Mit der erneuten Änderung des Wahlrechts wurde das Ziel verfolgt, dass es weniger Abgeordnete im Bundestag geben soll. Dieses Ziel wurde offensichtlich auch erreicht. Was für mich dabei relevant ist, ob durch die Wahlrechtsveränderung der Wille der Bürger direkter abgebildet wird oder ob das System in eine Richtung verändert wurde, in welchem der Wählerwille noch weiter verzerrt wird zugunsten der Parteien, welche bereits an der Macht sind.
Zunächst wurde die Sollgröße des Bundestages von 598 auf 630 zu Gunsten der Listenmandate und zu Ungunsten der Direktmandate erhöht. Statt wie zuvor, dass es 299 Direktkandidaten und 299 Listenplätze geben sollte, wurde die Anzahl der Listenplätze auf 331 erhöht während die Anzahl der Direktmandate unverändert gelassen wurde. Damit wurde den Parteien grundsätzlich mehr Einfluss zugestanden. Auch wenn sie diesen Einfluss durch den Erhalt von Ausgleichsmandaten bei den letzten Bundestagswahlen bereits de facto erhalten haben, so war dieser Umstand bisher nicht rechtlich fixiert.
Zusätzlich wurden die Direktmandate mit einer Unsicherheit versehen, so dass ein direkt gewählter Kandidat nicht mehr seinen Platz im Bundestag sicher erhält. Er ist nun davon abhängig, dass seine Partei im jeweiligen Bundesland eine ausreichende Anzahl an Zweitstimmen erhält. Das Wahlverhalten, seine Erst- und Zweitstimme unterschiedlichen Parteien zu geben, wird somit bestraft. Bei der Bundestagswahl 2025 sind insgesamt 23 der 299 Direktkandidaten betroffen, welche nicht als Direktkandidat im Bundestag sitzen werden. So liegt der Unterschied zwischen Direktkandidaten und Listenkandidaten nicht nur bei den vorgesehen 32 Plätzen zu Gunsten der Parteilisten, sondern die Parteien können nun 78 Plätze mehr vergeben, als es direkt gewählte Mandatsträger im Bundestag geben wird. Wenn die Direktmandate als Teile einer direkten demokratischen Mitbestimmung angesehen wurden, dann wurde dieser Teil mit der Wahlrechtsänderung 2023 nun deutlich reduziert.
Für mich stellt die Änderung des Wahlrechts einen klaren Versuch dar, die Machtpositionen der Parteien zu stärken und den Wählerwillen noch stärker zu unterlaufen. Bei der Verteilung, welche Parteien vom Wegfall der Direktmandate betroffen sind, entfällt nur ein Mandat auf eine der drei damaligen Regierungsparteien, welche die Wahlrechtsänderung beschlossen haben und 22 entfallen auf die damaligen Oppositionsparteien. Mehr Details zu diesem Thema erzähle ich in meinem Video (23 Minuten) und mache auch Vorschläge, wie das Wahlsystem anders gestaltet werden könnte.
Transkript zum Video
Martin: Willkommen heute zu einem weiteren Video. Heute beschäftige ich mich mit der Bundestagswahl 2025 und der Wahlrechtsreform, die 2023 durchgeführt wurde und dieses Mal das erste Mal angewendet wurde. Mir geht es vor allen Dingen darum anzuschauen, inwieweit die Wahlrechtsreform dazu geführt hat, dass der Wählerwille letztlich noch weniger direkt abgebildet wird und stattdessen die Parteien noch mehr Einfluss bekommen haben, um letztlich die Zusammensetzung des Bundestages zu bestimmen oder darauf Einfluss zu nehmen, im Gegensatz zum Wähler.
