr viel Vertrauen gewonnen. Und es ist ja ein unglaublich schönes Umfeld hier auch entstanden. Also ums ZEGG herum sind sehr, sehr viele Menschen noch dazu gezogen, die so in einer ökologischen, gemeinschaftlichen Richtung unterwegs sind. Und mindestens aus meiner Sicht ist das eine Bereicherung auch für die Dörfer, die hier sonst oft leerstehen würden, ja, oder teilweise leerstehen.

M: Wie ist es dann eigentlich so über die Jahre gewesen, sozusagen in der Kommune oder Gemeinde vor Ort dann auch anzukommen? So von wegen erstmal wahrscheinlich so, hm, die Spinner oder Nachfolge der Blumenkinder oder sowas, die da irgendwie so Hippie-Kommune oder keine Ahnung, was so für Vorstellungen waren, was sie da sozusagen anstellen. Und aber in 30 Jahren lernt man sich ja doch notwendigerweise irgendwo kennen. Das heißt, wie ist sozusagen dieses, also Sie haben ja gesagt, im Umfeld gibt es auch viel, was jetzt in diese Veränderung und auch schon in andere Umgangsweisen gewandelt hat. Also ja, wie ist das Ankommen insgesamt gewesen, so in den letzten 10, 20 Jahren? Wächst das sehr stark oder ist es so einfach ein stabiler Kern, der so jetzt ist, wie es ist? Oder haben Sie das Gefühl, dass es sich gerade stark ausbreitet, weil ja die Sehnsucht nach der Liebe vielleicht auch immer größer wird bei vielen Menschen?

D: Jetzt habe ich zwei verschiedene Fäden im Kopf von der Frage. Also die eine ist ja mit dem, wie sind wir angekommen hier in der Gegend? Und das hat sich auf jeden Fall sehr vernetzt über Kunst und geschäftliche Verbindungen und über Teilnahme in den politischen Organen und so weiter. Also da sind sehr viele Kooperationen entstanden. Und das mit der Liebe, ich glaube, auf der Liebesebene sind jetzt unsere direkten Nachbarn nicht so sehr auf der Suche bei uns. Die kommen eher so aus Gesamtdeutschland und Europa, die unsere Gäste. Und ja, das steigt. Also ich habe das Gefühl, dass mehr Menschen das mitkriegen, dass da was, das man da was Neues erfahren kann oder dass man da was lernen kann und dass Liebe ein viel größerer Begriff sein kann als nur diese Mangel-Erfahrung oder diese Sehnsucht nach Partner und Partnerin. Von daher haben wir schon, also, sehr großen Zulauf auch.

M: Genau, deswegen ist ja auch mein Impuls, auch diesen Podcast zu machen. Zum einen, um sichtbarer zu machen, eben das Thema mit den Absoluten Beginnern, dass es tatsächlich Menschen gibt, die aus unterschiedlichsten Gründen es sozusagen ihr Leben lang nicht schaffen, in eine Beziehung zu wechseln. Vielleicht Sexualität erleben, aber vielleicht auch Sexualität nie mit einer wirklichen Partnerin erleben. Vielleicht noch bezahlt, vielleicht auch tatsächlich nur alleine. Das heißt, es gibt sozusagen eine Gruppe von Menschen, denen dieser Zugang zu dieser partnerschaftlichen Liebe dann zum Beispiel, verwehrt klingt im Endeffekt immer so, als hätte man einen Anspruch drauf. Darum geht es natürlich nicht. Sondern aber, dass ihnen dieses Erlebnis, ja, wie ist das, dass es…

D: Nicht zuträglich ist.

M: …ja, genau, dass es ihnen einfach nicht möglich ist, diese Erfahrung in diesem Lebenszyklus zu machen. Da ist für mich dann eben diese Schwierigkeit, die wir haben oder die eben mit den Fragestellungen, ich denke, das wäre noch interessant, die Menschen, die dann eben zu ihnen finden, mit welchen Fragestellungen die sozusagen kommen, so von wegen. Was mich zum Beispiel damals eben sehr stark angetrieben hat, nachdem ich wieder unglücklich verliebt war und dann, so kann das nicht bleiben und eigentlich sehr stark dann erst mal auf mich selbst zurückgeworfen wurde. Also zu gucken, was ist eigentlich in mir, warum klappt das nach dem Außen nicht? Also, aber manche gehen ja vielleicht auch sehr stark erst mal im Außen in die Suche, bevor sie ihren Blick auch nach innen richten. Das ist sicherlich sehr unterschiedlich.

D: Die Motive sind sehr, sehr unterschiedlich und sie kommen gleichzeitig bei uns natürlich an einen Ort, wo dieses Hinschauen, was hat es denn mit mir zu tun oder wie kann ich denn liebesfähiger werden oder wie komme ich denn dahin, dass ich überhaupt Liebe reinlasse? Also viele Leute sind ja so gewohnt, auch so eine Schutzschicht um sich zu haben, dass sie gar nicht erreichbar sind, wenn Liebe zu ihnen kommt. Und da, also persönliches Wachstum und Bewusstseinsarbeit ist da sehr groß geschrieben, auch Kommunikation oder mich selber fühlen zu lernen und erkunden und reflektieren. Also eben, was sind das eigentlich gerade für Gefühle, wo kommen die her? Und wie bringe ich die so in Kontakt, dass mein Gegenüber in Verbindung darauf antworten kann und ihn nicht wegschiebe damit, ja. Das sind so ein paar Anteile.

