Es ist sehr spannend in einer Zeit zu leben, in der Begriffe mehr Schein als Sein enthalten. Illusionen werden in Zahlen verpackt, welche noch auf die Nachkommastelle genau ermittelt werden. Aus meiner persönlichen Sicht ein Versuch, Illusionen möglichst real erscheinen zu lassen.

In der folgenden Erklärung geht es darum, die Illusionen der heutigen Inflationsmessung aufzuzeigen. Die Erklärung ist sowohl auf Inflation als auch Deflation anwendbar. Im weiteren Verlauf spreche ich nur von Inflation. Die Erklärungen sind für Deflation bitte analog zu verstehen.

Definition

Umgangssprachlich wird Inflation mit Preissteigerung gleichgesetzt. Die Zahlen zur Inflation basieren auf Indexveränderungen von Preisen einer Periode zu einer anderen. Das statistische Bundesamt beschreibt den Begriff Inflationsrate insoweit plausibel, indem es erklärt, dass die Zahl eine Veränderung eines Index widerspiegelt. Der Verbraucherpreisindex basiert auf einem Warenkorb und trifft nur eine Aussage darüber, wie sich Preise verändert haben.

Es wird damit jedoch keine Aussage zur Inflation im engeren Sinne getroffen. Auch dazu findet sich beim statistischen Bundesamt eine Definition, welche eine Verbindung zwischen Geldmenge und Preissteigerung herstellt. Eine Inflationsrate im engeren Sinn soll eine Aussage darüber machen, in welchem Umfang eine Ausweitung der Geldmenge für einen Anstieg der Preise verantwortlich ist. Eine Grundannahme für die Berechnung hat seinen Ursprung in der Quantitätsgleichung:

Geldmenge * Umlaufgeschwindigkeit = Preisniveau * Transaktionen

Kritik

Was ist jetzt an einer Aussage von z.B. 2,1% Inflation für Deutschland im Jahr 2012 so problematisch? Meine Kritik ist, dass diese Zahlen etwas suggerieren, was einer Lüge gleichkommt. Die Botschaft ist, dass die Geldmenge um 2,1% ausgeweitet wurde und die Preise deshalb um diesen Teil gestiegen seien. Aber diese Aussage ist in mehreren Punkten falsch. Der erste Punkt ist, dass die Geldmenge M3 im gleichen Zeitraum, also Januar 2012 bis Januar 2013, für Deutschland um 6,1% gestiegen ist. Jetzt kann man darüber spekulieren warum es zwischen der Geldmengenveränderung und der Inflation eine Diskrepanz gibt. Aus meiner Sicht ist eine mögliche Erklärung, dass die Wirkungen dieses zusätzlichen Geldes sich vor allem in den Preisänderungen von Immobilien, Wertpapieren und anderen Finanzprodukten widerspiegeln. Eine Wirkung auf die Preise erfolgt nur indirekt, sofern Güter Renditen in Form von Mieten, Dividenden oder Kreditzinsen erwirtschaften müssen.

Ein zweiter Punkt, welcher unterschlagen wird, ist die Veränderung der Produktionsproduktivität. Für das Jahr 2012 wird die Veränderung der Arbeitsproduktivität zum Vorjahr mit – 0,4% bzw. 0,5% angegeben. Eine Verbesserung der Produktivität müsste sich, wenn die Geldmenge konstant bleibt, entweder in fallenden Produktpreisen oder in einem Anstieg der Einkommen der Beschäftigten widerspiegeln. Auf jeden Fall würde es zu einer Verbesserung der Kaufkraft führen.

Weitere Aspekte, welche innerhalb der Preisveränderungen nicht abgegrenzt werden können, sind Veränderungen welche in einer dynamischen Wirtschaft ständig ablaufen. Es ändern sich Vorlieben von Kunden, die Verfügbarkeit von Ressourcen und vieles mehr. Es gibt viele Ursachen, warum sich Preise ändern. Ich denke es ist leicht ersichtlich, dass allein für ein Produkt, im Rahmen der heutigen Arbeitsteilung, leicht eine lange Liste verschiedener Ursachen zusammenkommt. Jede Ursache wäre wiederum im Detail zu untersuchen, ob sie in Verbindung mit einer Änderung der Geldmenge stand.

Ich halte es für prinzipiell unmöglich, allgemeine Preisveränderungen von Preisveränderungen aufgrund der Geldmengenänderung abzugrenzen. Dafür wäre es nötig ermitteln zu können, wie sich der Preis verändert hätte, wenn die Geldmenge nicht geändert worden wäre. Es gibt aber nur eine Volkswirtschaft, in welcher diese Zahlen ermittelt werden und in dieser ist die Geldmengenänderung erfolgt.

