In diesem Beitrag möchte ich mich dem Begriff des Egoismus widmen und erklären, warum ich den darin enthaltenen Vorwurf nicht teile und es sogar für gefährlich halte, ihn zu verwerfen.

Neben der inhaltlichen Bedeutung haben Begriffe oftmals noch eine Ebene, auf welcher sie eine moralische Bewertung erfahren. Entsprechend den Werten, welche eine Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit propagiert, erhalten Begriffe einen moralischen Marker im Sinne eines „gut“ oder „schlecht“ angeheftet. Wodurch eine Gesellschaft ihre Mitglieder dazu bringen möchte, bestimmte Verhaltensweisen zu bevorzugen bzw. zu unterlassen, ohne auf Argumente zurückgreifen zu müssen.

Während der Begriff des Egoismus auf der Bedeutungsebene nur zum Ausdruck bringt, dass ich etwas tue, was ich für mich selbst als nützlich ansehe, haftet dem Begriff auf der gesellschaftlichen Ebene oftmals der moralische Marker „schlecht“ an. Der Grund dafür ist, dass über den Begriff hinaus einem Egoisty bestimmte Verhaltensweisen zugeordnet werden. Die Erwartung ist, dass ein Egoisty sich seinen Vorteil dadurch verschafft, dass er zugleich anderen schadet.

Als Gegenentwurf zum Egoismus wurde schließlich der Begriff des Altruismus entworfen. In der Bedeutung, in welcher dieser Begriff den moralischen Marker „gut“ erhält, wird davon ausgegangen, dass meine Handlung nicht nur für andere außer mir einen Nutzen hat, sondern dass diese Handlung für mich als Handelnden möglichst mehr Nachteile als Vorteile beinhalten soll.

Indem wir Handlungen entsprechend dem dualistischen Begriffspaar von Egoismus und Altruismus einordnen, erschaffen wir uns ein Problem. Wenn Handlungen als schlecht verurteilt werden, wenn sie dem Handelnden einen Vorteil ermöglichen und eine Handlung als gut beurteilt werden, wenn sie nur anderen als dem Handelnden einen Vorteil verschaffen und ihm selbst zum Nachteil gereichen, dann sagen wir damit nichts anderes aus, als dass wir uns selbst für das Ganze opfern sollen.

In dem Umfang, wie der Altruismus als Selbstaufgabe verstanden wird, in diesem Umfang wird dieses Konzept zum willfährigen Diener von Herrschaft. Schließlich profitiert jede Herrschaft davon, wenn es ihr gelingt, Menschen dazu zu bringen, ihr Leben für vermeintlich höhere Ziele zu opfern. In der Verurteilung des Egoismus schwingt somit auch eine Ablehnung der eigenen Existenz mit und steht damit im Widerspruch zur von mir formulierten Existenzethik.

Dabei ist es interessant zu betrachten, in welchem Umfang wir in unserer Gesellschaft – obwohl der Vorwurf eines egoistischen Handelns so oft gebraucht wird – überhaupt zu egoistischem Handeln in der Lage sind. Schließlich müssen wir uns permanent mit Rahmenbedingungen arrangieren, in welchen wir kaum mehr sind als eine Maschine, welche strikt – entsprechend äußerer Vorgaben – zu funktionieren hat. Neben der Arbeitswelt sind wir solchen Beschränkungen ebenso in unserer Freizeit und beim Konsum unterworfen, welche von uns individuell kaum beeinflusst werden können.

Insofern ist der Vorwurf des Egoismus – aus meiner Perspektive – eher als eine weitere Methode zur Stabilisierung von Herrschaft zu betrachten. Schließlich dient der Vorwurf dazu, dass wir den einzigen sinnvollen Maßstab aufgeben, um unsere Handlungen zu bewerten. Wenn Ludwig von Mises sich in der Praxeologie der Frage widmete, was uns Menschen zum Handeln bringt, und eine wichtige Motivation darin findet, dass wir unsere Situation verbessern wollen, dann dient der Egoismusvorwurf schließlich nur dazu, uns diesen inneren Kompass zu entreißen und an seine Stelle die Vorgaben irgendeiner Obrigkeit zu setzen. Daher plädiere ich dafür, dass wir uns den Egoismus bewahren. Wir selbst sind die einzige Instanz, welche in der Lage ist zu entscheiden, ob eine Handlung unsere Situation verbessert. Die Verbindung zu unseren Bedürfnissen und uns selbst ist wichtig, nur so können wir erfahren, ob wir im Einklang mit unserer Lebendigkeit handeln und ein für uns lebenswertes Leben führen.