Und ein wichtiger ist noch, gerade für Menschen, die lange keine Kontakte hatten, aber auch für andere, es ist eine riesen, nenne es mal Erlösung, an einem Ort zu sein, wo das okay ist, wegen der Liebe auf der Suche zu sein, weil wir, und das ist ja ein Kerngedanke unseres Projekts, Liebe nicht privat ist oder nicht nur privat. Also wir wollen Liebe zu einem Kulturthema machen, dass wir drüber sprechen und dass wir Gesellschaft so bauen, dass Liebe sich bewegen und wachsen kann. Das heißt, nicht nur ich bin alleine und suche jemand, sondern, ah, wir sind alle auf der Suche, wir alle wissen nicht, wie es geht und wir unterstützen uns da drin, ein paar Schritte weiterzukommen und uns die Hände zu reichen und das macht sehr viel Unterschied, weil die Leute merken, sie müssen jetzt nicht cool sein oder attraktiv oder dies oder jenes, sondern eher bei sich und ehrlich. Das ist eine andere Bewegung.

M: Ich glaube, das ist etwas, was ich, ich betreue ja auch das Selbsthilfeforum eben für Absolute Beginner und dass dort immer so dieses Spannungsfeld ist. Diese eine ist die Vorstellung, ja, ich müsse mich verstellen, weil ich ja so, wie ich bin, nicht angenommen werde, weil offensichtlich bin ich ja bisher immer abgelehnt worden. Aber auf der anderen Seite dieses man selbst sein, was auch immer das dann am Ende bedeutet, weil wer ist man selbst schon? Weil unter diesen vielen Schichten, die ich sozusagen aufbaue, wann weiß ich denn überhaupt, welche Schicht dann die richtige ist, falls es die überhaupt wirklich geben sollte? Weil ich glaube, Menschen sind sehr geprägt und sehr anpassungsfähig zu dem Umfeld, in dem sie halt gerade sind. Und ich glaube, wenn wir das Umfeld nie ein anderes erleben, werden wir gar nicht erfahren, was für Facetten wir vielleicht tatsächlich hätten, die aber aus welchen Gründen auch immer sozusagen nie getriggert, nie abgerufen werden.

Und eben genau diese Sorge, was Sie gerade geschildert haben, mit dem, ich muss jetzt cool sein und so, damit ich attraktiv bin, ist halt eigentlich so eine erschütternde Botschaft, dass die Authentizität, die auf einer Seite immer bemängelt wird, wenn man nicht authentisch wäre, aber trotzdem gesagt wird, ja, aber so wie du bist, erfährst du ja trotzdem Ablehnung. Also irgendwie passen sozusagen die Forderungen nach Authentizität und dann die Reaktionen, wie man tatsächlich authentisch ist, oft nicht sehr motivierend zusammen. Aber das ist halt die Frage, weil ich glaube, was eigentlich das Missverständnis ist, ich verhalte mich in einer bestimmten Form, aber nur das Verhalten ist nicht mein authentisches Sein. Also, weil das ist ein erlerntes Verhalten, wie ich mit bestimmten Dingen umgehe.

D: Genau, das Authentische ist ja eigentlich eine Stufe dahinter. Mein Verhalten ist was Angelerntes oder auch von den Schichten her Angewohntes. Und ich denke dann immer, das bin ich und ich möchte so sein, wie ich bin, aber eben, wer ich bin, was ich unter authentisch verstehe, ist näher an dem Kern, an unserer Essenz, die eigentlich unveränderlich ist. Es gibt ja, also in meinem Weltbild und meiner Erfahrung gibt es einen Kern, der sich bewusst ist, wer ich bin und was ich tue. Und ich lerne immer mehr mitzukriegen, welches Verhalten aus Anpassung und aus Manipulation ist. Und dann merke ich, aha, und das, was ich eigentlich will, das fühlt sich pur an. Und das ist für mich das Authentische. Und ich, meine Erfahrung ist es, da, wo wir uns als authentische Kerne, ja, begegnen, dass eigentlich immer das Gefühl ist von Kontakt und fast Liebe sogar.

M: Genau, das kann ich aus meinen Erfahrungen und Begegnungen auch nur unterstreichen, zu sagen, das nehme ich sehr genauso wahr, weil in dem Moment, wo ich einem Menschen auf dieser Ebene begegnen kann und eben die Worte nicht zwischen uns stehen oder das Verhalten, was konkret da ist, weil eigentlich fällt das alles ab. Also, wenn ich mich in diesen Austausch und diesen Kontakt begebe, dann ist da gar nichts, was dieser Mensch tut, was ich ablehnen kann, weil wir verbinden uns ja in dem Moment im Sein, in diesen Grundbedürfnissen von Menschen. Also, gesehen zu werden, angenommen zu werden, so sein zu dürfen, wie man vermeintlich ist. Ich glaube, dieses Sein ist zu viel mit Aktivität im Außen gedacht, weil das Sein ist ja schon die Existenz als solches und nicht eine bestimmte Aufgabe, die ich zu erfüllen hätte.

Ich glaube, das ist so dieser, das, was Sie auch, ich glaube, am Anfang schon oder vielleicht im Vorgespräch gesagt hatten, diese, was wir lernen, in diesen Austausch zu gehen und irgendwelche Aufgaben eben. Liebe, ich glaube, da fällt mir der bedingungslose Liebe ein, weil genau das lernen wir kaum oder gar nicht, vielleicht von den Eltern, wenn das nicht sehr stark überfrachtet wird mit Manipulationen, „Wir haben dich nur lieb, wenn du.“, was ja im Endeffekt sozusagen eine sehr schlimme Prägung ist, zu sagen, eben, es wird an Bedingungen geknüpft, an bestimmte Verhaltensweisen und dadurch werde ich auf eine bestimmte Spur gesetzt, die ich eventuell später dann sehr schwer erst mal abbauen muss, um zu gucken, Moment mal, es geht in beliebige andere Richtungen auch, eben Liebe ist vielfältig und ist nicht im Endeffekt, ich muss den Müll rausbringen.