Zunächst geht es darum, erstmal nachzuvollziehen, was genau hat die Wahlrechtsreform jetzt verändert und was ist meine Perspektive auf die Änderungen, die dort vorgenommen wurden. Eine Änderung betrifft letztlich die Bedeutung der Erststimme, denn zuvor sollte die Sollgröße des Bundestages 299 Direktmandate und 299 Listenmandate aus den Parteilisten umfassen. Das wurde jetzt zugunsten der Parteilisten verändert, das heißt die Direktmandate sind nur weiterhin 299, während die Parteien Zugang haben zu 331 Mandaten, die sie über ihre Listen befüllen können. Nachdem aufgrund der bisherigen Ausgleichsmandate, die aufgrund von Überhangmandaten gewährt wurden, letztlich die Listenplätze sowieso deutlich über den 299 lagen, ist das zwar eine Fortschreibung des de facto Problems, dass letztlich die Parteien über ihre Listen mehr Einfluss bekommen als die Wähler über die Direktmandate. Nichtsdestotrotz ist es halt ein Unterschied, ob die Sollgröße zumindest noch paritätisch gedacht ist, zwischen Direktkandidaten und Listenkandidaten, oder ob ebend hier nun tatsächlich das Gewicht mehr auf die Parteien verlegt wird und damit auch die Zweitstimme mehr Bedeutung bekommt, als sie zuvor schon hatte.
Weil, nochmal zur Erinnerung, mit der Erststimme konnte ich nur Einfluss nehmen auf einen von 299 Direktkandidaten, während mit der Zweitstimme festgelegt habe, dass eine Partei, ausgehend von ihren Listen, letztlich Kandidaten in den Bundestag entsenden kann. Also mit der Erststimme habe ich 1/299 beeinflusst und zumindest von der Sollgröße her ist die Zweitstimme jetzt dazu da, um sozusagen die Farbe für einen Teil der 331 Plätze festzulegen.
In dem Zuge wurde eben das Konzept der Überhangmandate abgeschafft. Um nochmal zu verstehen, was Überhangmandate sind, durch diese Zweiteilung von Erst- und Zweitstimme konnte im Endeffekt eine Partei mehr Direktkandidaten bekommen, als sie anteilig entsprechend der Zweitstimme haben sollte. Und dadurch passiert es, dass letztlich gegenüber den Anteilen der Zweitstimmen die Parteigewichte in dem Sinne verschoben wurden. Und da man der Ansicht war, dass letztlich die Zweitstimmen festlegen sollten, wie viel Gewicht eine Partei im Bundestag hat, mussten im Endeffekt Überhangmandate eben durch weitere Ausgleichsmandate wieder ausgeglichen werden, damit das Zweitstimmenverhältnis erhalten bleibt.
Durch die Abschaffung der Überhangmandate ist es nun auch so, dass Direktmandate keinen sicheren Platz mehr im Bundestag bedeuten. Das heißt, selbst wenn ich auf einen von 299 Sitzen Einfluss genommen habe oder Einfluss nehmen wollte, bedeutet es nicht mehr, dass ich im Endeffekt einen bestimmten Kandidaten in den Bundestag bekommen habe, weil sein Platz ist nicht mehr sicher, dass er den bekommt.
Die letzte Änderung, die vorgesehen war, die allerdings vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde, war die Streichung der sogenannten Grundmandatsklauseln. Da ging es darum, dass die 5%-Hürde umgangen werden konnte, wenn eben drei Direktmandate gewonnen wurden. In der aktuellen Wahl ist das jetzt erstmal beibehalten worden, das heißt, man konnte auch wiederum durch drei Direktmandate trotzdem dann in Fraktionsstärke einziehen.
Fangen wir damit an, wie jetzt die Veränderungen bei den Erststimmen aussehen gegenüber der Bundestagswahl 2021 zur jetzigen Bundestagswahl 2025. Das eine ist erstmal die Bevölkerung, die in Deutschland aktuell ausgewiesen wird, wo auch 2022 jetzt einige Korrekturen sind und ich leider für 2025 keine aktuelle Bevölkerungszahl habe. Auf jeden Fall liegen wir so um die 83 Millionen. Und auch wenn die Bevölkerung leicht zugenommen hat, hat die Anzahl der Wahlberechtigungen doch nochmal deutlich stärker abgenommen. Insgesamt sind über 600.000 weniger Wahlberechtigte 2025 da gewesen als halt 2021.
