In dieser Folge beschäftige ich mich mit der Würde und der Strafbarkeit von Beleidigung am Beispiel des Schmähgedichtes von Jan Böhmermann über den türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan.

Die ursprüngliche Aufnahme vom 20.04.2016 findet Ihr hier. Für den Podcast habe ich das Audio überarbeitet und soweit möglich Pausen, Störgeräusche sowie Verzögerungslaute entfernt.

Im Mem-Tagebuch teile ich mit Euch meine Gedanken zu gesellschaftlichen, philosophischen oder politischen Themen.

Transkript

Jeder Block entspricht ca. 30 Sekunden im Audio.

Willkommen heute zu einem weiteren Mem-Video. Heute geht es um das Thema Würde. Anlass für mich ist die ganze Geschichte rund um Jan Böhmermann. Eigentlich will ich gar nicht so sehr auf die Einzelheiten dort eingehen. Mich interessiert eher dieser Blick: Was findet da eigentlich statt? Und in wie weit ist dieses ganze Gebaren wirklich sinnvoll und wo führt das Ganze hin? Also zunächst einmal, bei Jan Böhmermann geht es ja um dieses Schmähgedicht, was er auf den türkischen Ministerpräsidenten dort verfasst hat und in seiner Sendung vorgelesen hat.

Und aktuell ist es so, dass es viel Tamtam darum gab. Weil die Schmähung oder Beleidigung von ausländischen Staatsoberhäuptern zum einen einer Entscheidung der Bundesregierung bedarf, damit der Antrag der dann von Erdoğan gestellt wurde, auch weiterverfolgt werden durfte von der Staatsanwaltschaft. Weil die dürfen hier von sich aus nicht tätig werden ohne Erlaubnis der Bundesregierung bzw. haben die Minister wohl gesagt: Nee, lieber nicht. Und Frau Merkel hat entschieden: Ja, lieber doch. Weil Türkei ist halt gerade wichtig.

Jetzt preschen verschiedene Länder vor. Die versuchen wollen diesen, ich glaub §103 Strafgesetzbuch, eben Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter, dass man den vorher kippen könne. Damit es sozusagen auf der Grundlage zumindest keine Strafverfolgung gibt. Was wahrscheinlich schon weniger diskutiert wird: Es wurde auch nach regulären Strafverfolgung, ich glaube §185, der Paragraph der Beleidigung, wurde ebenfalls Anzeige erstattet. Oder Strafantrag ist es ja in dem Fall. Und darüber regt sich wahrscheinlich kaum jemand auf. Zu überlegen, was hat das Ganze mit Beleidigung: Also Beleidigung fällt in das Thema der Ehrverletzung.

Und deswegen ist für mich eben das Thema Würde an der Stelle so spannend. Weil letztlich geht es bei diesen ganzen Konzepten von Ehre und Würde und Beleidigung, alles um innerweltliche Aspekte einer Person. Bei diesen Innerweltaspekten ist das spannende ja eben, weswegen ich auch den Begriff Würde gewählt habe, steht es ja schon im ersten Artikel des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar und die staatliche Gewalt soll dafür sorgen, dass sie geschützt wird. Was an der Stelle schon absurd ist, weil Würde als Begriff oder Konzept aus der Innenwelt eines Menschen, mit einer physischen Verfolgung sozusagen gewalttätiger Art, dann in irgendeiner Form schützen zu wollen.

Weil ich kann die Innenwelt eines Menschen nicht mit Gewalt schützen. Sondern eher indem ich mich ihm gegenüber anders verhalte. Und ihm versuche ein gutes Umfeld zu bieten. Indem ich ihn akzeptiere, anerkenne, aber Verfolgung anderer Menschen dürfte da am allerwenigsten statthaft sein. Nun aber was bedeutet das jetzt, wenn das sogar zunächst einmal auf ein Staatsoberhaupt eines ausländischen Staates. Weil die Frage ist doch erst einmal: Kann man ein Amt überhaupt beleidigen? Aus meiner Sicht ist das absolut unmöglich.

Weil was soll denn dieses Amt sein oder wie sollte dort eine Beleidigung funktionieren. Weil das Beleidigt fühlen, da es ja eben ein Teil der Innenwelt ist, kann sich ja letztlich nur der Mensch. Das heißt im Zweifelsfall auch, nur der Inhaber eines solchen Amtes, kann sich beleidigt fühlen. Dann ist aber die Frage: fühlt sich dann das Amt beleidigt oder der Inhaber des Amtes? Also der Mensch wiederum. Also aus der Sicht ist für mich das mit dem Amt sowieso hinfällig. Aber auch die zweite Ebene zu sagen: Ein Mensch der sich beleidigt fühlt. Wäre die Frage: Wenn das ein Konzept aus der Innenwelt ist, dann gibt es auch immer eine Schranke zwischen meiner Außenwahrnehmung, meinen Sinnesorganen, bis zu dem Zeitpunkt, dass es tatsächlich Teil meiner Innenwelt wird.