Warum werden diese Zahlen dann überhaupt erhoben? Wie ich bereits am Anfang gesagt habe, dienen diese Zahlen meiner Meinung nach, um die wirkliche Entwertung des Geldes zu verschleiern. Eine Überlegung dazu könnte sein, dass mit den Inflationszahlen die Lohnverhandlungen zwischen Unternehmern und Angestellten zu Gunsten der Unternehmer beeinflusst werden sollen. Dieser Gedanke greift aber zu kurz, weil der Unternehmer dadurch keinen direkten Vorteil hat, denn ein Lohnvorteil würde aufgrund der Konkurrenz zu niedrigeren Preisen führen und wäre so auch zum Vorteil der Angestellten.

Wer profitiert jetzt von der Inflation?

Zunächst profitiert derjenige welcher das neu geschöpfte Geld als Erster erhält. Das neue Geld trifft auf einen Markt der noch nicht weiß, dass das bestehende Geld weniger wert ist. Der Kreditnehmer kauft erst einmal zu alten Preisen und hat dafür keine Gegenleistung erbracht. Er hat auf Kosten aller Anderen seinen Besitz vergrößert. Das ist aber nur der erste Schritt. Der Kreditnehmer muss im Regelfall das Geld mit Zinsen zurückzahlen. Der Kreditnehmer erbringt also zu einem späteren Zeitpunkt eine Gegenleistung für die Gesellschaft, um das Geld nebst Zinsen wieder einzunehmen. Man kann darüber diskutieren, ob ein Hedgefonds, wenn dieser mit Kredithebeln Einnahmen generiert, eine Gegenleistung für die Gesellschaft erwirtschaftet, aber darum geht es hier nicht. Derjenige, welcher dem Kreditnehmer den anfänglichen Vorteil mittels Zinsen wieder abnimmt, ist der letztendliche Gewinner der Inflation. Beim geldschöpfenden Kreditgeber sammelt sich über die Zinsen der Inflationsgewinn. Diese Kreditgeber, die Banken und Finanzinstitute welche zur Geldschöpfung exklusiv berechtigt wurden, erhalten über diese Zinseinnahmen einen Anspruch auf die Güter der Gesellschaft. Die einzige Gegenleistung zuvor bestand in der Geldschöpfung selbst. Es mag jeder selbst beurteilen, ob dieses eine angemessene Gegenleistung darstellt. Meine persönliche Ansicht ist: Nein!

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Angestellte durch Inflation am meisten geschädigt werden, da der Wert ihres vertraglich vereinbarten Arbeitslohns gesenkt wird. Eine Inflationsanpassung erfolgt immer nur nachträglich. Ein Ausgleich des vergangenen Inflationsverlustes findet meistens nicht statt. Dieses wäre nur möglich, wenn die Lohnsteigerung oberhalb der Geldmengenausweitung liegt. In den letzten Jahren lagen die Lohnabschlüsse aber sogar unterhalb der Inflationsrate und damit deutlich unterhalb der Ausweitung der Geldmenge. So wird der Teil der Bevölkerung, welche den gesellschaftlichen Wohlstand produziert, stetig um den Ertrag seiner Arbeitsleitung gebracht. Für 2012 wird auf Basis des Verbraucherpreisindex eine Reallohnsteigerung von 0,5% unterstellt. Würde man jetzt stattdessen die Änderung in Bezug zur Geldmengenänderung setzen, bedeutet es für 2012 eine Änderung von – 3,6%.

Neben dem beschrieben Aspekt der Unmöglichkeit der Messung, gibt es weitere Punkte, welche ich grundsätzlich in Frage stelle, auch wenn ich diese jetzt nicht weiter argumentiere: Warum sollte es nötig sein, entsprechend der Quantitätsgleichung, die Geldmenge zu ändern, um ein bestimmtes Preisniveau zu stabilisieren? Warum sollte es nötig oder gar sinnvoll sein eine Inflation von 2% zu erzwingen?

Änderungen 2023

Da die meisten Links welche ich im Artikel referenziert hatte inzwischen nicht mehr verfügbar sind habe ich die Verweise im Artikel entfernt. Stattdessen hier einige neue Links zu Zahlen zum Verbraucherpreisindex und der Geldmenge.

Destatis zum Verbraucherpreisindex
Destatis Publikation zur Deflationsdiskussion
Daten zum Verbraucherpreisindex für Deutschland und andere Länder Europas
Statistiken der Bundesbank zum deutschen Beitrag der Geldmengenentwicklung M3
Zahlen von Destatis zum Bruttoinlandsprodukt