Interessant ist zwar die gestiegene Wahlbeteiligung, die abgegebenen gültigen Erststimmen. Gut, die Wahlbeteiligung zieht auch die ungültigen Erststimmen ein, aber mir geht es eher darum, die gültigen Stimmen zu berücksichtigen. Und hier ist es so, dass letztlich die abgegebenen Erststimmen von 46 Millionen auf 49 Millionen gestiegen sind. Allerdings eben durch die Änderung ist es jetzt so, dass von den 299 Direktmandaten nur 276 tatsächlich vergeben wurden. Das ist zwar dann immer noch, dass letztlich die Stimmen der Direktkandidaten, die in den Bundestag kommen, sind etwas höher. Statt 15,4 Millionen sind die Stimmen der Direktkandidaten letztlich bei 16,7 Millionen. Allerdings die 23 Plätze von Direktkandidaten, die nicht in den Bundestag, zumindest nicht über das Direktmandat kommen, liegt bei 1,1 Millionen. Das heißt, obwohl die Kandidaten gewonnen haben und obwohl die Menschen ihre Stimme abgegeben haben, wird diese Stimmen, letztlich spielen die keine Rolle mehr. Und das ist nämlich auch eine meiner Kritikpunkte, dass die Wahlbeteiligung keinen wirklichen Blick darauf wirft, wie viele Stimmen denn jetzt tatsächlich einen Einfluss auf die Zusammensetzung des Bundestags erhalten haben.
Deswegen unten der letzte Punkt von mir ist der relevante Stimmenanteil. Das heißt, wie viele Prozent der abgegebenen Stimmen bezogen auf die Wahlberechtigten sind denn jetzt mit einem Mandat im Bundestag über die Direktmandate vertreten? Das heißt, 2021 betrug der Stimmenanteil 25,2 Prozent, die im Endeffekt die Direktkandidaten im Verhältnis zu den Wahlberechtigten ausmachten. Und 2025 liegt der Stimmenanteil jetzt aufgrund der höheren Wahlbeteiligung bei 27,6 Prozent. Der relevante Stimmenanteil ist zwar leicht gestiegen, trotzdem sind nicht alle zusätzlichen Erststimmen, die abgegeben wurden, ausschlaggebend gewesen, weil ja eben die Direktmandate insgesamt verringert wurden.
Und die zweite Zahl, die ich dort hingeschrieben habe, ist nochmal die Zahl nicht nur bezogen auf die Wahlberechtigten, sondern wenn man sich alle Menschen, die in Deutschland laut Statistik leben, anschaut, dann beträgt die Anzahl der Personen, die tatsächlich vertreten wird, sogar nur 18,3 Prozent, beziehungsweise 2025 sind es ziemlich genau 20 Prozent der Bevölkerung bezogen auf die Stimmen der Direktkandidaten.
Betrachten wir nun die Veränderungen bei den Zweitstimmen. Bevölkerung und Wahlberechtigtenzahlen sind natürlich identisch. Auch die Zweitstimmen sind in ähnlicher Größenordnung wie die Erststimmen abgegeben worden. Es sind insgesamt eben auch aufgrund der gestiegenen Wahlbeteiligung über drei Millionen mehr Stimmen abgegeben worden, die in die Wahl eingeflossen sind. Was zumindest mit der Wahlrechtsreform gelungen ist, dass es weniger Listenmandate gibt, also dass der Bundestag insgesamt tatsächlich kleiner ist. Aber klar, es ist ja auch zwingend festgelegt worden, dass er die 630 nicht überschreiten darf. Nichtsdestotrotz gibt es eine deutliche Verschiebung gegenüber dem ursprünglichen 2021 gültigen Soll, wo es ja paritätisch zwischen Direktmandaten und Listenmandaten hätte ausgehen sollen, was es natürlich nicht hat aufgrund der Ausgleichsmandate. Hier ist jetzt allerdings erkennbar, dass die Listenmandate sich deutlich reduziert haben von 436 auf 354.
