Nun geht es also los, eine lange und spannende Reise erwartet uns. Aber etwas was ich auf der langen Reise nicht mitnehmen kann, sind meine Rechte. Natürlich könnten ich ein BGB einpacken oder ein Ausdruck der Charta der Menschenrechte oder vielleicht besser noch eine Kopie der Menschenpflichten. Aber in welcher Sprache? Was nützt es mir, wenn niemand außer mir diese Texte lesen kann? Habe ich diese Rechte dann trotzdem? Sollte ich eine Mütze oder ein Stirnband tragen auf dem steht, dass ich Rechte habe, damit sie von niemandem übersehen werden? Habe ich damit die Sicherheit in keinem Land angegriffen zu werden? Werden alle Menschen denen ich begegne friedvoll und freundlich mit mir umgehen, wenn ich diese Mütze aufsetzte? Aber wenn ich nachts die Mütze abnehme, lege ich diese Rechte dann auch ab?

Ja, jetzt können jemand einwenden, ich habe diese Rechte doch immer und sie sind unveräußerlich. Aber wenn dem so wäre, wie kommt es dann, dass es Menschen gibt, die diese Rechte anderen Menschen nicht gewähren? Wie kommt es, dass es Menschen gibt, die anderen Menschen etwas Unveräußerliches trotzdem wegnehmen können? Ich denke Sie wissen was ich meine, ich muss nicht im Detail ausführen zu welchen Taten Menschen anderen Menschen gegenüber in der Lage waren und auch heute noch sind. In der Hinsicht, sind wir nicht zivilisierter geworden sondern immer noch Barbaren, die sich gegenseitig bereit sind zu verletzen und zu töten. Egal ob mit der Waffe oder dem Wort.

Aber was sind Rechte dann? Eine Illusion so wie es George Carlin auf den Punkt gebracht hat? Rechte sind ein Konzept, eine Idee, ein Mem. Ideen werden Realität wenn Menschen entsprechend handeln. Das bringt uns zu dem Punkt zu erklären, was es meint wenn wir von Rechten sprechen. Es ist eine Verkürzung von einer langen Kette von Handlungen. Eine Ausführung dafür stammt von Norbert Lennartz. Er beschreibt hier eine Alternative zur Eigentumsdefinition von John Locke. Die Definition von Locke geht davon aus, dass ich ein unbeschränktes und ewiges Eigentumsrecht auf einen Gegenstand oder ein Stück Land begründe, sobald irgendeine Form von Arbeit von mir darin eingeflossen ist. Was in der absoluten Form – nicht von Locke selbst, der dafür Grenzen beschreibt – wie es von manchen Libertären gerne dargestellt wird, aus meiner Sicht langfristig von der Freiheit in die Sklaverei führt. Denn Freiheit benötigt Raum in dem sie sich entfalten kann. Wenn aber die gesamte Erde in Privatbesitz ist und jeder dieser Eigentümer das Recht hätte diesen Besitz einseitig beizubehalten, wo sollte ein neu geborener Mensch dann Raum haben für seine eigene Freiheit?

In den Ausführungen von Lennartz wird dieses absolute Eigentumsrecht zu einem relativen, welches nur dann funktioniert wenn Eigentümer und Nichteigentümer die Besitzverhältnisse gegenseitig respektieren. Tun sie es nicht oder nicht mehr, gibt es einen Konflikt der einer Einigung bedarf. Da hier beide Interessen, des Eigentümers und des Nichteigentümers gleichwertig betrachtet werden, ist dieses aus meiner Sicht eine bessere Basis für eine universelle Ethik, als wenn der Nichteigentümer in seinen Interessen grundsätzlich als Aggressor gesehen wird, wenn dieser die Rechtmäßigkeit eines absoluten Eigentumsrechtes in Frage stellt. Insofern trägt bereits die Bereitschaft des Eigentümers zur Verhandlung dazu bei, friedlichere Lösungen zu finden als im Fall vom Bestehen auf einseitig definiertem Recht. Denn wenn eine Seite darauf beharrt ein Recht zu besitzen, welches von der Gegenseite nicht anerkannt wird, ist eine Konfliktlösung über Verhandlungen nicht oder nur erschwert möglich. Am Ende wird das Recht des Schwächeren durch das Recht des Stärkeren ersetzt. Es sind friedliche Pausen denkbar, solange eine Seite nicht stark genug ist, sich gegen die andere zu erheben. Einer kooperativen Gemeinschaft wird eine solche Anspruchshaltung immer ein Hemmnis sein.