D: Ja, also es gibt wahnsinnig viel zu lernen in der Liebe, ja, also eben die Prägung durch die Kindheit, dass die Vorstellung, wie ich sein muss, damit ich geliebt werde und das Lernen selber, also bedingungslos lieben halte ich eher für eine spirituelle Form der Liebe, ich glaube, dass wir als physische Leben bedingt lieben, aber wir können trotzdem, sagen wir mal, wie in der gewaltfreien Kommunikation oder in der, also wenn wir von unserem Bedürfnis her sprechen und unser Gegenüber freilassen, indem, wie es dann antwortet, entsteht auch eine Bedingungslosigkeit und ich frage mich gerade, ob wir mal auf die sechs Aspekte zu sprechen kommen, weil das auch angekündigt war, das passt auch an der Stelle, also für mich ist, gerade wenn es um eine Beziehungssehnsucht geht, um Partnerinschaft, bette ich die gerne ein in einen größeren Kontext, das heißt: Was ist Liebe noch?

Und ein ganz zentraler Bereich ist ja die Selbstliebe, also ob ich mich annehmen kann, auch und gerade mit meinen Macken, Schatten und so weiter, was nicht heißt, ich finde alles okay, was ich an Macken habe, sondern ich finde eine Form, sie anzunehmen und dadurch zu transformieren. Wenn ich sie gar nicht kenne, nicht haben will, dann wirken sie ohne, dass es mir bewusst ist und das trennt meistens. Es gibt Menschen, die so eine ganz kreatürliche Art der Selbstliebe haben, wenn sie ein gesundes Bindungs- und Autonomieerfahrung in der Kindheit hatten und andere müssen sich das erst erwerben und das geht viel durch Selbstkontakt, durch mich mitkriegen, mich spüren und in Bezogenheit erkunden.

Dann ist für mich noch eine weitere Quelle oder Aspekt der Liebe, ich nenne das die spirituelle Liebe, man kann es auch Liebe zur Natur nennen oder auch manche Gottesliebe oder Religion, also die Art, wo ich praktisch über meine materielle Manifestation hinaus einen Bezug zu einer Ewigkeit habe oder zu meiner Seele, die meinen Raum weitet, ja, also wo das hin und her des täglichen Lebens sich entspannen kann und ja, Abstand kriege zu Reflexen und so weiter.

Dann ist da noch ein Bereich, der heißt für mich Menschenliebe, das ist so eine Art, ja, auch Familienliebe, Freundschaft, Gemeinschaft, also fast um der Gattung willen Menschenliebe und das ist zum Beispiel für eine Beziehung, für eine Liebesbeziehung sehr relevant, ob ich Menschen liebe oder, also ich kann sehr viel lernen, bevor ich eine Beziehung mache, Menschen zu lieben und rauszukriegen, warum sind wir so geworden, wie wir sind, was ist denn eigentlich dieses immer wieder schwierige und komplizierte und das mit reinzunehmen in unser Bewusstsein.

Dann haben wir noch den Aspekt des Eros und der Sexualität. Ich habe die in zwei verschiedenen Affekten unterteilt, weil für mich Eros ist Kreativität, Energie, Lebenskraft, auch Anziehung, auch Abstoßung und sie drückt sich in der Sexualität körperlich aus, hat aber auch andere Quellen, wie sie sich ausdrückt und die Sexualität ist für mich eben die körperliche Liebe, wo das Begehren, die Verbindung, die körperliche Verbindung sich ausdrücken möchte.

Und dann gibt es den Aspekt der Beziehungsliebe und alleine, dass wir zum Beispiel die Sexualität und die Beziehungsliebe in verschiedenen, ich habe da so ein Aufstellungsfeld, ja, wo ich damit arbeite, dass das verschiedene Plätze hat, ist für Menschen in meiner Generation jedenfalls schon mal mindblowing, ja, weil das früher musste das zusammen sein. Sexualität ging nur in der Ehe und außen rum war sie verpönt und auch wenn wir da jetzt gerade in Mitteldeutschland relativ frei leben, aber diese Information ist ja noch in uns drin und was gibt es für Möglichkeiten, die Sexualität auf eine gesunde Art zu erproben, zu erfahren, in oder auch nicht in Beziehung, damit ich mich in meiner Vielfalt kennenlernen kann. Also für mich war zum Beispiel unsere Gemeinschaft, wir haben sehr offene Sexualität gelebt, das war für mich so eine Beglückung, mich in ganz verschiedenen Energien und Aspekten zu erleben und dadurch das Frausein in mir überhaupt auszuloten oder auch in meinem Körper. Ja, und daran knüpfen sich die weiteren Fragen der sechs Aspekte.

M: Vielen Dank für die ein Mal Aufzählung dieser Aspekte. Ich hatte mir das auf Ihrem letzten Blogbeitrag, wo Sie angefangen haben, jetzt über den ersten Teil der Selbstliebe zu schreiben und Sie wollen ja noch die anderen Teile auch ergänzen, dann jeweils einen Eintrag dafür zu machen. Ich werde die Links auch in die Showbeschreibung so mit reinsetzen, dass Ihre Webseite und über die Seminare kommen wir später noch, aber auch, dass die dann leicht gefunden werden können. Was ich so beim Lesen hatte, weil ich habe vor längerer Zeit mich mal mit diesen griechischen Begriffen. Da gab es ja drei Unterteilungen zwischen Eros, Philia und Agape sozusagen als Konzeption, sage ich mal.

Das Eros überschneidet sich aus meiner Sicht sehr stark mit dem, was Sie gesagt haben. Ich glaube, so Menschenliebe, Nächstenliebe war sozusagen, würde ich so die Philia einordnen, weil das sozusagen der direkte ist und für mich war der Begriff, die spirituelle Liebe ist wahrscheinlich so in die Richtung Agape, dass sozusagen diese allgemeine Liebe für das Seiende, für das Wesen, ob das Lebendige oder ob das einfach nur das Existierende ist, was sozusagen alles umschließt, war sozusagen ein bisschen so meine Anknüpfungspunkte, wo ich dachte, ja, genau, das sind schon so, so Differenzierungen, dass es ganz unterschiedliche Facetten gibt, die eben das, was uns erstmal so am präsentesten ist, von dem Bedürfnis der Gemeinschaft und der Sexualität, was ja beides so in unterschiedlicher Weise verknüpft ist, während dann diese, sage ich mal, Wertschätzung in die anderen Ebenen.