Andererseits ist, dass die Listenmandate trotzdem wiederum höher ausfallen, als sie ursprünglich in der Sollplanung vorgesehen wären. Normal hätte ja die 299 Direktkandidaten zu 331 Listenplätzen im Verhältnis stehen sollen. Stattdessen, weil 23 Direktkandidaten nicht in den Bundestag kommen, jedenfalls nicht über die Direktmandate, ist es so, dass dann 354 Mandate über die Listen der Parteien besetzt werden können. Und damit ist die Differenz zwischen Direktkandidaten und Listenkandidaten nicht nur bei 32 Plätzen, sondern liegt dann bei 78 Plätzen. Das heißt, die Parteien bekommen einen deutlichen Übergewicht darüber, über die Mitglieder im Bundestag entscheiden zu dürfen. Vorher hatten sie das de facto natürlich auch schon, weil sie ja so viele Ausgleichsmandate erhalten haben. Allerdings ist es jetzt rechtlich abgesichert, dass die Parteien dieses Übergewicht auch behalten sollen. Das heißt, der Wählerwille, der sich in den Direktkandidaten ausdrückt, wird sozusagen nochmals unterlaufen. Und das ist für mich im Endeffekt die gravierendste Änderung in der Wahlrechtsreform, dass dafür gesorgt wurde, dass diese direkte Beeinflussung, welche Personen im Bundestag mitwirken, nochmal stärker von den Wählern abgetrennt wurde und sie dort wieder weniger direkten Einfluss erhalten.
Interessant ist dann auch nochmal zu sehen, dass von den 23 Direktkandidaten, die nicht über diese Direktmandate hineinkommen, dass davon 22 Sitze auf die Oppositionsparteien zur damaligen Wahlrechtsreform entfallen und nur ein Sitz tatsächlich auf eine der drei Regierungsparteien. Und obwohl die Wahlbeteiligung eben um über drei Millionen Stimmen gestiegen ist, ist, wenn ich jetzt davon ausgehe, dass es tatsächlich zu der Regierungskoalition CDU, CSU und SPD kommt, ist es so, dass hinter den Regierungsparteien, die letztlich den Ton angeben im Bundestag und letztlich auch darüber entscheiden, welche Gesetze in welcher Form verabschiedet werden, weil die Oppositionsparteien, wenn man ehrlich ist, haben die keine große Relevanz, was die gesetzliche Gestaltung angeht. Und da sinkt dann, trotz der gestiegenen Wahlbeteiligung, die repräsentierten Stimmen. Weil die Zweitstimmen der Regierungsparteien hatten 2021 24 Millionen Wähler repräsentiert, während 2025, wenn es wie gesagt zu dieser Koalition zwischen CDU, CSU und SPD kommt, was ja auch nur möglich ist, da eine Partei sehr knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist und somit dann nur 22,3 Millionen Stimmen in der Regierungskoalition stecken werden.
Und bezogen wieder einmal auf die Wahlberechtigten steht hinter der Regierung 2021 39,2 Prozent der Wahlberechtigten Stimmen, während 2025 werden es dann nur noch 36,9 Prozent der Wahlberechtigten Stimmen sein. Und gehen wir wieder einen Schritt weiter und gucken uns das bezogen auf die Gesamtbevölkerung an. Dann hatten wir 2021, zumindest gegenüber, wenn es wirklich gelten würde, jeder Mensch eine Stimme, wäre es so, dass wir 28,8 Prozent der Bevölkerung repräsentiert hätten, wenn einem diese Repräsentation an der Stelle so genügt. Und 2025 würde der Anteil der repräsentierten Stimmen dann nur noch 26,7 Prozent betragen. Das heißt, das ist die Grundlage, auf der im Endeffekt Regierungsarbeit stattfindet. Das heißt, gerade mal etwas mehr als ein Viertel der Stimmen hat überhaupt zugestimmt, dass diese Parteien uns entsprechend bevormunden dürfen.