Und wenn ich einem anderen Menschen letztlich gestatte, über diese Schranken hinwegzukommen. Und in meinem Inneren Verheerungen und Verwüstungen anzurichten, dadurch dass ich eben, weil es muss ja irgendwo ein Schaden entstehen, den ich in meiner Innenwelt empfinde, zu sagen: Das finde ich jetzt verletzend. Oder: Das hat mich verletzt. Oder: Das finde ich anmaßend. Oder sonst irgendetwas. Weil irgendwo muss ich ja eine Kategorisierung haben, dass eine Äußerung von mir als Beleidigung aufgefasst werden kann.

Und damit wär schon die Überlegung zu sagen: Meine Güte, da gebe ich aber viel Macht irgendeinem Menschen. Noch dazu wird Erdoğan den Böhmermann ja wahrscheinlich überhaupt nicht persönlich kennen. Das heißt, sie haben eigentlich gar keine Basis auf der dort ein Kontakt stattfinden kann. Und dass ein Böhmermann einem Erdoğan in die Innenwelt spucken kann. Aber so ist das halt. Weil, wir haben halt unsere Begriffe nicht wirklich klar. Und vor allem die Innen- und Außenwelten trennen wir nicht wirklich sauber voneinander ab. Und übernehmen die entsprechende Verantwortung. Weil das würde heißen, wenn sich ein Erdoğan von einem Böhmermann beleidigt fühlt, dann würde ich eher mal schauen, ob ich nicht lieber als Erdoğan mir da psychische Unterstützung oder psychologische Betreuung suche.

Warum meine Innenwelt denn so leicht angreifbar ist. Und ob ich den für dann bestimmte Ämter, in denen man halt auch mit Menschen konfrontiert wird, die einem vielleicht nicht wohlgesonnen sind, dann vielleicht lieber was anderes machen sollte. Und deswegen ist es auf jeden Fall spannend zu sehen, was denn tatsächlich dort weiter verfolgt wird. Weil klar, es ist dann mal wieder ein sehr prominentes Beispiel, wo das Strafverfahren der Beleidigung ausexerziert wird. Und dann ist auch wieder die Frage, was mich ja sehr umtreibt, die Frage der Freiheit. Gibt es wirklich irgendeine sinnvolle Grenze zu sagen: Hier ist aber jetzt die Meinungsfreiheit zum Beispiel an der Stelle sinnvollerweise zu beschränken.

Aus meiner Sicht nicht. So sehr auch Worte manchmal verletzend empfunden werden, sind sie doch trotzdem nicht im eigentlichen Sinne verletzend. Sondern die Verletzung findet erst in mir statt und ich habe meinen Teil dazu beigetragen, dass ich es als Verletzung überhaupt bewerte. Deswegen ist für mich der Ansatz zu sagen, doch lieber die Menschen weiterhin dazu zu bringen, zu kucken: Was ist das, was sie im Griff haben. Was können sie selber steuern und regeln, um zu sagen: Das ist meine Innenwelt und ich entscheide wer in dieser Innenwelt einen Einfluss bekommt oder nicht.

Und im Zweifelsfall ist der einzige der in meiner Innenwelt etwas zu schaffen hat, bin ich selbst. Jeder andere bekommt von mir die Erlaubnis und dann auch nur so lange wie es möglich ist. Natürlich ist das auf dieser abstrakten Ebene leicht zu sagen. Mit ist schon klar, dass wenn man einen Menschen kennt oder sympathisch findet und die Meinung dieses Menschen einem wichtig ist. Dann kann es ziemlich schwierig werden, wenn dieser Mensch plötzlich etwas Kritisches zu einem sagt oder einem Ablehnung entgegen bringt. Weil eigentlich möchte man mit diesem Menschen verbunden sein und fühlt dann eher eine Trennung oder ein nicht akzeptiert sein.

Aber das ist halt eine andere Ebene. Theoretisch ist erst einmal davon auszugehen, ich bin der Herr in meiner Innenwelt und der einzige der dort etwas zu steuern hat. Faktisch erfordert es viel Übung in Ruhe, in Selbstwahrnehmung, vor allen Dingen bei sich zu bleiben, zu merken: Okay, das ist mein Bereich. Das trifft mich zwar, das löst etwas in mir aus. Aber trotzdem ist die Frage: Warum löst es etwas in mir aus? Weil nur wenn ich einen Ansatzpunkt, einen Anker habe an dem das ganze Zeug andocken kann, dann komme ich halt genau in die Probleme.