Oder eben auch das Nutzen der Energie in Richtung Kreativität ganz andere Bereiche freisetzt, die wir im Normalfall nicht mit dem Begriff Liebe verbinden, also, dass der Künstler sein Werk liebt, wenn er es schafft oder hasst, je nachdem, was für eine Beziehung er damit hat, aber zumindest eine sehr energievolle, die sozusagen trotzdem auch aus diesem Eros, aus dieser Lebendigkeit heraus gespeist wird, also, das ist für mich da sehr, sehr plausibel. Ich hatte gerade in der Vorbereitung des Podcasts, wo ich gerade nochmal Eros nachgeschlagen habe und dachte, Eros klingt eigentlich immer so männlich, also sozusagen, weil es so im ersten Moment, okay, es ist ein männlicher Gott, der irgendwie für die Liebe steht und es klingt halt irgendwie so dieses, ich würde nicht sagen, das Phallische steckt da jetzt zwar noch nicht drin, aber irgendwie ist so immer dieses Erobernde, also sozusagen diesen aktiven Part, wo ich mir denke, ja, es ist eigentlich sinnvoll, das, glaube ich, rund zu machen und zu sagen, das ist nicht geschlechtlich geprägt, sondern es ist eine Energie, die in beiden

D: Voll.

M: Geschlechtsprägungen vollkommen vorkommt.

D: Ja, jetzt wo sie das mit den „in beiden Geschlechtern vorkommt“, möchte ich noch eine wesentliche Forschung mit reinbringen, auch wenn man es so intuitiv vielleicht als männlich begreift, denn Eros, das ist ja schon eine Folge davon, dass der weibliche Körper oder die Frau über Jahrhunderte reduziert wurde oder auch vor allem die weibliche Sexualität unterdrückt wurde und wird. Also weltweit haben Frauen ganz, ganz wenig Chancen nach einer selbstbestimmten Sexualität und das ist für mich erstmal der Grund, warum wir Eros als männlich bezeichnen, weil eher, aber das ist nicht die Natur.

M: Genau, weil die im Endeffekt, eben, das drückt sich für mich in diesem Bild des Yin-Yang, das ist im Endeffekt eine Sache, die sich halt immer wieder ergänzt und wo nicht eine Seite nur diese eine Rolle hat, sondern die kann letztlich diese, wer aktiver und wer passiver ist, ist zumindest so, wie ich es auch im Liebesspiel erlebt habe, das ist immer wieder wechselnd und das ist auch sehr angenehm. Diese Vorschung, als Mann bin ich nur Mann, wenn ich den aktiven Part habe und ich darf mich nicht verwöhnen lassen und so weiter, denke mir, wie eingeschränkend ist denn solche Vorstellungen?

Also eben, da kommen wir ganz schnell zu diesen Rollen und Klischee-Bildern und ich weiß, dass eben auch bei uns im Forum immer wieder Sachen problematisiert werden, diese Vorstellung, der Mann muss bei der Kontaktaufnahme irgendwie das Initial machen, dann wird immer gesagt, ja, aber der wird ja vorher mit den Blicken von der Frau eingeladen, okay, hoffentlich wissen alle, wann sie was zu tun haben, so nach dem Motto und ich denke mir auch, wo viele Männer bei uns die Schwierigkeit haben, dass sie sozusagen zu übergriffig rüberkommen, wenn sie jetzt eine Frau anbaggern, was auch immer das dann heißt, oder halt einfach nur auch ansprechen, wird von vielen schon, also eigentlich genau die Schwierigkeit, es gibt eine Gruppe, die sagt, du darfst mich nicht ansprechen, wenn ich nicht irgendwas mache, aber die Frage ist, würde die andere Person die andere Person überhaupt bemerken, wenn sie da nicht angesprochen wird, also wie aktiv hat man da welche Fühler ausgestreckt und dann sind so die Erwartungen ans andere Verhalten diejenigen, die sich das ernst nehmen und sagen, okay, ich gehe auf niemanden zu.

Das war früher auch eine sehr beschränkende Form für mich, wo ich gesagt habe, okay, ich brauche vorher eine explizite Einladung, weil sonst fühle ich mich übergriffig, wenn ich sozusagen, hallo, hier bin ich und ich würde dich gern kennenlernen, wenn ich nicht mal das äußern darf, bevor ich eine Einladung bekommen habe, dann ist die Chance auf Kontakt verdammt gering und das zu lernen, weil eigentlich heißt es für mich, zumindest in meiner Erfahrung, ich habe den anderen Menschen nicht auf Augenhöhe gesehen, weil ich kann einen Kontakt initiieren und ablocken und das sollte ich jedem anderen auch zutrauen, also dass er in der Lage ist, nein zu sagen und zu sagen, du, ich möchte gerade keinen Kontakt und dann einfach eine Grenze in dem Moment zu setzen und nicht pauschal zu sagen, du darfst mich niemals ansprechen, das ist so ein, also sozusagen diese Erwartung, wie man miteinander umgeht und wie blockierend dann so absolute Forderungen sind, statt in der Situation zu sein, lass uns einfach mal versuchen rauszubekommen, zu spüren, was gerade angemessen ist und offen zu bleiben für die Situationen, die kommen werden.

D: Ja, an der Stelle gibt es ja so, so viele verschiedene Haltungen heute und glaube, es ist recht schwierig, das im Vorfeld rauszukriegen, an was ich jetzt gerade so gerate, deswegen sind solche Orte, wie jetzt das ZEGG oder auch viele andere, wo man weiß, da ist die Frage nach einem ehrlichen, konsensuellen Kontakt ist ein Grund, warum wir alle da sind, die sind sehr, sehr wichtig, damit mir eben überhaupt noch Kontakt möglich ist und es gibt vielleicht andere Orte, wo andere Qualitäten von Kontakt da sind, aber dann weiß man, aha, dafür gehe ich da hin, ne.