Letztlich ist es also nur etwas mehr als ein Viertel der Menschen, die den Regierungsparteien erlaubt haben, dass sie über alle 83 Millionen Menschen in Deutschland Entscheidungen treffen dürfen. Was ja etwas ist, was ich persönlich ablehne, dass in dieser Form Zwang und Gewalt auf Menschen ausgeübt werden darf. Soweit aktuell das Ergebnis für 2025. Mal sehen, ob es tatsächlich zu einer Koalition kommt und auch bei den Parteien, die ich annehme. Oder ob sich dort ganz andere Bündnisse noch formen werden und dadurch vielleicht die Regierungsparteien zumindest etwas mehr Stimmen vertreten.
Insgesamt halte ich ein Repräsentationssystem für nicht dafür geeignet, um wirklich den Willen der Bevölkerung aufzugreifen. Weil eben nach der Wahl ist kaum ein Einfluss darauf möglich, was die Regierungsparteien tatsächlich verabschieden werden. Welche Gesetze sie machen, welche Vorschriften sie erlassen und welche Vorschriften sie halt auch nicht erlassen zum Schutz irgendwelcher zukünftiger Generationen.
Aber gehen wir noch einen Schritt weiter und statt nur zu kritisieren, auch zu sagen, okay, wie könnte man es denn anders machen? Dazu hier also ein paar Überlegungen, je nachdem, wie weit wir bereit sind zu sagen, was können wir ändern, was wollen wir machen und welche Form von Herrschaft und Fremdbestimmung wir in unserem Leben haben wollen. Gehen wir also mal davon aus, dass es erstmal bei dieser bestehenden Fremdbestimmung durch parlamentarische repräsentative Vertretung bleiben soll, dann wäre zumindest mal die Möglichkeit zu sagen, es werden alle Abgeordneten direkt gewählt und die Zweitstimme wird einfach abgeschafft. Die Frage ist, wozu soll es überhaupt solche verschiedenen Stimmen geben, wenn ja gerade auch durch die jetzige Wahlrechtsreform die Tendenz, die bisher verwendet wurde, dass Menschen die Erststimme für eine Person abgegeben haben und dann die Zweitstimme gegebenenfalls für eine Partei, die nicht der Person entspricht, wo sie das Direktmandat zuordnen wollten, das wurde mit der jetzigen Wahlrechtsreform eigentlich ziemlich unterlaufen. Das heißt, wenn weiterhin dieses Stimmensplitting zwischen Kandidat und Partei erfolgen würde, dann gehe ich damit das Risiko ein, dass ich damit meine Erststimme im Endeffekt wertlos mache, weil mein Direktkandidat gar nicht in den Bundestag einzieht, weil die Partei insgesamt in diesem Bundesland zu wenig Zweitstimmen erhalten hat. Daher wäre es aus meiner Sicht sinnvoll, wenn ja ohnehin das Ziel ist, dass das alles nur an eine Partei oder eine Person gehen soll, dass man sich dann auch entscheidet, dass man auch nur eine Stimme hat.
Entsprechend wäre der eine Gedanke, wenn es mehr auf die Personen ankommen soll und man sagt, okay, wir wollen einzelne Personen tatsächlich wählen und kein Losverfahren zum Beispiel einführen, dann, dass alle Abgeordneten direkt gewählt werden und dann kann man einfach sagen: Wie viele Abgeordnete wollen wir im Bundestag haben? Wenn wir halt einen Bundestag haben wollen, der mehr als diese 299 umfasst, dann müsste einfach hergegangen werden und man könnte genau die Wahlkreise entsprechend neu ziehen und sagen, es gibt dann in einer Größenordnung von 500 Abgeordneten und dann gibt es 500 Wahlkreise, in denen jeweils ein Kandidat am Ende gewinnt, der dann in den Bundestag einziehen darf.