In einer freien Gesellschaft kann es kein Recht geben, auf welches sich ein Individuum einseitig berufen kann, um etwas von einem anderen Individuum zu erhalten oder abzuwehren oder gar einzufordern. Dem Recht liegt gedanklich das Handeln und Wohlverhalten von Menschen zugrunde. Das bedeutet aber auch, dass es a priori – also vor dem Handeln von Menschen – kein Recht geben kann. Erst durch das Handeln von Menschen und insbesondere dem nicht Handeln von Menschen. Also dem Verzicht auf Handlungen welche einem anderen Schaden zufügen. Erst mit diesem Handeln entsteht zwischen Personen ein Konsens darüber welche Rechte man für sich selbst gerne in Anspruch nehmen möchte und diese im gleichen Zuge natürlich auch dem anderen gewährt. Gleiches gilt für die Unterlassung bestimmter Handlungen. Ein schönes Beispiel zum Unterschied zwischen Recht aufgrund von Geboten und Recht welches durch Selbstverpflichtung geschaffen wird, ist die unterschiedliche Sichtweise der Zehn Gebote in den Religionen und bei Neale Donald Walsch. Währen Gebote von einer Person ausgesprochen werden, damit diese von anderen befolgt werden und damit eher eine Form der Machtausübung darstellen, ist eine Selbstverpflichtung immer nur auf die eigene Person gerichtet und somit eine einseitige Willenserklärung.

Da der Begriff Recht aufgrund seine gegenwärtigen Bedeutung eher missverständlich ist, weil es vor allem einseitige Anspruchsbeziehungen gegenüber anderen beschreibt, möchte ich lieber bei den Begriffen bleiben, die diesem Begriff zugrunde liegen. Auch im Wörterbuch der Gebrüder Grimm wird deutlich, dass der Begriff für eine freie Gesellschaft, wo eben nicht alles festgelegt ist, einfach nicht passend ist. Daher verwende ich in diesem Zusammenhang lieber Begriffe wie Absprachen, Vereinbarungen, Selbstbeschränkung oder Selbstverpflichtung. Alles Begriffe die deutlicher aufzeigen können, dass entweder eine Interaktion mit anderen nötig ist oder es nur einen selbst betrifft.

Soweit eine erste Erklärung dazu, warum wir mit leichtem Gepäck reisen. Wir werden uns an anderer Stelle noch stärker damit auseinandersetzten, in welcher Form wir mit anderen umzugehen breit sind. Vor allem in Bezug auf den freien Markt wird es ein wichtiger Aspekt sein. Das Festhalten an Rechten entspringt vor allem einem Bedürfnis nach Sicherheit und sagt auch etwas darüber aus, wie unser eigenes Menschenbild ist. Erwarte ich Gutes von anderen Menschen und habe Vertrauen, dann fühle ich mich auch in einem Umfeld sicher, in dem es kaum feste Regeln gibt. Wenn ich aber eher Schlechtes erwarte und mir zu vertrauen schwer fällt, ist es wahrscheinlich, dass ich Rechte benötige um mich sicherer zu fühlen.

Die Koffer sind gepackt und wir begeben uns auf die Reise. Natürlich stellt sich aber schon jetzt die Frage: Wer soll das alles bezahlen? Mal sehen welche Möglichkeiten wir hier finden und ob wir aus dem Vollen schöpfen können.

Mein Video zum diesem Beitrag: Keine Rechte a priori

Weiterführende Links zu angesprochenen Themen:
George Carlin to rights
Grimm Wörterbuch: Freiheit, Recht
Grundgesetz
HumanResponsibilities from InterAction CouncilDeutsch
John Locke zum Eigentum
Mem
N. D. Walsh, Gespräche mit Gott: Die zehn Gebote
UN Charta der Menschenrechte
Zehn Gebote bei der EKD