M: Genau, dafür ist es aus meiner Sicht sehr wertvoll, vielleicht können wir da auch so ein bisschen dann einsteigen in die Frage mit den Seminaren, also sie bieten ja sozusagen zwei unterschiedliche Blöcke an, das eine ist für junge Erwachsene, da habe ich gelesen, Altersspanne 18 bis 26, vielleicht können Sie da auch noch sagen, was so die Überlegungen dafür sind und was das sozusagen dann unterscheidet zwischen der Jahresgruppe mit dem Liebeskunstwerk und was eben Menschen für Begegnungsräume dort vorfinden oder was für ihre Forschungsfragen da vielleicht nützlich oder mit welchen Forschungsfragen Menschen da hinkommen und mal schauen, vielleicht der eine oder andere Zuhörer vielleicht tatsächlich eine ähnliche Frage gerade bewegt, um die dort zu bearbeiten und anzuschauen.

D: Also wir haben die Liebesschule für junge Erwachsene gemacht, weil die in dem Alter einfach so dringend und drängend ist. Eigentlich fängt das viel früher schon an, das ist nur aus auch ein bisschen rechtlichen Gründen nicht so einfach, das früher zu machen. Deswegen haben wir mit 18 angefangen und da ist einfach, alles dreht sich um die Frage, wer bin ich in der Liebe und wie finde ich wirklich ein gutes Gegenüber und was will ich eigentlich in der Sexualität und wie geht Beziehung, wie sage ich, was ich wirklich will, wie fühle ich eigentlich oder wie sage ich, was ich fühle und so weiter. Also sehr, sehr elementare Fragen, mit denen die Menschen kommen und wir machen einerseits so kleine Inputs aus unserem Erfahrungswissen, machen dann Übungen dazu, damit die integriert werden und erfahren werden können und dann ist es viel auch Gruppenarbeit, also Kennenlernen der Teilnehmenden auf einer intimeren Ebene, also wo diese Freundlichkeitsmasken fallen dürfen, mal einfach so, ah, so geht’s dir, ach, das brauchst du, ach, so tickst du. Und dann kommt so eine Entspannung in den Raum und dann merken wir, wie sehr Liebe mit Entspannung zu tun hat, wenn ich eben nicht gestresst bin und nicht wer sein muss, sondern achso irgendwie so ausatmen kann und ja, auch schüchtern sein darf und irgendwie das gemeinsame Rausfinden wichtiger ist, als ob ich cool bin.

Und das ist für die jungen Erwachsenen, dass die sagen, die meisten sagen, das hat mein Leben verändert. Das sind ja vier Module, wo wir mit Selbstliebe und Kontakt anfangen, dann mit Bedürfnisse, Gefühle, Beziehung, dann mit Körper, Sexualität und dann Beziehung, Partnerschaft und Beziehungsformen sind die vier Module. Und da mit Gleichaltrigen sich auseinandersetzen zu können und gleich auch Erfahrungen machen zu können, ist einfach Gold wert in dem Alter. Und das Liebeskunstwerk macht was Ähnliches für alle Altersgruppen. Also da steht einfach von X bis Y, also ich sag mal 20 bis 70 oder so. Da kommt dazu, dass wir dann auch noch sehen können, wie das wird, wenn ich älter werde. Ist auch toll. Also der Austausch zwischen den Generationen und sonst sind es ähnliche Themen, außer dass wir als letztes Modul im Liebeskunstwerk das Modul Wilder Frieden haben. Und da geht es eben drum, in den Beziehungsdynamiken, die wir haben, rauszufiltern, was davon ist wirklich biografisch und was ist die Folge von einer kollektiven Wunde durch Patriarchat und Kapitalismus und was, diese ganzen strukturellen Dinge. Damit wir an der Stelle uns nicht gegenseitig Vorwürfe machen oder uns entziehen und ärgern und so weiter, sondern zusammen lernen, was Neues aufzubauen. Das ist der Wilde Frieden. Den gibt es nicht in der jungen Liebesschule, das wäre zu schnell.

M: Genau, das mit dem Wilden Frieden spricht mich da auch gerade ganz stark an, weil, also zumindest so, wie Sie es gerade beschrieben haben, ist das für mich so, dieses Bild, diese, eben mehr Präsenz dafür zu haben, diese Überformungen von außen, also wo das nichts mit meinem Verhalten und also nicht mit meinem inneren Sein und so weiter wirklich übereinstimmt, aber die Schwierigkeit, dieses angelernte Verhalten abzulegen und eben auch, wie ich es in meiner Beziehung merke, diese Schwierigkeit tatsächlich, eine Kommunikation zu finden, dass das Problem oder Konflikt, das gerade auftaucht, sich nicht zwischen uns stellt und wir uns dann gegenseitig dafür verantwortlich machen und eigentlich eben die Verbindung verloren geht, sondern zu verstehen, okay, das sind Dinge, die jetzt erstmal da sind und die aber von uns beiden nicht so gewünscht sind, dass sie jetzt gerade so ablaufen.

Das heißt, das Problem steht nicht zwischen uns, sondern vor uns und dass wir dann gemeinsam eben zur Lösung beitragen, als Versuchen, an dem anderen rumzumachen und du bist jetzt verantwortlich dafür, dass das Problem verschwindet, weil so verschwindet es am allerwenigsten, im Gegenteil. Dadurch wird eher was aufgeladen, womit man dann in den Rückzug oder in die Abschottung geht, weil man eben ganz schnell dieses Verletztsein, das eigentlich möchte ich gerade was ganz anderes, es kommt nicht an, es landet bei dem anderen nicht so, wie ich es möchte und dann beginnen diese gegenseitigen Zuweisungen, ob mit Schuld oder mit Scham behaftet dann, das ist sehr destruktiv und da ist es natürlich wunderbar, wenn man es schafft, dieses Bewusstsein hochzubringen, dass man in diese Dynamiken frühzeitig aussteigt oder einen Stopp reinhauen kann oder so.