Da ist auch noch eine Sache, was die Wahlkreise angeht, auch wenn die Erststimme dazu genutzt wird, um festzulegen, welcher Kandidat einen von 299 Sitzen erhält, auch wenn diese Zuordnung jetzt nicht mehr sicher ist, so ist es doch da auch dabei zu schauen, wie unterschiedlich die Wahlkreise sind. In 2025, der kleinste Wahlkreis hatte etwa 152.000 Stimmen, während die größten Wahlkreise 252.000 Stimmen hatten. Das heißt, auch wenn der Durchschnitt und der Median relativ dicht bei 201.000 beziehungsweise 202.000 Wahlberechtigten liegen, so ist es doch ein ziemlich großer Unterschied, ob ich um 150.000 oder um 250.000 Stimmen kämpfen muss. Und das Interessante ist auch, dass diejenigen, die ihre Direktmandate nicht bekommen haben, da hat es nicht mit der absoluten Stimmzahl zu tun, sondern es hat mit dem prozentualen Anteil der Erststimmen zu tun. Mal angenommen, ich habe in einem Wahlkreis von 150.000 Wahlberechtigten tatsächlich 75.000 Stimmen geholt, was 50% entspricht, und jemand anders, der in einem Wahlkreis mit 250.000 Wahlberechtigten angetreten ist, und obwohl der dann meinetwegen 80.000 Stimmen erhalten hat, wird er trotzdem leer ausgehen, weil trotz der höheren Stimmenzahl, die ihn gerne im Bundestag gesehen hätten, hat er aber prozentual in seinem Wahlkreis zu wenig Stimmen geholt. Das heißt, das Ausscheiden der Direktmandate erfolgt nicht anhand der absoluten Stimmzahl, sondern nur anhand der relativen Stimmenzahl im Vergleich zu allen anderen, die in diesem jeweiligen Bundesland Direktmandate bezogen haben, von der gleichen Partei.
Eine andere Möglichkeit, wie es anders laufen könnte, wäre, dass man einfach, wenn man schon diese beiden Stimmen beibehalten möchte, dass man die Erst- und Zweitstimmen einfach nicht mehr vermischt. Diejenigen, die die Erststimmen bekommen und die Direktmandate haben, das sind halt einfach die 299 Sitze dann im Zweifelsfall. Die werden so belegt, wie sie belegt werden durch den Wählerwillen. Und die Zweitstimme entscheidet halt nur über dann, ob man das dann bei den 331 Sitzen lässt oder ob man da auch wieder auf 299 zurückgeht. Aber letztlich einfach zu sagen, die Zweitstimme entscheidet über die Anteile an den anderen 299 Sitzen und nicht an der Gesamtrepräsentation des Bundestages. Weil warum sollte das zulässig sein? Weil aus meiner Sicht ist es vollkommen unsinnig, zwei Wahlprinzipien einzuführen und dann zu sagen, dass die Zweitstimme aber der dominante Teil wird und bestimmt, welche Auswirkungen die Erststimme haben darf. Weil wenn ich zwei Konzepte mache, dann sollte ich auch diese zwei Konzepte parallel nebeneinander stehen lassen und sie nicht weiter vermengen.
Darüber hinaus gibt es natürlich auch Möglichkeiten, das ganze Wahlsystem in einem viel größeren Umfang umzustellen. Das heißt, statt heute, wo letztlich nur Regierungskoalitions-, also Regierungsparteien tatsächlich die Macht bekommen, Gesetze zu erlassen, würde im Endeffekt diese ganze Repräsentation von Parteien im Bundestag aufgehoben werden. Am besten ist es sogar, wir würden dann auch den Bundeskanzler direkt wählen. Da können sich dann verschiedene Personen eben anbieten und im Zweifelsfall, ob man da jetzt dann eine absolute Mehrheit braucht oder ob man dann einfach auch eine relative Mehrheit ansetzt, ist aus meiner Sicht erstmal ziemlich egal. Dieser Bundeskanzler kann dann letztlich weiterhin sein Kabinett zusammenstellen, aber er ist nicht mehr befähigt oder notwendig, irgendwelche Mehrheiten im Bundestag zu haben. Und wenn man dann auch diese ganze Repräsentation von Parteien und diese ganze Behauptung, dass die Abgeordneten letztlich nur ihrem Gewissen verantwortlich sein sollten, könnte man dann dahingehend ernst nehmen, dass sie überhaupt keine Bindung mehr an die Partei haben, sondern es sitzen einfach Menschen dort im Bundestag.
