Mein Erleben mit Worten auszudrücken, wenn es ums Fühlen geht, bewerte ich als unglaublich schwierig. Ich habe eine intensive Woche hinter mir, einmal mit dem Forschungsraum „Dorf der Zukunft“ sowie mit dem anschließenden Vernetzungswochenende von „Wir im Wandel“. Eine besondere Rolle dabei spielten für mich die Tränen, sowohl von Männern als auch von Frauen. Für mich sind Tränen ein Ausdruck tiefer Bewegtheit, egal ob die emotionale Energie mit Freude, Schmerz, Trauer oder Wut verbunden ist.

Ich kenne bereits seit vielen Jahren die Erzählung von Marshall Rosenberg, als er die Erfahrung machte, wie seine Tränen der Bewegtheit von Frauen aufgenommen wurden. Trotzdem ist es ein Unterschied, diese Sehnsucht nach emotional verfügbaren Männern selbst zu erleben. Ich freue mich darüber, dass es mir gelungen ist diese Seite von mir zu zeigen und zu teilen, selbst wenn ich viele der Menschen erst wenige Tage kannte. In verschiedenen Rückmeldungen konnte ich erfahren, wie wichtig und heilsam dieses Zeigen für andere Menschen ist.

Gerne würde ich diese Bewegtheit hier mit Worten schildern können. Auf der Ebene von Worten ist dies jedoch viel schwieriger zu vermitteln, daher möchte ich Dir stattdessen dieses 90-Sekunden-Video von „The Liberators“ ans Herz legen, um einen Eindruck davon zu bekommen, was selbst zwischen fremden Menschen passieren kann.

Aufgrund meiner Lebensgeschichte ist dieses Erleben für mich von besonderer Bedeutung. Als ich in meiner Jugend gezwungen war, mich von meiner emotionalen Seite zu trennen, um zu überleben, konnte ich nicht wissen, dass ich damit auch meine Fähigkeit aufgab, mit Menschen in Verbindung zu gehen. Erst viele Jahre später habe ich die Zusammenhänge verstanden. Ich habe an mir gearbeitet, um den unterdrückten Schmerz zu fühlen und die als Traumata gespeicherten emotionalen Ladungen Stück für Stück zu fühlen und aufzulösen und auf diesem Weg auch zu transformieren. Indem ich mich mit meiner Quelle von Lebendigkeit in mir wieder verbinde, kann ich andere Menschen unterstützen, sich auf das Selbstfühlen einzulassen.

Ich möchte, dass wir öfter das Wasser des Lebens miteinander teilen. Aus meiner Sicht ist viel kollektiver Schmerz mit den Themen Männlichkeit und Weiblichkeit verbunden, weil wir viele Traumatisierungen in diesen Bereichen erfahren haben. Ich bin überzeugt, dass unsere Tränen, wenn diese in offenen, herzlichen Begegnungen miteinander erlebt und geteilt werden, uns dabei helfen können, alten Schmerz aus unseren seelischen Wunden heraus zu spülen. So werden unsere Tränen zugleich zum Balsam, um unsere seelischen Wunden gemeinsam zu heilen. Mit jeder Heilung stärken wir unsere Fähigkeit, miteinander empathisch umzugehen und neue Traumata zu vermeiden.

Diese Begegnungsräume bedeuteten für mich auch Stress. Rauszugehen und unbekannten Menschen zu begegnen und mich auf unbekannte Erfahrungen einzulassen ist für mich immer wieder eine Herausforderung. Ich freue mich darüber, mich dieser Herausforderung gestellt zu haben und bin gespannt darauf, was aus den vielen Begegnungen weiter entstehen wird. Gerne möchte ich auf meine Weise dazu beitragen, dass es mehr solcher Begegnungsräume geben wird.