D: Ja, das fand ich schön beschrieben, genau. Und vielleicht an der Stelle noch eben unsere Erfahrung, dass eine lebendige Liebe einen kulturellen Umlernraum braucht. Also, dass mein Fokus jetzt nicht nur ist, hauptsächlich finde den richtigen Partner, Partnerin, sondern wie gestalte ich eigentlich ein Netzwerk von Freunden oder ein Zusammenleben so, dass die Liebe getragen wird. Weil es gibt ja dann noch die Schwierigkeit in Beziehungen, ja, wenn beide monogam sein wollen, super. Es gibt trotzdem nach zehn Jahren vielleicht mal eine Situation, wo eben doch mal jemand anders plötzlich attraktiv ist oder man sich verliebt. Also, wie gehen denn wir mit Anziehungen um oder was ist denn, es gibt irgendeinen Teil in der Sexualität, mindestens bei Teil der Menschheit, der nicht nur in Beziehungen wach ist, sondern der irgendwie auch ein bisschen elementarer lebendig ist und wie geben wir dem Platz, ohne ihn zu unterdrücken und ohne Angst davor zu haben, sondern respektieren die andere Person auch mit als sexuelles Wesen, vielleicht sogar unabhängig von mir. Und das ist eine sehr umfassende Forschung. Als Bewusstsein gehört es mit dazu, weil an der Stelle sehr viel Konflikte und auch sehr viel Verstellung passiert. Und wenn ich in meiner Beziehung das Bewusstsein darüber habe und der Respekt dafür da ist, dann habe ich auch eine sehr lebendige Partnerschaft, ja, weil das nicht raus muss.

M: Sie hatten ja am Anfang auch erzählt, dass Sie eben auch so geschichtlich gearbeitet und geforscht haben, wie so bestimmte Themen verbunden und verknüpft sind. Und für mich ist da von dem, was Sie gerade beschrieben haben, also so ein bisschen der Gedanke gewesen, als ich mich damit auseinandergesetzt habe, dass im Zuge der Romantik sozusagen diese Überladung der Beziehung mit Liebe und dann sozusagen die Exklusivität, wobei ich denke, da hat die Kirche auch viel die Rolle gespielt, sozusagen die Sexualität in diese Beziehung einzusperren und dass das sozusagen außerhalb nicht mehr ist. Aber für mich war vor allem der Gedanke, dass eigentlich Liebe in der Vorstellung der Partnerschaftsbeziehung sozusagen auch eingekettet wurde, während die Überlegung vor der Romantik, dass man sagt, okay, man hat Beziehungen geführt, eigentlich aus Praktikabilität, man hat halt bestimmte Dinge zusammengelegt und so. Also es waren eher ökonomische und Rahmenbedingungen, warum man jetzt mit diesen Personen eine Beziehung eingegangen ist im Sinne einer Ehe oder Partnerschaft. Und das andere war, Liebe hat irgendwo stattgefunden, aber die war nicht zwingend damit verbunden. Und Sexualität war nochmal ein ganz anderes Fragezeichen, weil, was wir aus unserer Sicht heute überhaupt nicht so richtig präsent haben, wann, zu welchen Zeiten eigentlich wie freizügig mit Sexualität umgegangen wird.

Also wenn wir uns dann immer die Griechen oder sowas anschauen, dann haben wir tatsächlich sehr viel stärker. Meine Überlegung ist, bei den Griechen, wenn man da so liest, was sie so für Gelage hatten und wie auch gleichgeschlechtliche Liebe dort praktiziert wurde und irgendwie ziemlich normal zum Teil dazugehört hat, da gibt es heute unterschiedlichste Deutungen, wie die stattgefunden hat und was dann eben auch wieder mit welchen Männlichkeitsbildern das an welcher Stelle verknüpft ist und, und, und. Aber da will ich gar nicht so stark einsteigen. Aber unsere Vorstellung im Endeffekt, wo und wie überall Sexualität praktiziert wurde, ist heute auch wieder sehr, sehr eingeschränkt.

Und als ich eben in meinen Seminaren da begonnen habe, ist mir halt auch so dieses Polyamorie über den Weg gelaufen, was mich sofort total angesprochen hat. Und zwar gerade ebend mit Rückblick, ich war in meinen 30ern dann als absoluter Beginner und natürlich ist so, erlebnistechnisch war ich noch nicht mal 18. Also, ich hatte ja noch keine Beziehung geschweigenden Sexualität erlebt. Und zu sagen, okay, ich muss jetzt mit 30 aber gleich in eine Paarbeziehung mit Monogamie und wer weiß was, Kindern und was auch immer dann noch kommt und konnte aber gar nicht meine Erfahrungen machen. Das heißt, natürlich hat mich das Polyamore extrem angesprochen, zu sagen, okay, dann kann ich Beziehungen gehen und noch Erfahrungen machen, auch mit anderen Personen, weil da ist das natürlich dann viel entspannter. Hat hier und da auch zu Komplikationen geführt, ich konnte es aber tatsächlich auch mal erleben und allein in diesem Setting dann auch feststellen, oh Moment, ich brauche mehr Zeit für mich. Also, mit mehr als zwei oder drei Personen gleichzeitig so eine intensive Beziehung zu führen, das ist zeitaufwendig. Also, Polyamorie ist nicht mal eben einfach so von Bett zu Bett hüpfen, also, wenn ich wirklich Beziehungen doch damit verbinden möchte. Und nicht nur, weil es ist ja auch eine ganz andere Frage, geht es mir darum, Sexualität zu erleben oder möchte ich in Beziehungen sein mit der Person? Auch das sind aus meiner Sicht ganz unterschiedliche Aspekte, oder?