Jedes Mal, wenn die Regierung oder irgendeine Gruppe im Bundestag Interesse hat, ein bestimmtes Gesetz einzubringen, das heißt, die Gesetzesinitiative kann dann sowohl vom Bundeskanzler und den Ministern ausgehen, als auch irgendwelchen Gruppen im Bundestag. Und dann geht es einfach darum zu gucken, mit wem passt gerade das Thema zusammen und mit wem ist man bereit, zusammenzuarbeiten. Eben nicht mehr diese Lagerbildung, sondern dass man endlich wieder miteinander auch Gespräche führt. Und dann ist die Frage, was man letztlich an Mehrheiten braucht. Ob es dann weiterhin ausreicht, dass man nur letztlich bezogen auf die Anzahl der Abgeordneten eine einfache Mehrheit braucht, was letztlich aufgrund dem, was ich vorher schon geschildert habe, dass letztlich es nicht die Möglichkeit gibt, dass nicht für einen gesprochen wird. Sondern es gibt nur die Befähigung, entweder man wird repräsentiert, dann darf man auch nichts sagen, oder man wird nicht repräsentiert und darf sowieso nichts sagen. Also das Nicht-Mitwirken ist nicht vorgesehen. Das heißt, man kann einfach nicht Nein zu diesem ganzen Konzept sagen.
Das wäre dann interessant letztlich für meinen vierten Vorschlag. Das heißt, da ja die Abgeordneten, insbesondere wenn man alle auf Direktwahl umstellen würde, aber auch wenn man über die Listenkandidaten geht, dann würde man einfach sagen, okay, in dem Bundesland hat die Partei so und so viel Stimmen, dafür bekommt sie zehn Listenplätze. Und diese zehn Listenplätze teilen sich dann das Stimmgewicht, das die Partei bekommen hat, gleichermaßen auf. Und so wäre es dann nicht mehr so, dass letztlich diese verschiedenen Stimmen, die dann ein Abgeordneter behält, und plötzlich hat er, egal ob er zum Beispiel aus seinem Wahlkreis, mit im Schnitt 30 Prozent der Stimmen gewählt wurde, und ob diese 30 Prozent jetzt 50.000 Stimmen oder 100.000 Stimmen entsprechen, spielt letztlich für seine Abstimmungsmöglichkeiten im Bundestag keine Rolle. Das heißt, in Wirklichkeit ist eben nicht ein Wahlberechtigter eine Stimme, sondern in Wirklichkeit hat das Stimmengewicht jedes Wahlberechtigten, je nachdem, wo er wohnt, für die Direktmandaten ein anderes Gewicht, als auch später für die Parteien ein anderes Gewicht. Weil es ist ja nie so ganz sicher, mit wie viel Bedeutung ein Abgeordneter dann ins Abgeordnetenhaus einzieht. Weil letztlich, wenn es tatsächlich darum geht, dass alle Stimmen in gleicher Form repräsentiert werden, dann wäre es schon mal notwendig, dass nicht so viele Stimmen auf der Strecke bleiben. Und dass dann letztlich die Abgeordneten auch genau das Gewicht vertreten, mit dem sie gewählt wurden.