Und dann sollte ich nicht vergessen, dass dieser Ansatzpunkt bei mir liegt, die Äußerung bei dem anderen. Und kann mich dann entscheiden ob ich da jetzt dem anderen die Schuld geben möchte, dass mein Leben so gewesen ist, wie es gewesen ist und ich deswegen dort eine empfindliche Stelle habe. Oder ob ich mir diese empfindliche Stelle nicht lieber genauer anschaue und kläre: Wie kann ich im Endeffekt ein Mensch werden, dem solche Stellen vielleicht dann nicht mehr von außen steuerbar machen. Sondern das ich eben selber Herr über mich werde und ich mein Selbst letztlich verstärke in der Hinsicht, das Leben aus meiner Sicht darin besteht, immer mehr auch man selbst zu sein.

Aber das muss man halt erst mal herausfinden wer man ist und seine wunden Stellen auszukurieren, um dann souverän mit anderen Menschen im Umgang zu sein. Und nicht gewalttätige Strukturen zu benutzen, um letztlich anderen Menschen auch wiederum Gewalt anzutun. Weil letztlich ist es einfach nur die Fortführung von dem was man angeblich bekämpft, dass man das dann wieder in die nächste Generation trägt und weiterhin legitimiert, dass Gewaltanwendung ein legitimes Mittel ist, um Ziele durchzusetzen. Das ist ja etwas, wogegen ich auch immer wieder sprechen möchte.

Zu sagen: Gewalt, egal ob jetzt physische, psychische, rein in der Sprache, auf solche Kommunikationsmittel vielleicht doch eher zu verzichten. Und bessere Wege des Miteinander und des gemeinsamen Handelns und Sinnsuchens zu finden. Entsprechend ist also für mich der wichtigere Punkt zu überlegen: alles was überhaupt die Strafverfolgung angeht, die in vielerlei Hinsicht auf falschen Ebenen angreift, ist der Punkt, gerade Themen der Innenwelt, der Ehrverletzung, der Beleidigung, die letztlich jetzt keine materiellen Schäden im Sinne einer Verleumdung oder etwas zu Folge haben.

Wo man vielleicht tatsächlich die Lebensumstände einer Person beschränkt oder beschädigt. Ist die Frage, ob man sowas nicht generell, also auch den §185, der dann die Beleidigung enthält, das gleich mit zu streichen. Und nicht bloß diesen einen Paragraphen, weil man sich gerad jetzt ein bisschen profilieren will. Inwieweit ist es sinnvoll, dass Beleidigung durch Gewalt geahndet werden oder ist es nicht sinnvoller, dass die Menschen einen vernünftigen Umgang miteinander lernen und ihn auch üben. Und nicht zu einem Übervater wie dem Staat rennen und dann da ihr Leid klagen und den anderen auch wieder gewaltsam an die Kandare nehmen.

Ich denke mit Gewalt lernt kein Mensch Umgang mit anderen Menschen. Mein Aufruf an der Stelle ist zu sagen: Menschen kümmert Euch um Eure eigene Innenwelt. Und hört auf andere dazu in Beschlag zu nehmen, dass sie mit Gewalt andere daran hindern etwas zu tun und da auch nur verbal zu äußern, nur weil es bei Euch irgendwelche Trigger trifft. Sondern nutzt die Gelegenheit Euch selber klar zu werden: Wer Ihr seid. Wo Eure wunden Stellen sind und diese wunden Stellen dann anzuschauen. Um zu kucken, wie könnt Ihr mehr Ihr selbst sein.

Weil im Regelfall dürften solche Stellen, an denen es dann schmerzt wenn solche Äußerungen gemacht werden, sehr viel mehr mit Euch selbst zu tun haben. Und Euch Hinweise daran geben, wo Ihr auch noch nicht Ihr selbst sein könnt, weil Ihr diese Stellen im Regelfall dann ausblendet. Die ganze Böhmermann-Geschichte geht noch ein ganzes Stück weiter. Das ganze Strafgesetzbuch sollte man mal überprüfen ob das eine sinnvolle Methode ist mit Menschen umzugehen. Und alles was in der Innenwelt ist, auch wenn es im Grundgesetz steht, ist die Frage: Wie soll eine Innenwelt von Menschen geschützt werden, durch Gewaltausübung eines Staates oder anderer Instanzen. Von daher mehr Mut zur Freiheit, zur persönlichen Individualität. Auf ein nächstes Mal. Tschüss.