D: Ja, genau. Das kann eben je nach Bedürfnis ganz anders aussehen. Und für mich ist so ein Bild, was ich immer habe, dass, wie Sie es eben gerade sagen, dass ich als junger Mensch eigentlich was brauche, wo ich mich ausprobieren kann. Also eigentlich bräuchte es geschützte Räume für Menschen ab 14 oder so bis 25 oder 30, wo viel Kommunikation da ist, wo erwachsene Leute ansprechbar in der Gegend sind, aber wo die Jungen unter sich gucken können, ne, wie Erfahrungen machen. Und dann gibt es, glaube ich, organisch sowas von, ah, jetzt möchte ich aber mich mehr konzentrieren oder in Beziehungen. Also man findet dann die Person, wo man sich fokussiert. Und dann, das ist mal so eine, wie ich es mir gesellschaftlich vorstelle, und dann gibt es für mich auch diese Bilder von früheren Kulturen, wo es Familien und Beziehungen gab und dann ein paar Mal im Jahr diese Fruchtbarkeitsfeste. Und das heißt, dass diese anonymere Sexuelle, also wo es eben nicht um Beziehungen geht, wo der praktisch gesellschaftlich verortet ist und sogar die Kinder, die da entstehen, geehrt werden von dem Dorf oder dem Stamm, da gibt es bei mir so ein Gefühl, ah, da ist irgendwas stimmig dran, ja. Also wir haben im Alltag unsere klaren Beziehungen und Bindungen und wir wissen aber, ein paar Mal im Jahr dürfen wir auch ganz anders sein. Dann, weil dieser Aspekt der Sexuellen braucht einen Ort. Für viele Menschen ist es so, dass, ja, manchmal möchte man andere Beziehungen haben, aber manchmal möchte man einfach diese Körperlichkeit feiern.

M: Das, was Sie gerade angesprochen haben, dass die Kinder, die in dieser Zeit entstehen, sogar geehrt werden, während sie in unserer heutigen Zeit, wo wir extrem stark auf diese Blutslinien geeicht sind, wo ich mir denke, ich würde mir auch eine Gesellschaft wünschen, in der das keine Rolle spielt. Also der im Endeffekt nicht unterschieden wird zwischen, sind die Kinder jetzt von mir oder nicht, weil letztlich, dass die Liebe mit den Genen zusammenhängt, ist aus meiner Sicht ziemlich absurd. Aber das ist halt auch, ich weiß nicht, ob das…

D: Da stehe ich woanders, also ich halte die Blutslinie schon für sehr relevant. Das ist einfach eine Erfahrung.

M: Im Wissen oder… Also im Wissen, wer meine Eltern sind.

D: Ja.

M: Weil das eine ist sozusagen die Ahnenreihe, aber das, was Sie gerade geschildert hatten, wenn jetzt sozusagen eben in einer freieren Zeit die Sexualität ausgelebt ist, ist halt die Frage, inwieweit man dann weiß, wer die Eltern, die biologischen Eltern oder der biologische Vater, die Mutter, ist ja klar, aber eben, dass der Vater da im Moment, wer ist dann der richtige Vater und wie geht man damit um, wenn der Partnerschaftsvater eben nicht der biologische Vater ist?

D: Sind für mich zwei verschiedene Dinge. Das eine, das Bild, von dem ich sprach, ist ein paar Jahrhunderte her. Also da ist man ja auch in einem anderen Menschen Bild unterwegs.

M: Genau.

D: Kann man nicht so übertragen. Und ich denke, dass wir heute, dass es sehr wichtig ist zu wissen, wer Blutseltern sind. Also auch wenn es da, wo es eben nicht bekannt ist, gibt es immer so eine Suche oder immer so ein, ah, wo gehöre ich denn hin? Wo komme ich denn her? Ich habe es bei sehr, sehr vielen Menschen mitbekriegt, mache ja auch Beratungen und so. Also es kommt mir relevant vor, ist ja auch in den Familienaufstellungen auch oft nachgewiesen worden, wenn man daran glaubt. Und das andere, was ist, wenn der, mein Lebenspartner nicht, wie war die Frage, wenn der nicht der biologische Vater?

M: Genau, dass es heute ziemlich gesellschaftlich belastet ist. Also das eine ist zum einen bei Männern, die Angst vor sogenannten Kuckuckskindern. Das heißt, sie haben nicht mitbekommen, dass sie Partner mit jemand anders, aber ich glaube, das hat ja eher damit zu tun, auch wegen der finanziellen Forderungen, die aufgrund unserer gesellschaftlichen Strukturen damit verbunden sind. Ich glaube, wir hätten eine andere Beziehung zu diesem Aspekt, wenn sozusagen nicht die finanziellen Verpflichtungen da dran hingen, sondern wenn halt Kind Kind ist und sozusagen nicht da rechtlich überformt eben diese biologische Abhängigkeit gäbe oder diese Verwandtschaft.

D: An der Stelle ist, ja, gibt es wieder andere Dynamiken, das stimmt, ja.

M: Weil ich weiß zumindest eben bei Männern, dass oft die Angst besteht und inzwischen ist es ja umgekehrt sogar so, dass sozusagen die nicht eingewilligte Vaterschaftsprüfung sogar unter Strafe gestellt wurde, statt sozusagen umgekehrt zu sagen, okay, es gibt eine Verpflichtung, also wenn ja diese rechtliche Forderung damit verbunden ist, eigentlich eine rechtliche Verpflichtung, dass auch die Vaterschaft gegeben ist. Also eigentlich müsste ich ja, wenn ich eine Forderung als Recht dran knüpfe, auch sicherstellen, dass die Forderung, sage ich mal, berechtigt ist, an die richtige Person übertragen wird. Also da wundert es mich auch, da geht sozusagen das Rechtssystem aus meiner Sicht in den Spagat, wo es zwei unterschiedliche Rechtspositionen nicht gut miteinander zusammenbringt.