Mal angenommen, wir wollen nur im Endeffekt Direktkandidaten haben. Das würde bedeuten, wenn wir das ganze Konzept der Wahlkreise auflösen, dann hätten wir halt im Zweifelsfall eine Liste von irgendwie 5.000, 6.000 Personen und würden sagen, okay, die Top 500 mit den meisten Stimmen kommen in den Bundestag. Und dann vertreten sie genau das Stimmgewicht, was sie haben. Und dann wäre es interessant, wie viele Abgeordnete, wie viel Stimmgewicht haben und wie viele man dann braucht, um ein Gesetz zu verabschieden. Und besonders wichtig wäre für mich, dass diejenigen, die ihre Stimme nicht abgeben, tatsächlich leere Sitze im Bundestag hinterlassen. Das heißt, wenn sich nur Personen zur Wahl stellen, die man nicht haben möchte, für Entscheidungen, die dort getroffen werden, dann gibt man im Zweifelsfall einfach niemandem seine Stimme ab. Und es ist dann nicht möglich, irgendwelche merkwürdigen Gesetze zu beschließen, die eh keiner haben möchte. Weil wenn am Ende so viele Stimmen enthalten würden, dass zumindest keine Zweidrittelmehrheiten möglich sind, oder natürlich noch stärker, wenn nicht mal mehr 50 Prozent der Stimmen tatsächlich vertreten würden. Und das am besten bezogen auf die gesamte Bevölkerung. Das heißt, das ist ja der Zustand, den wir jetzt schon haben.
Das heißt, keine Regierungspartei kann tatsächlich für sich behaupten, sie spräche im Endeffekt für irgendeine Mehrheit, weil die kann sich rein technisch schon gar nicht repräsentieren. Weil hinter ihr ja nicht annähernd die Hälfte der Wahlberechtigten steht, geschweige denn die Hälfte der Bevölkerung, die in Deutschland lebt. Je nachdem, wie weit man gehen möchte, solange man letztlich nicht einfach direkt auf komplett andere Konzepte setzen möchte, kann man sich überlegen, wie eng man überhaupt mit einer personenbezogenen Wahl sein möchte und wie viel Einfluss die Wähler über die Repräsentanten haben sollen, sowohl welche personell in den Bundestag einziehen dürfen, aber auch darüber, ob man nicht noch weitere Elemente braucht, zu sagen, man kann seinen Abgeordneten dann dafür verklagen, dass er seine Versprechen nicht einhält oder dass man ihm tatsächlich Stimmen wieder entziehen kann.
Das Letztere ist dann tatsächlich auch in meinem Konzept der Delegiertenräte nachzulesen, wo es darum geht, dass es nicht mehr eine stichtagsbezogene Wahl gibt, sondern eigentlich eine permanente Wahl. Ich kann jederzeit Stimmen vergeben oder wieder entziehen und dadurch letztlich ein dynamisches Parlament erzeugen, das sich jeweils an die Gegebenheiten anpasst. Allerdings hängen mit dem Konzept der Delegiertenräte auch noch einige andere Sachen zusammen, da das ja aus meinem Buch Freiwilliges Grundeinkommen statt Gewalt stammt, geht es da vor allen Dingen auch darum, wie könnte denn eine Organisation der Gesellschaft aussehen, die zwar Rahmenbedingungen für die Gesellschaft setzt, aber dabei auf Gewalt verzichtet.
Vielen Dank für Ihr Interesse. Soweit heute meine Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Bundestagswahl 2025 und meiner Perspektive darauf, wie die Wahlrechtsänderung aus 2023 letztlich dazu beigetragen hat, wiederum den Wählerwillen möglichst zu unterlaufen und mehr Macht in die Hände der Parteien zu legen. Wenn Sie gerne mehr wissen möchten zu dem, wie ich mir eine gewaltfreie Gesellschaft vorstelle, findet dazu weitere Impulse in meinem Buch Freiwilliges Grundeinkommen statt Gewalt. Wer Interesse an Austausch hat, kann mich über kontakt@martinfinger.de erreichen. Mein Buch als auch weitere Informationen zu meinen Aktivitäten finden Sie unter martinfinger.de. Vielen Dank und bis zum nächsten Mal.