D: Das passt nicht zusammen, nein.

M: Genau, also deswegen, also ich würde es mir tatsächlich wünschen, dass Menschen freier damit umgehen, eben, dass diese biologische Linie nicht sozusagen zwingend gegeben sein muss. Also ich meinte das nicht unbedingt, dass sie unbekannt bleiben soll. Also das kann ich verstehen, dass diese Ahnenkette ist auch in vielen Konzepten oder Vorstellungen sehr, sehr wichtig. Das habe ich auch in meinen Seminaren gehabt, wo es darum geht, sich mit den Ahnenlinien der Eltern und den Stammbaum so ein bisschen zu kennen, weil eben genau auch diese Suchfrage, gerade wir haben heute mit in vitro oder künstlicher Befruchtung, wo die Väter dann oft unbekannt bleiben, dass da diese Suchbewegung, die sie gerade beschrieben haben, gerade für Männer vielleicht sogar noch ein bisschen stärker, weil an welcher Ahnenlinie klammer ich mich da, wenn ich sozusagen gar keine männliche Bezugspersonen habe in meinem Leben, wo ich irgendwo zumindest mich dann zugehörig fühle, auch ob das jetzt, aus welcher Rundlage auch immer. Deswegen, also ich glaube, da sind sozusagen diese Öffnung, flexibler zu werden, offener zu werden für die Möglichkeiten die es gibt, ohne, glaube ich, das eine oder andere zu verlieren. Also eben diesen Zusammenhalt, das würde ich auf jeden Fall auch noch befürworten, dass man diese Kette dann kennt, aber dass man entspannt ist sozusagen, dass man nicht die Kinder braucht, die die eigene Blutslinie fortsetzen in der Richtung sozusagen.

D: Ja, das sehe ich ähnlich und es gibt ja auch eine Entwicklung in die Richtung, ja, dass also viele Väter da einfach Väter sind und es nicht so wichtig ist.

M: Genau und das ist eben so, auch das ist wieder die Ebene, wo Sie ja gesagt haben, dass ZEGG und auch diese ganzen Übungen sind ja dazu da, auch eine gewisse Haltung oder Vorstellung in die Gesellschaft zu tragen, eben diesen gesellschaftlichen Wandel, dass, ich glaube, das geht so ein bisschen wieder in die Menschenliebe. Sie hatten in dem Sechser-Bild, was Sie auf Ihrem Blog drin haben, auch Eltern-Kind-Beziehung und Gemeinschaft, weil letztlich das Kind sozusagen die Liebe vorzuenthalten, weil es die falschen Gene hätte, das ist halt, entspricht zumindest dann nicht der Menschenliebe, sondern das ist dann eine andere Aufladung und da ist halt eben eine sehr starke Prägung. Ich weiß es nicht, ob da wirklich Biologie dahinter steht. Ich halte dieser, also die Vorstellung, die wir da im Kopf entwickeln, eher für Glaubenssätze, die kulturell geformt werden, als dass ich wirklich sagen würde, die Gene nötigen mich dazu, sie fortpflanzen zu wollen oder so. Das ist mir dann doch immer ein bisschen zu weit Interpretation oder so. Ja, ich bin tatsächlich auch mit meinen Fragen soweit durch.

Hab jetzt so ein bisschen Bild von eben gerade die Seminare, wo ich hoffe, dass es den einen oder anderen rechtzeitig erreicht, der bei uns in den 20ern bei uns im Forum aufschlägt, der dann so ein Übungsfeld nutzen kann, um eben sich tatsächlich kennenzulernen. Und für die, die schon ein bisschen älter sind, letztlich das Liebeskunstwerk ist ja eben nicht nur für Paare, sondern ist ja auch für Singles offen, um sich einfach selber zu erfahren. Und ich denke auch, viel mit seinen eigenen Themen dort zu sein und zu arbeiten, das habe ich in vielen Seminaren erlebt, wie wichtig letztlich die Körperarbeit ist. Also dass man, also jetzt noch unabhängig vom Sexuellen, sondern einfach nur Berührung zulässt. Also allein das Umarmtwerden zum Beispiel und einfach nur fünf Minuten mit einer Person in einer Umarmung zu stehen, egal ob das jetzt gleichgeschlechtlich oder geschlechtlich unterschiedlich ist, das macht extrem etwas aus, wenn man das im Alltag normal nicht hat oder nicht bekommen kann. Deswegen zum Beispiel so diese Kuschelpartys, die sich ja auch gebildet haben, wo es einfach mal geht, ich möchte einfach mal einen Menschen spüren, einfach mal die Wärme und wie sich das anfühlt, also wie das Gefühl ist, einen Menschen sich so nah zu haben, nicht auf Armlänge Abstand zu halten, sondern tatsächlich seine Körperwärme direkt auf meinen Körper zu spüren.

D: Ja, Nähe tut gut. Dann haben wir ein schönes Gespräch geführt.

M: Dann vielen Dank für Ihre Erklärung und Ihre Ausführungen und ich wünsche Ihnen auch weiterhin viel Erfolg und drücke Ihnen die Daumen, dass da ganz viele Menschen mehr über Liebe und sich selbst erfahren, dass wir aus meiner Sicht eine liebevolle Gesellschaft werden, also dass wir wieder verstehen, wie viele Aspekte von Liebe wir in den alltäglichen Strukturen vermissen lassen, was die Umgangsweisen angeht und ja, das würde ich mir viel wünschen und vielen Dank und weiterhin noch weitere viele 30 Jahre und noch länger für Ihre Arbeit und ich bin mal gespannt. Ich habe viel immer wieder vom ZEGG gehört, war aber selber noch nie vor Ort und vielleicht gibt es ja irgendwann mal eine Gelegenheit, dort reinzuschauen.

D: Herzlich willkommen.

M: Vielen Dank.

D: Ganz vielen Dank. Tschüss.